In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.
Hinter den Kulissen des Bitcoin-Crashs
piqer:
Rico Grimm
Die Digitalwährung Bitcoin ist in den vergangenen Wochen in der Spitze um 55% eingebrochen, andere kleinere Währungen hatten Kursverluste von bis zu 90% zu verzeichnen. Tiefe, heftige Korrekturen sind Alltag in der Welt der Kryptowährungen, aber dieser Absturz war dann doch etwas Besonderes – gerade weil die Währung seit Herbst vergangenen Jahres so gut lief. Wer nach „Gründen“ gesucht hat, wird zahlreiche Gründe präsentiert bekommen haben:
- die Kritik von Tesla-Gründer Elon Musk am CO2-Fußabdruck der Währung
- eine Steuerreform in den USA, die Crypto-Gewinne höher besteuern wird
Undsoweiter, undsofort. Ich habe „Gründe“ in Anführungszeichen gesetzt, weil hier eine Kausalität vorgegaukelt wird, die nicht unbedingt zutreffen muss. An der Börse und den Finanzmärkten gibt es ein verbreitetes Phänomenen: Nach bestimmten Kursbewegungen suchen Medien und Marktbeobachter nach vermeintlichen Auslösern. Geht es hoch, werden gute Nachrichten in den Vordergrund geschoben, geht es runter sind es die schlechten. Wirklich kausal war am Ende vermutlich keine dieser Nachrichten, was sich etwa damit belegen lässt, dass der deutsche Aktienindex DAX genau an dem Tag seinen Absturz beendete, als im Herbst der zweite Lockdown verkündet wurde oder die US-Börsen genau dann einen Boden im Corona-Crash im März 2020 fanden, als die US-Behörden die schlimmsten Arbeitslosenzahlen der jüngeren Geschichte vermeldeten.
Aber anders als bei Aktien lässt sich bei Digitalwährungen sehr gut nachvollziehen, wer gekauft und wer verkauft hat, nicht immer 100%ig genau, aber doch so, dass es mehr als Rätselraten ist. Die Artikel, die ich empfehle tun genau das: Sie analysieren die frei zugänglichen Daten auf der Blockchain.
Denn warum es runter ging ist einfach erklärt: Leute wollen bzw. müssen verkaufen, Käufer sind nicht bereit den jeweiligen Preis zu zahlen, also abwärts erst in Schritten, dann immer schneller, bis nur noch wenige da sind, die raus wollen oder müssen. Die interessantes Frage ist: Wer kauft, wer verkauft?
Drei Dinge Verkäufergruppen waren sehr prominent:
1. Verkauft haben vor allem jene, die erst relativ spät in den Markt gekommen sind. Gekauft haben wiederum jene, die schon lange dabei sind. Man könnte auch sagen: Die Coins wanderten von den Spekulierern zu den Investierern.
2. Hinter den extremsten Kursauschlägen steckten nicht mehr viele freiwillige Verkäufer. Viel mehr mussten zu diesem Zeitpunkt Trader ihre Positionen schließen, weil sie Hebel benutzt hatten und nicht mehr genug Sicherheit für diese Hebel hinterlegen konnten. Im schlimmsten Fall besteht die Sicherheit selbst aus Kryptowährung, die natürlich auch an Wert verliert und zwangsveräußert wird.
3. Eine letzte Verkäufergruppe ist sehr interessant: Chinesische Bitcoin-Miner (Miner sichern das Netzwerk ab). Diese Info ist noch etwas unsicher. Aber am Sonntag Nachmittag zeigte die Bitcoin-Blockchain auffällig große Transaktionen der chinesischen Miner. Sie verkauften den ganzen Tag über. Mutmaßlich, weil sie Angst vor einem Verbot haben.
Wie misst man Armut in einer ungleichen Welt?
piqer:
Thomas Wahl
Über Armut wird leidenschaftlich gestritten. Meist ohne zu sagen, was damit gemeint ist, ohne die Definitionen und Messreihen, die absoluten und relativen Kennziffern und die historische Entwicklungen zu kennen. Daher ist dieser Artikel so wichtig. Er ergänzt den piq „Wie viel Wirtschaftswachstum brauchen wir, um Armut abzuschaffen?„.
