Ukraine-Krieg

Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, Russlands Zentralbankreserven zu beschlagnahmen

Die Idee, Russlands eingefrorene Reserven zu konfiszieren, um den Krieg und den Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren, mag verführerisch sein. Sie ist aber auch unnötig und unklug. Ein Beitrag von Nicolas Véron und Joshua Kirschenbaum.

Bild: Pixabay

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine haben alle signifikanten Jurisdiktionen, die konvertierbare Reservewährungen ausgeben, entschlossen gehandelt und ihre jeweiligen Anteile an den internationalen Reserven der Bank von Russland eingefroren. Angesichts der steigenden Kosten des ukrainischen Widerstands mehren sich die Rufe, diese eingefrorenen Reserven zu konfiszieren, um den Krieg und den Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren, wobei es auch skeptische Gegenargumente gibt. In der Europäischen Union hat sich die polnische Regierung für die Konfiszierung der Reserven ausgesprochen und wurde dabei vom Hohen Vertreter der EU-Außenpolitik, Josep Borrell, unterstützt. Diese Idee ist verführerisch. Sie ist aber auch unnötig und unklug.

Bei den Reserven der Bank von Russland handelt es sich um öffentliche Gelder. Auch wenn sie häufig damit verwechselt werden, sind diese Gelder doch etwas anderes als die eingefrorenen Vermögenswerte der sanktionierten Russen (die oft vereinfachend, aber bequemerweise als Oligarchen bezeichnet werden). Bei den Vermögenswerten einiger Oligarchen wird vermutet, dass sie unrechtmäßig erworben wurden, aber sie genießen dennoch den Schutz, der Privateigentum gewährt wird. Bei den Reserven der Bank von Russland handelt es sich dagegen um öffentliche Gelder, die weder unter diesen Schutz noch – im Kontext der Sanktionen – unter die Staatenimmunität fallen. Aber ihr Erwerb durch den russischen Staat, also im Prinzip im Namen des russischen Volkes, kann nicht grundsätzlich als unrechtmäßig angesehen werden. Die eingefrorenen Reserven der Bank von Russland sind mit insgesamt rund 300 Milliarden Dollar in den beteiligten Jurisdiktionen auch wesentlich umfangreicher als das eingefrorene Vermögen der Oligarchen.

Es gibt nun mindestens fünf, sich teilweise überschneidende Gründe, warum die Unterstützer der Ukraine in der gegenwärtigen Phase des Krieges von der Beschlagnahmung der russischen Reserven absehen sollten.

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