Podcast Future Economies

Greenwashing in der Grauzone

Ein Gespräch mit dem Sustainable Finance-Experten Matthias Kopp über Greenwashing, Selbstverpflichtungen des Finanzsektors und eine veränderte Klima-Berichterstattung.

Future economies ist ein Podcast, der sich mit dem Wechselspiel aus Wirtschaft und Klimawandel beschäftigt. In der neuesten Folge haben Lisa Hoffäller und Florian Dietsch mit Mathias Kopp, Head of Sustainable Finance bei der Naturschutzorganisation WWF, gesprochen. In dem Gespräch ging es um die Frage, was der WWF überhaupt mit Sustainable Finance am Hut hat und inwiefern sich die Organisation mit dem Thema Greenwashing beschäftigt.

Im Folgenden lesen sie einen Auszug aus der Sendung. Den Podcast in voller Länge können Sie hier anhören oder direkt über den Player am Ende des Beitrags.

Wie würde der WWF Greenwashing definieren?

Matthias Kopp: Ich finde das insofern enorm interessant, weil wir heute häufig dort über Greenwashing sprechen, wo wir ein Verständnis haben, dass etwas entweder gut oder schlecht ist: Etwas hat eine Schwelle überschritten und ist damit dann im grünen Bereich oder nicht. Dieses Verständnis ist für mich nicht die zentrale Frage. Vielmehr geht es mir darum, wo es wirkliche Veränderungsbewegungen und Transformationsfortschritte gibt. Das führt dazu, dass wir uns mit den Akteuren, mit den Unternehmen, mit den Geschäftsmodellen, mit den Vermögensgegenständen beschäftigen, die heute ein Problem sind. Das heißt: Ich muss mich zwingend mit den Dingen beschäftigen, die problematisch sind – aber ich muss auch einsehen, dass ich die wahrscheinlich nicht in einem einzigen Schritt zu was ganz Tollem machen kann, sondern ich muss sie schrittweise verbessern. Das geschieht entlang eines Pfades, aber der muss ambitioniert genug sein.

Greenwashing würde für mich heißen: Ich mache irgendetwas Willkürliches und schreibe da „grün“ drauf. Wenn ich etwas Graues nehme und ich es auf eine Weise „vergrüne“, zu der die Wissenschaft sagt, das passt, ist das etwas anderes. Wenn man beispielsweise ein Gebäude energieeffizienter baut, aber noch nicht als Passivhaus, weil ich in meinem Zeitfenster noch eine Möglichkeit habe, das zu verbessern, dann ist das super nachhaltig. Es ist noch nicht perfekt, aber es ist der notwendige Fortschritt. Da würde heute an vielen Stellen Kritik aufkommen, das sei Greenwashing. Aus meiner Sicht ist es das nicht.

Der WWF hat kürzlich ein Banken-Rating erstellt, in dem die Institute entsprechend ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen bewertet wurden. Inwiefern ist es da auch um Greenwashing gegangen?

Wir haben in dem Rating versucht, die Nachhaltigkeitsperformance der Banken zu bewerten. Allerdings bedeutet das für uns nicht, einfach nur zu zählen, wie viele Emissionen eine Bank im Portfolio hat. Stattdessen müssen wir berechnen, was der Beitrag ist, den die Banken zur Finanzierung der Transformation zu netto null in Deutschland und der Welt leisten. Das betrifft zum Beispiel die Sektorfinanzierung, die Gebäudefinanzierung und die Mobilitätsfinanzierung. Da hatten wir den Eindruck, dass es 2018 und 2019 auf der Bankenseite in Deutschland noch düster aussah – das war zumindest die These. Dann haben wir entschieden, uns dem Thema im Rahmen eines Ratings zu nähern, denn unsere Schweizer Kollegen hatten das so ähnlich schon einmal entworfen. Das haben wir als Grundlage genutzt, haben die Vorlage aber vom reinen Privatkundengeschäft auf eine ganzheitliche Bankenperspektive erweitert.

Danach sind wir in einen Dialog mit der Bankenlandschaft in Deutschland getreten und haben versucht, das möglichst strukturell anzugehen: Einmal um eine Basis zu bauen und festzustellen, wo stehen die Banken denn wirklich? Ist unsere These richtig oder falsch? Aber auch um durch die Durchführung des Ratings in Kontakt mit den Instituten zu kommen. Wenn man sich anschaut, dass aus dem ersten Rating dann auch eine Selbstverpflichtung des Finanzsektors in Deutschland entstanden ist, dann hat das durchaus gut funktioniert.

Aber siehst du auf dem Finanzmarkt trotzdem Beispiele für Produkte, die als nachhaltig gelten, ihr Versprechen aber nicht halten können?

Greenwashing bedeutet für mich, eine falsche Behauptung aufzustellen. Etwas draufzuschreiben, was nicht drin ist oder wo der Wirkungsbeitrag nicht passt. Wenn man sicherstellt, dass ein Euro wirklich bei einem Projekt, das Gutes tut, ankommt, ist das eine gewisse Form von Impact. Aber ist das der Impact, den es braucht, um das Klima-System zu stabilisieren? An ganz vielen Stellen steht zwar Impact drauf, ist aber überhaupt nicht geprüft.

In der Welt, in der wir leben, in der es um schwarz oder weiß geht und um Skandalisierung, ist es schwierig, Komplexität abzubilden. Das ist zum Beispiel einer der Gründe, warum der WWF bislang nicht so wahnsinnig viel auf der Produktseite gemacht hat. Aber das hilft nicht mehr. Wir werden genau in diese Ebene reingehen müssen, um Menschen, die keine ExpertInnen sind, bei diesen Themen Hilfestellung zu geben.

Wie frei ist denn der WWF selbst von Greenwashing? Wir haben nämlich eine Kampagne von 2008 ausgegraben. Das ist zwar schon etwas her, aber da ging es in einer Kooperation mit einer Supermarktkette darum, mit Energiesparlampen Eisbären zu retten.

Was wir 2008 gemacht haben, würden wir heute in der Form ganz sicher nicht mehr so machen, weil sich die Welt seitdem einfach weiterentwickelt hat. Dass da Assoziationen hergestellt werden, mit denen gespielt wird, ist ja eine Grauzone. Aber ich glaube, dass das heutige Verständnis da deutlich anders ist. Aber man muss auch schauen, wo wir 2008 waren. Damals haben wir uns gefragt: Wie bekommen wir das Thema Klima alle drei Monate mal in die FAZ? Heute haben wir das in jeder Zeitung, jeden Tag, 80 Mal. Die Realität hat sich verändert, im Sinne der Schäden, der Aufmerksamkeit und auch der Anerkennung des Transformationsbedarfs. Ich will die Kampagne jetzt gar nicht in irgendeiner Form rechtfertigen, aber man muss es ja in den Kontext einordnen.

Nochmal zurück zum WWF und Greenwashing: Ich glaube, wir müssen uns heute als Organisation mit dieser Frage auseinandersetzen und sprechen auch schon sehr viel offener über Zielkonflikte und Dilemma. Wir leben schließlich in einer Welt der Kompromisse und der Zielkonflikte. Praktisch nichts, was wir tun, hat keine Auswirkungen. Das sehen wir beim Ausbau erneuerbarer Energien und Naturschutz. Das sehen wir auch beim Gas als Brückentechnologie mit noch verbleibenden Emissionen. Wir sehen das beim temporären Hochfahren der Kohlekraftwerke, weil wir es anders nicht hinbekommen. Egal was wir machen, es gibt immer Kehrseiten und diese zu berücksichtigen, das gehört zu einer ehrlichen Diskussion dazu.