Fremde Federn

Enteignungen, Migrations-Dystopien, Internationale des Rechtspopulismus

Diese Woche unter anderem in den Fremden Federn: Weshalb das Tempo des Internetkapitalismus politische Prozesse in Frage stellt, wie ostdeutsche Regionen drei Jahrzehnte lang ihre Bevölkerung an den Westen verloren haben und warum die These von der „afrikanischen Massenmigration“ höchst fragwürdig ist.

Foto: Jojo Bombardo via Flickr (CC BY-ND 2.0)

In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.

Zur Kritik der politischen Ökologie

piqer:
Frank Lübberding

In der wirtschaftspolitischen Debatte geht es nicht mehr um die vergleichsweise einfache Frage, gesellschaftliche Bedürfnisse möglichst effektiv zu befriedigen. Etwa darum, wie man am besten von A nach B kommt. Zugleich gilt es immer, die Welt zu retten. Entsprechend wird die Einführung einer Kohlendioxidsteuer entlang der bekannten politischen Lager diskutiert. In der NZZ beschäftigt sich Peter Hersche mit der politischen Verortung der Ökologie:

„Heute besetzen linke Parteien das Thema – wieso eigentlich?“

Nun könnte man die Einführung einer weiteren Steuer zwar als klassisches linkes Projekt beschreiben, aber das beantwortet nicht die Frage. Hersche sieht darauf auch noch keine überzeugende Antwort, weshalb über die „Geschichte dieser Verschiebung … vorerst bloss“ zu spekulieren sei.

Er könnte in dem Aufsatz „Zur Kritik der politischen Ökologie“ von Hans-Magnus Enzensberger fündig werden, der im Jahr 1973 im Kursbuch erschienen ist. Dieser kritisierte dort zwar mit dem gewohnten Sarkasmus jene Arbeiten von Humanökologen, die in „eindrucksvolle(r) Akribie die Zukunft mit derart schwarzen Farben .. malen, dass man sich … wundert, mit welcher Beharrlichkeit noch Kinder geboren und Pensionsregelungen entworfen werden.“ Nur diagnostizierte Enzensberger hier eine politische Perspektive für die damals schon früh vergreiste Neue Linke. Er erkannte das Potential jener Hypothese vom ökologischen Weltuntergang, die „durch eine politische Diskussion weder bewiesen noch widerlegt werden kann.“ Deshalb böte sich „ein Kalkül nach Art der Pascalschen Wette an: Solange die Hypothese nicht eindeutig widerlegt ist, wird es heuristisch notwendig sein, jede Überlegung, die sich auf die Zukunft bezieht, ihre Aussagen zugrundezulegen.“

Damit gelang es der Neuen Linken, ihre Anschlussfähigkeit an die gesellschaftliche Debatte wiederherzustellen – und vor allem ihr Selbstverständnis als Oppositionsbewegung zu konservieren. Inhaltliche Überzeugungen spielten ansonsten keine Rolle.

Jeden Sonntag im Wirtschaftsteil der FAS: Enteignung und deren Verfechter

piqer:
Moritz Orendt

Bei uns flattert jeden Sonntag die FAS ins Haus. Es hat mich erstaunt, dass in den letzten drei Wochen im Wirtschaftsteil immer ein Artikel zu Enteignungen prominent platziert wird, ist diese Sonntagszeitung sozialistischer Umtriebe doch gänzlich unverdächtig.

Vor drei Wochen:

Ein Interview mit dem Volkswirt Rouzbeh Taheri, einem Sprecher des Volksbegehrens in Berlin (unten verlinkt), der angenehm unaufgeregt und doch radikal auf die Fragen antwortet, zum Beispiel so:

Was andere fürchten, sehen Sie als Ziel: Investoren zu verschrecken?

Ich sehe nicht, wer sich davor fürchtet. Wenn ich am Infostand sage, dadurch würden Investoren wie die Deutsche Wohnen verschreckt, dann unterschreiben die Leute erst recht. Firmen wie Deutsche Wohnen und Vonovia verhalten sich nicht wie Investoren, sondern wie Spekulanten: Sie bauen keine neuen Wohnungen, sie kaufen nur Häuser und treiben die Mieten hoch.