Die extrem niedrige Armutsgrenze, auf die sich die Vereinten Nationen stützen, hat den Vorteil, dass sie die Aufmerksamkeit auf die ärmsten Menschen der Welt lenkt. Sie hat den Nachteil, dass dabei ignoriert wird, was mit den Einkommen von 90% der Weltbevölkerung geschieht, die über der extremen Armutsgrenze leben. Die globale Armutsgrenze, auf die sich die Vereinten Nationen stützen, basiert auf den nationalen Armutsgrenzen in den ärmsten Ländern der Welt.
Der Artikel wirft einen Blick auf die Ausprägungen der globalen Armut – in den reicheren und den nicht so reichen, bis hin zu den bitter armen Ländern. Entgegen der oft geäußerten Meinung ist Kapitalismus ein Zeitalter dramatisch sinkender absoluter Armut weltweit. In den letzten 200 Jahren sank der Anteil der Menschen unterhalb der Schwelle von ca. 90% der Bevölkerung auf etwa 10% bei einer Explosion der Weltbevölkerung. Nimmt man das Beispiel England, eines der Geburtsländer des modernen Kapitalismus, sieht man, dass vom 13. bis ins 18. Jahrhundert das BIP pro Kopf kaum wuchs. Der Anstieg kommt mit der Industrialisierung in Britannien. Solche Messungen werden auch durch die Tatsache erschwert,
dass sich einige der wichtigsten Waren und Dienstleistungen in ihrer Qualität stark verändert haben oder in der Vergangenheit überhaupt nicht existierten, stellt das größte Problem eines langfristigen Vergleichs von Armut und Wohlstand dar, da dies Preisanpassungen erschwert. Viele der wertvollsten Güter waren damals überhaupt nicht verfügbar: Kein König oder keine Königin hatte Zugang zu Antibiotika, sie hatten keine Impfstoffe , keinen bequemen Transport in Zügen oder Flugzeugen und keine elektronischen Geräte – kein Computer und kein Licht in der Nacht .
Man kann also sagen, dass zumindest die meisten heutigen Armen in den entwickelten Ländern (mit Armutsschwellen von über 30 USD/Tag) in einem qualitativen Wohlstand leben, wie ihn selbst die Herrschenden davor nicht kannten.
Aber immer noch lebt der größte Teil der Menschen zwischen dieser Schwelle und der absoluten Armut (lt. UNO- Definition 1,90 USD am Tag). So entspricht die durchschnittliche Auszahlung für Sozialfürsorge in Deutschland („Hartz IV“) gut 30 USD pro Tag. Andererseits wohnen 82% der Weltbevölkerung in Ländern, in denen das Durchschnittseinkommen weniger als 20 USD pro Tag beträgt. In China liegt das durchschnittliche Einkommen immerhin bei 12,40 USD in Indien nur bei 4,50 USD. Das macht es schwierig, über Armut vergleichend zu reden. Armut ist kein Problem, das rein ethisch zu entscheiden ist. Es würde Sinn machen, mehrere Schwellen zu definieren und für die jeweils dort agierenden Nationen differenzierte Normen und Strategien zu betrachten. So meint der Autor:
Das Spektrum möglicher höherer Armutsgrenzen, die auf reicheren Ländern basieren, ist breit, …. Am unteren Ende glaube ich, dass es so niedrig wie 25 USD pro Tag sein könnte, und am oberen Ende könnte es so hoch sein wie 40 USD oder 50 USD pro Tag. So wie jemand, der von weniger als 1,90 USD pro Tag lebt, als extrem arm definiert wird , kann eine Person, die von weniger als 30 USD pro Tag lebt, als mäßig arm angesehen werden.
Wenn globale Daten zeigen, dass 85% der Weltbevölkerung von weniger als 30 USD/Tag leben, heißt dies, dass bei einer entsprechenden oberen Armutsschwelle mindestens 6,5 Milliarden Menschen mäßig arm wären. Aber es leben auch 62% unter 10 USD und 9% unter 1,90 USD. In Afrika südlich der Sahara leben sogar etwa 40% der Bevölkerung von weniger als 1,90 USD pro Tag. Auch wenn wir wissen, dass vor 200 Jahren fast jeder auf der Welt extrem arm war, bleibt noch viel zu tun. Ohne Wirtschaftswachstum wird es nicht gehen:
Der mit Abstand wichtigste Unterschied zwischen Menschen, die nicht in Armut leben, und Menschen, die dies tun, ist das Durchschnittseinkommen in dem Land, in dem sie leben – dieser einzelne Faktor ist für das Einkommen einer Person wichtiger als alle anderen Faktoren zusammen. Die Erhöhung des Durchschnittseinkommens in einem Land wird als Wirtschaftswachstum bezeichnet, und damit die globale Armut für die ärmsten Milliarden Menschen erheblich verringern kann, ist Wirtschaftswachstum erforderlich.
