Islamic Finance

Sind die islamischen Finanzmärkte ein sicherer Hafen in Krisenzeiten?

Im Einklang mit der Scharia stehende Finanzinstrumente wie Sukuk-Anleihen erfreuen sich auch bei nicht-muslimischen Investoren wachsender Beliebtheit – unter anderem deshalb, weil sie bei Finanzmarktkrisen als wesentlich weniger anfällig gelten. Zurecht?

Finanzzentrum Doha. Foto: Pixabay

Das islamische Finanzwesen erfreut sich einer wachsenden Beliebtheit: In den letzten Jahren ist der Sektor um 14% pro Jahr gewachsen, und das Interesse an mit der Scharia in Einklang stehenden Aktien und Anleihen wächst sowohl in der muslimischen als auch in der nicht-muslimischen Welt.

Für dieses Wachstum gibt es gute Gründe, wie ich in einer neuen Forschungsarbeit zeige. So waren die islamischen Märkte von der Finanzkrise 2007/08 nicht so stark durcheinandergewirbelt worden wie die konventionellen Märkte. Man kann sie als neuen sicheren Hafen für Investoren betrachten.

Dass islamische Finanzinstrumente bei Muslimen beliebt sind, ist nicht überraschend. Das islamische Recht verbietet jede Form von Zinsen (Riba) oder Glücksspiel (Qimar). Transaktionen ohne Transparenz (Gharar) sind ebenfalls nicht gestattet. Für das Finanzwesen bedeutet dies, dass die große Mehrheit von Assets und populären Trading-Strategien (z. B. Leerverkäufe und Spekulationen) im Islam verboten sind.

Um dieses Problem zu umgehen, geben islamische Banken sogenannte Sukuk-Anleihen aus, die im Einklang mit der Scharia stehen. Konventionelle Anleihe beinhalten eine vertragliche Verpflichtung, den Besitzern der Anleihen Zinsen und den Nominalwert der Schuld zu einem bestimmten Termin zu zahlen. Wenn Sukuk-Anleihen an Investoren verkauft werden, wird das Geld dazu verwendet, in ein Asset zu investieren, an dem der Besitzer der Anleihe eine Beteiligung erhält. Die Zahlungen an die Sukuk-Besitzer resultieren dann aus dem Profit (nach Steuern), der mit diesem Asset gemacht wird. Wenn die Laufzeit einer Sukuk-Anleihe abläuft, ist der Emittent vertraglich verpflichtet, sie zum Verkaufspreis zurückzukaufen.

Es gibt auch im Einklang mit der Scharia stehende Aktien. Diese müssen risikoaversen Kriterien wie etwa einem niedrigen Schulden-Einkommensquotienten entsprechen. Außerdem sollte das Unternehmen nur sehr begrenzt in Aktivitäten involviert sein, die im Islam als Sünde gelten, wie etwas Alkohol oder Tabak. Daher sind islamische Aktien für muslimische und nicht-muslimische Investoren gleichermaßen attraktiv, weil diese Assets als ethischer betrachtet werden können als viele konventionelle Aktien.

Es gibt zwei populäre Annahmen, warum sich auch nicht-muslimische Investoren für im Einklang mit der Scharia stehende Assets entscheiden. Erstens: Islamische Finanzinstrumente könnten höhere Profite bieten. So bedeutet beispielsweise die hohe Nachfrage nach ethischen Assets eine Steigerung der Marktfähigkeit von Sukuk-Anleihen im Vergleich zu konventionellen Anleihen.

Der zweite Grund basiert auf der Idee, dass die islamischen Finanzmärkte von den konventionellen Märkten abgekoppelt sind und in Krisenphasen in die andere Richtung laufen: Wenn die konventionellen Märkte fallen, steigen die islamischen. Somit bieten die islamischen Märkte Investoren die wichtige Möglichkeit, ihre Portfolios zu diversifizieren und sich gegen einen Abschwung auf den konventionellen Märkten zu schützen.

Deshalb wird das islamische Finanzwesen oftmals als „alternative finance“ kategorisiert, mit einem guten Potenzial für Risikoreduzierung. Gemeinsam mit Kollegen aus den USA, Saudi-Arabien und Tunesien wollten wir diese Vorstellung einem Test unterziehen. Das Ergebnis: Alles in allem unterscheiden sich islamische Anleihen mit Blick auf ihre Struktur nicht sonderlich von traditionellen Anleihen. Und islamische Aktien sind oftmals von den gleichen globalen Risikofaktoren wie dem Ölpreis oder dem Volatilitätsindex betroffen wie die konventionellen Aktienmärkte.

Ein sicherer Hafen

In den letzten Jahren haben einige Finanzkrisen die Aktienmärkte erschüttert. Allein während der letzten zwei Jahrzehnte gab es die Asienkrise (1997), die Argentinien-Krise (1998) und die Finanzkrise von 2007/08 in den USA und Großbritannien, um nur ein paar zu nennen. Diese verursachten erhebliche Volatilität auf den Märken und Verluste für Investoren. Letztere suchen daher kontinuierlich nach Märkten, die weniger stark von Krisen beeinflusst werden.

In einer kürzlich erschienenen Studie haben wir die islamischen Indizes mit ihren konventionellen Gegenstücken während der Krisen der letzten zwei Jahrzehnte in verschiedenen Regionen verglichen: In den USA, Großbritannien, Kanada, Japan, der Eurozone und der Asien-Pazifik-Region. Und wir haben herausgefunden, dass sich die islamischen Indizes in turbulenten Perioden tatsächlich von den nicht-islamischen Märkten abgekoppelt haben.

So gab es nur begrenzte Spillover-Effekte von den konventionellen Indizes auf die islamischen, womit letztere eine Möglichkeit zur Risikoreduzierung bieten. So wurde beispielsweise die Volatilität der konventionellen kanadischen Indizes während ruhiger Perioden zu 40% auf die islamischen Indizes übertragen. Aber nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erhielten die islamischen Indizes in Kanada nur 10% der entstandenen Volatilität. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass die Volatilitätsniveaus während ruhiger Phasen sehr ähnlich sind – aber in Krisenzeiten gibt es eine klare Separierung, wenn die konventionellen Märkte von Turbulenzen getroffen werden. Diese Resultate gelten auch für die globale Finanzkrise und die Eurokrise. Islamische Märkte bewegen sich in turbulenten Zeiten gegenläufig zu den konventionellen Indizes.

In Einklang mit der Scharia stehende Assets werden Investoren nicht vor Verlusten schützen – sie sind kein Polster gegen alle Finanzschocks, die auf den konventionellen Märkten auftreten. Und in Zeiten ökonomischer Stabilität würden Anleger nicht sonderlich von Investments auf den islamischen Märkten profitieren, da die Korrelation zwischen den Märkten in ruhigen Phasen hoch ist. Aber nichtsdestotrotz waren die islamischen Märkte weniger von globalen Finanzschocks betroffen und können so durchaus den Status als neue sichere Häfen beanspruchen, besonders aus der Perspektive nicht-muslimischer Investoren.

 

Zur Autorin:

Larisa Yarovaya ist Dozentin für Accounting & Finance an der Anglia Ruskin University.

 

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Dieser Artikel wurde zuerst von The Conversation in englischer Sprache veröffentlicht und von der Makronom-Redaktion ins Deutsche übersetzt.The Conversation