Vor zwei Wochen:

Ein Portrait der Enteignungspläne von Boris Palmer, bei denen es nicht börsennotierte Firmen treffen würde, sondern „schwäbische Rentner“. Hier wird die Komplexität der Boden- und Eigentumsfrage schön offensichtlich.

Letzte Woche kam dann der obligatorische Artikel zu Kühnerts Interview, zu dem aber auf piqd schon genug verpiqt wurde.

Ich bin gespannt, ob es nächste Woche wieder was zu Enteignung gibt.

Vorsorgen für Europas Arbeitslose?

piqer:
The Buzzard

Immer, wenn Staatschefs über europaweite Sozialleistungen streiten, gerät die Diskussion zum Tauziehen: Ja, wir brauchen mehr Solidarität! Nein, die wollen nur unser Geld!

Seit Juni 2018 setzt sich SPD-Finanzminister Olaf Scholz für eine Arbeitslosenversicherung auf EU-Ebene ein – Sozialleistung also. Sein Vorschlag geht allerdings eher in Richtung Fonds: Die EU-Staaten zahlen in guten Zeiten Geld in einen Topf ein, aus dem sie Mittel leihen können, wenn in Finanzkrisen die Arbeitslosenzahlen steigen und die Grundsicherung der Arbeitslosen gefährdet ist.

SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley hat Scholz‘ Vorstoß in ihren EU-Wahlkampf aufgenommen, auch Linkspartei und Grüne plädieren für mehr Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten. Union, FDP und AfD fürchten unkontrollierbare und dauerhafte Geldtransfers – ohne, dass sich der Arbeitsmarkt in Ländern wie Griechenland oder Italien wirklich bessert.

In unserer dritten Europawahl-Ausgabe fragen wir auf The Buzzard deshalb: Ist eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung überhaupt gut für Europa? Wie immer präsentieren wir euch beide Seiten. Und wünschen viel Spaß beim Lesen! Denn: In zwei Wochen sind Europawahlen.

Ist unsere Demokratie zu langsam? Politische Prozesse und das Tempo des Internetkapitalismus

piqer:
Jörn Klare

Man kann auf Facebook alles liken, aber nur alle paar Jahre ein Kreuz auf dem Wahlzettel machen.

Lautet die plastische Zusammenfassung dieses Artikels von Adrian Lobe in der SZ. Es geht um das wachsende Gefühl, dass die Politik still steht, während ihr die Realität davon rast.

Überall hört man, die Politik müsse „liefern“, als wäre Politik ein Bestellservice, bei dem man einen Knopf drückt und noch am selben Tag die Ware an die Haustür geliefert bekommt.

Dabei hatten Demokratie und Kapitalismus noch nie das gleiche Tempo. Dass das Zusammenspiel im historischen Rückblick noch halbwegs funktioniert hat (wohl nach dem Kriterium, dass die Welt bisher nicht endgültig untergegangen ist), liegt, so Lobe, daran, dass es der Politik bisher noch gelungen ist, Regeln zu setzen. Ein Umstand, der durch die Dimension der digitalen Revolution – jede Minute werden beispielsweise 350 000 Tweets abgesetzt – massiv in Frage gestellt wird.

Die Explosion des Meinens und Wollens, welche durch algorithmische Feedbackschleifen forciert wird, führt dazu, dass der politische Motor überhitzt und das System überfordert ist.

Das ist mit Sicherheit mehr als nur eine interessante Beobachtung. Von daher ist der Artikel meiner Meinung nach auf jeden Fall lesenswert. Allerdings wird auch deutlich, dass die Problematik mit 8000 Zeichen lediglich angerissen werden kann.