Eine grüne Null statt einer schwarzen!
piqer:
Jürgen Klute
Die „schwarze Null“ hat für manche Politikerinnen in Deutschland einen quasi religiösen Status. Dabei sollten zumindest die Politikerinnen aus CDU und CSU – als Mitglieder vermeintlich christlicher Parteien – doch die alttestamentliche Geschichte vom „goldenen Kalb“ kennen und somit wissen, dass sich „goldene Kälber“ und auch ihnen vergleichbare „schwarze Nullen“ als Symbole heidnischer Gottheiten für Christinnen ein No-Go sind.
Dafür gibt es aber nicht nur gute religiöse Argumente, sondern mindestens ebenso gute ökonomische Gründe. Und die entfaltet Jens Südekum in einem Interview mit Petra Pinzler in DIE ZEIT.
Für Südekum ist
die Schuldenbremse eben auch ein Symbol dafür, dass wir die Herausforderungen der Zukunft wie den Klimawandel nicht so ernst nehmen. Eine grüne Null – also die Rückführung der Treibhausgasemissionen – ist viel wichtiger als eine schwarze Null.
Trotz seiner schon wiederholt öffentlich geäußerten Kritik an der schwarzen Null ist Südekum kein Verfechter einer grenzenlosen und unkontrollierten Staatsverschuldung. So tritt er in dem Interview für klare Kriterien für eine ökonomisch wie ökologisch verantwortbare Verschuldung ein.
Richtungsweisend ist für Südekum eine Rückkehr zur „goldenen Regel“, die bis zur Einführung der so genannten Schuldenbremse als Maßstab für öffentliche Verschuldung galt. Die „goldene Regel“ unterschied zwischen konsumtiven und investiven Staatsausgaben und ließ so ausreichend Spielraum für eine Staatsverschuldung für öffentliche Investitionen. Allerdings hält Südekum Modifikationen der alten „goldenen Regel“ für nötig, da sie nicht ökologisch ausgerichtet war.
Grundsätzlich zeigt Südekum in dem Interview zwar Verständnis für die Angst, Politikerinnen könnten ohne Schuldenbremse viel Geld auch für nutzlose Dinge ausgeben. Mit Verweis auf eine Reihe historischer sinnvoller staatlicher Investitionsprojekte erscheint ihm das verbreitete Misstrauen gegenüber dem Staat in der Bundesrepublik aber überzogen. Nur mit einer klugen und zukunftsorientierten Investitions- und Wirtschaftspolitik sieht Südekum eine Möglichkeit, der Klimaerwärmung wirksam etwas entgegenzusetzen und dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Klimapolitik zu entsprechen.
CO2- und Umweltmonitoring mit Schnittstelle zum Kapitalmarkt
piqer:
Ole Wintermann
Manchmal scheint der innerdeutsche Diskurs zum Klimaschutz und die auf der internationalen Ebene ablaufende Entwicklung von einer seltsamen unterschiedlichen Realität geprägt zu sein. Eine Beobachtung, die mich immer wieder an den jahrelang verpassten digitalen Fortschritt erinnert. So ist es diese relativ kurze Meldung auf der News-Plattform Axios, die mich aufhorchen ließ und die zeigt, wie weit inzwischen die Technik hilft, Klimaschutz auf Basis des Kapitalmarktes voranzubringen, während hierzulande nur über Flüge nach Mallorca gestritten wird.
Internationale Vereinbarungen zum Schutz der Umwelt sind meist schwer zu überwachen. Satelliten können aber mit Hilfe von künstlicher Intelligenz illegale Abholzungen, Fischereiflotten, Verschmutzungen und andere umweltschädliche Aktivitäten erkennen. In den letzten Monaten hat diese Technik einen dynamischen Entwicklungsschub erfahren.
Der „Flaring Monitor“ macht es möglich, illegales Abfackeln von Erdgas und Entweichen von Methan durch Förderunternehmen zu entdecken. Eine Studie hat sich mit dem Erkennen von Zwangsarbeit auf Fischtrawlern beschäftigt und ein weiteres Monitoring-Projekt überwacht den Regenwald in Amazonien mit einem genauen Blick auf illegale Minen.
