1929 vs 2008

Führungswechsel im Wettrennen der Depressionen

Gemessen an der Industrieproduktion hat sich die Weltwirtschaft schlechter entwickelt als nach dem Kollaps von 1929.

Große Depression (blaues Auto) überholt Große Rezession. Foto: Freewheeling Daredevil via Flickr (CC BY 2.0)

Bereits früh nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 waren sich die meisten Ökonomen einig: Der Kollaps von Lehman Brothers und dessen Folgen hatte das Potenzial, die Welt in eine Krise zu stürzen, die das Ausmaß der Großen Depression von 1929 annehmen könnte. In Anlehnung an das historische Vorbild wurde die Krise der Jahre 2008 ff. dann auch „Große Rezession“ getauft.

Zwei Ökonomen, die das gesamte Ausmaß der Großen Rezession bereits früh realisiert hatten, waren Barry Eichengreen und Kevin O´Rourke. In einem Aufsatz vom April 2009 zeigten sie anhand zahlreicher Berechnungen die Parallelen zwischen den beiden größten wirtschaftlichen Katastrophen des letzten Jahrhunderts auf. „A Tale of Two Depressions“ ist nach wie vor einer der am meisten gelesen Texte auf dem Ökonomenportal VoxEU.

Ein Schwerpunkt von Eichengreen und O´Rourke lag auf der globalen Industrieproduktion. Diese könne ein guter Indikator sein, um die Dimension der Krise zu erfassen. Ein Vergleich des industriellen Outputs nach der Großen Depression von 1929 und der Großen Rezession von 2008 zeigte einen nahezu deckungsgleichen Einbruch.

Doch anders als in der 30er Jahren erholte sich die Industrieproduktion relativ schnell und ging ab April 2009 wieder auf Wachstumskurs. Im März 2010 veröffentlichten Eichengreen und O´Rourke ein weiteres Update ihres ursprünglichen Papiers. Darin schrieben sie:

„Die globale Industrieproduktion erholt sich weiter – dafür verdient die Politik Lob. (…) Aber bevor sie sich dem Eigenlob hingeben, sollten sich die Politiker vor Augen führen, dass die Industrieproduktion immer noch 6% unter ihrem vorherigen Höhepunkt liegt. Daraus folgt, dass in einer Vielzahl wichtiger Volkswirtschaften immer noch erhebliche Überschusskapazitäten existieren. Deshalb wäre ein Ausstieg aus der Stimulus-Politik verfrüht.

Diese Warnung blieb in Europa ungehört. Einen Monat später, im April 2010, wird das erste Hilfspaket für Griechenland verabschiedet. Die Eurozone, immerhin nach den USA der zweitgrößte Wirtschaftsraum der Welt, schwenkt auf einen drastischen Sparkurs um.

Inzwischen hat O’Rourke in seinem Blog ein weiteres Update seiner Berechnungen zur globalen Industrieproduktion vorgelegt. Ergebnis: Im Wettlauf der Depressionen schneidet die Krise von 1929 jetzt besser ab als die Große Rezession unserer Tage (die x-Achse markiert die Monate seit dem Vorkrisen-Höhepunkt).

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Grafik: Kevin O’Rourke

O’Rourke kommentiert den Chart auf seinem Blog sarkastisch mit der Überschrift: „Es ist endlich passiert.“ Jetzt bleibe nur noch die Hoffnung, dass ein erneuter Einbruch der Weltwirtschaft wie 1937/38 vermieden werden könne (im Chart markiert durch den Knick der blauen Linie am rechten Ende). Noch haben die Politiker unserer Zeit also eine Chance, sich die Führung im Depressionswettlauf zurückzuholen.