Ansturm aus Afrika? Eine Abrechnung mit Migrations-Dystopien

piqer:
J. Olaf Kleist

Afrikanische Massenmigration wird in Europa weithin befürchtet und ist ein in Romanen und Filmen seit vielen Jahrzehnten wiederholtes „Schreckensszenario„. Zuletzt war der Journalist Stephen Smith mit einer pseudowissenschaftlichen Version dessen in Frankreich sehr erfolgreich – sogar Marcon basiert eigenen Angaben zufolge seine Migrationspolitik auf dieses Buch.

Die zentrale Behauptung darin ist – mit apokalyptischem Unterton –, dass bis 2050 ein Fünftel bis ein Viertel der europäischen Bevölkerung afrikanischen Ursprungs sei, in Deutschland vielleicht noch mehr. Davon abgesehen, dass solche Prognosen grundsätzlich schwierig sind, scheinen sie nicht nur fragwürdig, sondern ganz explizit auch irreführend zu sein.

In diesem Artikel setzt sich François Héran vom Collège de France, einer der führenden Demographen und Migrationsforscher Frankreichs, kritisch mit den Thesen von Smith auseinander. Dabei macht er klar, dass der Autor mit sehr hinkenden Vergleichen arbeitet, zweifelhafte ökonomisch-demographische Modelle bemüht, seit Jahrzehnten bekannte Thesen der Entwicklungsforschung als seine eigenen darstellt und ganz gezielt wichtige Daten außen vor lässt, wenn sie seiner These nicht entsprechen.

So zitiert Smith eine unter Migrationsforscher*innen weithin bekannte Umfrage, nach der 30% der Bevölkerung südlich der Sahara migrieren möchten. Nur – was er verschweigt – Wollen ist nicht Handeln: Nur 5% haben hierfür konkrete Vorbereitungen getroffen. Und davon abgesehen, dass die allermeisten afrikanischen Migranten in Afrika migrieren, lässt sich von solchen Umfragen auch nicht auf tatsächliche Migration schließen. Héran nimmt all solche Argumente noch sehr viel genauer auseinander. Er offeriert – zögerlich – auch eine eigene Prognose. Demnach kann für 2050 mit 2,4% afrikanischer Bevölkerung in Europa gerechnet werden, unter vielen unklaren Voraussetzungen. Was das dann bedeutet, das ist noch eine ganz andere Frage. Die Panikmache ist jedenfalls falsch und gefährlich.

Der Sozialismus in seinem Lauf

piqer:
Thomas Wahl

Aus gegebenen Anlaß bringt die FAZ eine Bestandsaufnahme zum Sozialismus heute. Zunächst werden mögliche Definitionen diskutiert. Marx und Co. wollten wissenschaftlich nachweisen, dass der Sozialismus die Vorstufe zum herrschaftslosen Kommunismus  ist. Sozialismus selbst beruht auf der Verstaatlichung der wichtigsten Produktionsmittel und einer zentralen Planwirtschaft. Heute wird der Begriff durchaus weiter und nicht immer trennscharf verwendet:

„Es gibt eine breite und eine enge Definition von Sozialismus“, erklärt der indische Ökonom Pranab Bardhan. Im breiten Sinne meine der Begriff einfach nur die Herstellung sozialer Gerechtigkeit nach Regeln der Gleichheit. Das drücke sich in einem starken Wohlfahrtsstaat aus. „In dieser Hinsicht haben etwa die skandinavischen Länder und auch Deutschland ein starkes sozialistisches Element“, sagt Bardhan. Im engeren Sinne müsse man zwischen der Produktions- und Verteilungsebene unterscheiden.

So sind beispielsweise in Kuba die Produktionsmittel weitestgehend in Staatshand.

Im folgenden gibt der Artikel einen Abriß der noch real existierenden „Sozialismen“ – von China, Nordkorea über Cuba und Bolivien bis Venezuela.

Besonders interessant das chinesische Modell. China behält den „politischen Kommunismus“ (sprich die zentrale Macht der kommunistischen Partei) und öffnet die Wirtschaft für Privatunternehmen. Eine Mischung, die so eigentlich von keiner Theorie vorhergesehen wurde. Geschätzt 2/3 der Wirtschaft sind in privater Hand und die Verteilung des Wohlstandes erfolgt keineswegs nach dem Gleichheitsideal.