Im Laufe diesen Jahres soll nun ein Monitoring Projekt gestartet werden, das mit Hilfe von künstlicher Intelligenz bzw. maschinellem Lernen CO2-Emissionen sowohl auf Länder- als auch Unternehmensebene zuordnen können soll („TRACE“). Damit aber wird satellitengestützte Klimaüberwachung Teil der Diplomatie werden, so die Initiatoren.
Äußerst spannend ist aber die angestrebte Verbindung zum Kapitalmarkt:
„Earth-observing satellites combined with advanced computing could help enable financial markets to better incentivize environmental protection.“
Die Initiatoren der o.g. Projekte gehen davon aus, dass sich auf Basis der Satellitendaten und deren Auswertung durch künstliche Intelligenz eine Art „Dow Jones Industrial Average for the Planet“ erstellen lässt. Dieser würde eine direkte Verbindung zwischen den Schäden, die Unternehmen gegenüber der Umwelt verursachen („externe Kosten“), und der Kapitalmarktbewertung dieser Unternehmen herstellen. Ökonomie und Ökologie bekämen gleichsam eine direkte technische Schnittstelle:
„A more climate-informed version of capitalism.“
Das macht Hoffnung.
Der Druck auf das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen steigt
piqer:
Jürgen Klute
Dieser taz-Artikel von Anja Krüger ist recht kurz, aber in seiner politischen Bedeutung umso wichtiger. Während es gegen die EU-Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada – TTIP und CETA – großen öffentlichen Widerstand gab, findet das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen nur sehr mäßige öffentliche Resonanz. Dabei ist es sehr viel schädlicher und brisanter im Blick auf Klimaschutz und Verbraucherschutz als TTIP und CETA.
Der Hauptwiderstand kam bisher aus dem Europäischen Parlament (vgl. dazu meinen Blogbeitrag vom 17.12.2019). Wie Anja Krüger berichtet, ist die Brisanz des EU-Mercosur-Freihandelsabkommens auch Thema in der bundesdeutschen Zivilgesellschaft geworden. Das ist wichtig, da die Bundesregierung das Abkommen unbedingt durchsetzten will. Ohne Druck auf Berlin wird das von vielen Fachleuten politisch wie ökologisch als hoch gefährlich eingestufte Abkommen nicht zu stoppen sein. Es zu stoppen, ist die Forderung vieler Fachleute, da sie unter den gegenwärtigen Bedingungen keine Chance auf substantielle Verbesserungen des Abkommens sehen.
Chinas geheimer Chip-Plan
piqer:
Jannis Brühl
Die Wirtschafts- und Technologiemacht China hat ein Problem: Sie konnte bislang kaum Chips bauen und war vom Ausland abhängig. Vergangenes Jahr musste China für 350 Milliarden Dollar Halbleiter importieren. Durch die Eskalation des Technologie-Protektionismus unter Donald Trump hat China nun die eigene Chip-Industrie hochpriorisiert. Es geht darum, eine eigene Chip-Industrie aus dem Boden zu stampfen – und den Amerikanern einen Hebel zu nehmen, Chinas Tech-Sektor abzuwürgen, indem Washington etwa Sanktionen gegen den Export von Chips nach China verhängt. Diese Recherche der japanischen Wirtschaftszeitung Nikkei zeigt, mit welcher Energie und Geschwindigkeit China dabei ans Werk geht.
YMTC heißt das Unternehmen, das für China arbeitet. Es durchleuchtet seine gesamten Lieferketten, bis hin zu den Chemikalien und den einzelnen Schrauben in den Maschinen, mit denen die Chips produziert werden: Der Anteil der US-Technik soll auf null sinken, der von US-Verbündeten auch möglichst niedrig sein:
„It’s like when you want to drink milk — but you not only need to own a whole farm, and learn how to breed dairy cows, and you have to build barns, fences, as well as grow hay, all by yourselves.“
Wie ein Land versucht, in Hochgeschwindigkeit technologisch unabhängig zu werden: Nüchtern geschrieben, aber spannend für alle, die sich für globale Zusammenhänge und die Konfrontation der beiden Großmächte interessieren.
Wohnungen nur für Weiße: Was muss sich ändern?
piqer:
Mohamed Amjahid
Es sind Skandale, die sich tagtäglich wiederholen: Die anhaltende Diskriminierung von nichtweißen Menschen auf dem deutschen Wohnungsmarkt ist Alltag für so viele rassifizierte und migrantisierte Wohnungssuchende in diesem Land. Natürlich finden auch weiße Menschen im Kontext der Krise auf dem Wohnungsmarkt ebenfalls immer häufiger keine passenden Angebote, doch keine weiße Person hat bisher eine Wohnung nicht bekommen aufgrund der vermeintlich falschen Herkunft oder des vermeintlichen falschen Nachnamens. Zumindest sind mir solche Fälle nicht bekannt.