Auch Vietnam hat eine wirtschaftliche Liberalisierung hinter sich und die Partei weiter die Macht. Heute ist

Vietnam eine „aufblühende Gesellschaft, wenn auch mit erheblicher Ungleichheit und hoher Korruption“. Im Korruptionsindex von Transparency International belegte Vietnam im Jahre 2018 Platz 117 von 180 ……..

Sagt mir, wo die Ideale sind – im hybriden „Marktsozialismus“?

Wie ostdeutsche Regionen drei Jahrzehnte lang ihre Bevölkerung an den Westen verloren haben

piqer:
Dirk Liesemer

Man muss hier gar nicht viel anteasern. Die aufwändig recherchierten Grafiken, die Zeit Online erstellt hat, sprechen für sich: Detailreich wird für alle 76 Ostregionen gezeigt, wie die Menschen seit dem Fall der Mauer von Ost nach West gezogen sind, vor allem nach Süddeutschland und Hamburg. Nur wenige wanderten in die andere Richtung. Drei Jahrzehnte lang hat der Osten massiv an Bevölkerung verloren, was zu einer demografischen und politischen Krise geführt hat.

Erst seit 2017 ziehen mehr Menschen von West nach Ost als umgekehrt. Besonders Städte wie Leipzig oder Potsdam erfahren seit einigen Jahren einen deutlichen Zuwachs. Was bei einer solchen Ost-West-Betrachtung natürlich ausgeblendet wird, sind die nicht unerheblichen regionalen Wanderungen. So geht das Wachstum Leipzigs weniger auf Zuzug aus dem Westen zurück, sondern vor allem auf die Abwanderung junger Menschen aus den ländlichen Regionen Sachsens (siehe LVZ-Bericht von 2016).

„Was wir jetzt erleben, sind Konflikte im zentralen Gefüge, zwischen gesellschaftlichen Großgruppen“

piqer:
Dirk Liesemer

Im Vorfeld der Europawahl hat der stern ein intensives Interview mit dem Soziologen Andreas Reckwitz geführt, über das man nicht einfach so hinwegliest. Bei den Wahlen Ende Mai könnte sich unmissverständlich zeigen, dass es auf unserem Kontinent mittlerweile eine „Internationale des Rechtspopulismus“ gibt.

Mit anderen Worten: Beim Rechtspopulismus handelt es sich nicht um vorübergehende Irrwege einzelner Gruppen, sondern um ein Symptom eines tiefen gesellschaftlichen Wandels mit Gewinnern und Verlierern. Natürlich ist ein Wandel an sich nichts Ungewöhnliches. Aber dieses Mal sind die Folgen für Gesellschaft, Demokratie und Parteien von erheblicher Wucht:

„Was wir jetzt erleben, sind Konflikte im zentralen Gefüge, zwischen gesellschaftlichen Großgruppen, ausgelöst durch einen tief greifenden ­ökonomischen, sozialen und kulturellen Wandel.“

Neue Fronten eröffneten sich, die bereits zu ungewöhnlichen Bündnissen führen. Statt Nostalgie müsse die Politik wieder stärker regulierend eingreifen. Reckwitz spricht gar von einem „neuen historischen Kompromiss“, der zu organisieren sei. Wie umfassend dieser sein muss, zeichnet sich allerdings noch kaum ab.

Das Gespenst „Gemeineigentum“

piqer:
Johann Rosenlaub

Man muss nicht Mariana Mazzucato zustimmen, die den Schlüsselfaktor für die Entstehung von Innovationen in einer staatliche Industriepolitik sehen will (siehe  Mariana Mazzucato: Das Kapital des Staates. Eine andere Geschichte von Innovation und Wachstum, erschienen 2014 im Verlag Antje Kunstmann).

Aber es braucht im Hinblick auf ökonomische Verwerfungen – v.a. im globalen Finanzsektor – bestimmte Regelmechanismen und Dispositionen, die der Gesellschaft eine Sicherungs- und Stabilisierungsordnung verleihen. Dazu gehört der Faktor Gemeineigentum, wo ökonomische und gesamtgesellschaftliche Interessen einer Austarierung bedürfen.

Dazu schreibt Ludger Eversmann im verlinkten Artikel folgende Kernsätze:

„Aber es kommt vielleicht auf die Proportionen an bei der Aufgabenverteilung zwischen öffentlich und privat, auch auf die Art der Produkte, deren Produktion öffentlich organisiert sein sollte bzw. könnte, und auch auf die gesamtökonomischen wie auch technischen Rahmenbedingungen. Die haben sich nämlich geändert seit dem Fall der Mauer, und zwar erheblich.

Unzweifelhaft konnten Post, Bahn, die Lufthansa, Wasserbetriebe, Gesundheit, Energieerzeugung, zeitweilig auch Bergbau und Stahlerzeugung oder kommunale Wohnungsunternehmen und zeitweilig sogar VW über Jahrzehnte ganz ohne Schaden für die umgebende Wirtschaftsentwicklung von der öffentlichen Hand betrieben werden, und die Tatsache ihrer gesellschaftlichen Betriebsweise hat niemanden in die Flucht getrieben. Der so erzielbare Effekt, der in den Zeiten hochdynamischer Nachkriegsentwicklung mit starken Parlamenten und Gewerkschaften noch kaum ins Gewicht fiel: Es entsteht so politisches Steuerungsvermögen. Der an der Universität Frankfurt lehrende Sozialwissenschaftler Tim Engartner, der sich nachdrücklich für eine Renaissance des Staates einsetzt, brachte es kürzlich auf die Formel: „Wer politisch steuern will, braucht Gemeineigentum.“

Klimaschutz braucht mehr als einen CO2-Preis

piqer:
Alexandra Endres

Die Debatte über einen CO2-Preis läuft auf Hochtouren (Details u. a. hier, hier und hier). Im Kommentarbereich unter meinem jüngsten piq zum Thema hat Jörg Haas dankenswerterweise darauf aufmerksam gemacht, dass mehr nötig ist als ein CO2-Preis, um die Klimaziele zu erreichen. Man braucht außerdem ordnungspolitische Instrumente, also beispielsweise Sektorziele und öffentliche Investitionen oder Investitionsförderprogramme in eine klimafreundliche Infrastruktur.

Warum das so ist, beschreiben drei Forscher des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie in diesem Text für Zeit Online (Disclaimer: Wo ich als Redakteurin arbeite).

Ein CO2-Preis wirkt insbesondere dort, wo Verbraucher besonders genau auf Preise achten und die Kosten für ihren Energieverbrauch reduzieren wollen. Das ist zum Beispiel in der energieintensiven Industrie und der Stromwirtschaft der Fall, denn hier machen die Energiekosten einen erheblichen Anteil der Kostenstruktur aus. Ein effizienter Umgang mit Energie ist deshalb eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit.

Im Gebäude- und Verkehrssektor ist dem aber nicht so.

Mieter (tragen) zwar die wesentlichen Kosten des Energieverbrauchs, haben jedoch kaum Einfluss auf Investitionen in die Gebäudetechnik. Ihnen bleiben nur Einsparmaßnahmen durch das eigene Nutzungsverhalten. Umgekehrt haben Eigentümer nur geringe Anreize zu investieren, daran ändert auch ein CO2-Preis wenig.

Um klimafreundlichere Gebäude zu schaffen, sollte die Politik deshalb Investitionen in bessere Dämmung oder emissionsarme Heiz- und Warmwassertechnik fördern. Das Geld dafür könnte aus einem CO2-Preis kommen.

Im Verkehrsbereich hingegen ist die Preissensibilität gering. Das bedeutet: Auch wenn Benzin durch einen CO2-Preis teurer wird, müssen viele trotzdem mit dem Auto zur Arbeit fahren. Öffentliche Investitionen in einen besseren Nahverkehr oder bessere Radwege könnten das ändern. Ein CO2-Preis könnte das finanzieren.

Quintessenz: Man braucht den CO2-Preis, aber er reicht nicht.