Vor wenigen Tagen wurde publik, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft Brebau in Bremen systematisch nichtweiße Wohnungsbewerber*innen benachteiligt hat. Recherchen von Radio Bremen und Panorama hatten skandalöse Praktiken aufgedeckt:
Für die meisten Vermerke hat sich die Brebau eigene Codes ausgedacht. Ein Kopftuch bei einer Bewerberin etwa wird mit der Abkürzung KT zu vermerkt. Ein schwarzer Mensch bekommt die Abkürzung E40. Zu dieser Kategorie heißt es in der entsprechenden Anweisung weiter: „Keine ‚People of Colour‘ (dazu gehören auch Sinti, Roma, Bulgaren, Rumänen)“. Dabei differenziert die Brebau offenbar nicht, ob Menschen in Deutschland geboren, eingebürgert, bestens ausgebildet, voll integriert oder Gutverdiener sind. Mit dem Kürzel WE sind potentielle Mieterinnen und Mieter gemeint, die laut Vorstellung der Brebau als „westlich integriert“ anzusehen sind. Etwa Menschen mit Migrationshintergrund (in Deutschland lebende Ausländer, eingebürgerte Deutsche) und Migranten, die mit der deutschen Kultur vertraut seien, heißt es in einem entsprechenden Vermerk. „Menschen mit Kopftuch haben gefühlt keine Chance“, sagt ein Informant aus dem Kreis der Belegschaft zu Radio Bremen.
Die Geschäftsführung der Brebau wurde nach der Berichterstattung freigestellt, die Bremer Stadtregierung aus SPD, Linken und Grünen versprach Aufklärung. Wichtig festzuhalten ist, dass dies kein Einzelfall in Deutschland darstellt. Hier eine kleine Liste mit ähnlichen Skandalen, aus denen eine Struktur abzulesen ist:
- Hier ein Fall aus Augsburg.
- Hier eine Recherche in Köln.
- Eine entsprechende Geschichte aus Stuttgart.
- Fallbeispiele aus Berlin. Und hier noch ein letzter Fall, obwohl diese Liste unendlich lang werden könnte.
Doch was muss eigentlich geschehen, damit diese diskriminierenden Strukturen aufgelöst und nichtweiße Menschen deswegen nicht von Obdachlosigkeit bedroht werden? Reicht schon der Austausch an der Spitze einer Wohnungsbaugesellschaft? Die Einführung eines Antidiskriminierungsgesetzes? Mehr Wohnungsbau? Braucht es mehr Berichterstattung?
Mir ist zumindest in den vergangenen Jahren mit den vielen Fällen klar geworden, dass es ein Anfang wäre, einen Grundsatz zu beachten: Wohnen ist Menschenrecht.
Wie die Republikaner ihr Geld retten und die Wahlreform sabotieren
piqer:
Dmitrij Kapitelman
Dieser Bericht im New Yorker ist entweder Grund zu großer Hoffnung – oder politisch deprimierend. Hochspannend allemal: Dem Magazin liegt ein Leak, also ein interner Konferenzmitschnitt der republikanischen Partei vor (aus dem Januar). Die Partei konferiert mit ihren größten und gleichzeitig zwielichtigsten Sponsoren. Und zeigt sich entsetzt darüber, wie beliebt die Reformpläne der Demokraten sind. Parteiübergreifend beliebt. Zum Wahlrecht (das für mehr Menschen zugänglich werden soll) und noch viel zur Finanzierung des Wahlkampfes. Parteien müssten dann so richtigen offenlegen, von wem sie eigentlich ihr Geld bekommen.
Mit riesigem Entsetzen stellen die Republikaner also untereinander fest, dass leider leider auch ihre konservativen Wähler nicht wollen, dass Milliardäre sich die Politik kaufen können. Und dass eine gewaltige Lügenkampagne nicht ausreichen dürfte, um die öffentliche Meinung zu kippen. Daher der Entschluss: Wir müssen die Reform irgendwie im Senat abtöten. Wie sich die Republikaner das genau vorstellen, beleuchtet dieser Artikel. Der entweder Mut macht oder einen fassungslos darüber hinterlässt, wie kaputt die amerikanische Demokratie inzwischen ist.