Analyse zur EZB-Geldpolitik

Warum es richtig ist, die QE-Programme weiterlaufen zu lassen

Kritiker meinen, dass die QE-Programme der EZB eine Attacke auf die Sparer seien und die Profitabilität von Banken und Versicherungen untergraben würden. Somit wäre es an der Zeit, die Anleihenkäufe einzustellen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass QE immer noch eher hilfreich als schädlich ist. Eine Analyse von Maria Demertzis und Guntram B. Wolff.

Bankenviertel in Frankfurt: Drückt die EZB-Politik auf die Profitabilität der Geldhäuser? Foto: Pixabay

Im März 2015 hat die Europäische Zentralbank (EZB) ein massives Anleihekaufprogramm gestartet, im Fachjargon „Quantitative Easing“ (QE) genannt. Es geht um erhebliche Summen: Seit dem Start des QE-Programms hat sich die Bilanz der EZB um ca. 9% des Bruttoinlandsprodukts der Eurozone vergrößert. Inzwischen beträgt sie ca. 28% des Eurozonen-BIP.

Die QE-Politik wird seit ihrem Start kontrovers diskutiert – insbesondere in Deutschland. In den Augen der Kritiker haben die Programme nur wenig dazu beigetragen, das Wachstum und die Inflation zu steigern. Stattdessen seien sie ein Angriff auf die Sparer und würden die Profitabilität der Banken und Versicherer beeinträchtigen. Halten diese Argumente einer Überprüfung stand?

Es besteht ein ziemlich breiter, wenn auch verhaltener Konsens darüber, dass QE die Nachfrage stimuliert hat. Diese Kausalität ist schwer nachzuweisen, aber seit dem Start von QE sind sowohl die Investitionen als auch der Konsum angezogen. Studien dokumentieren einen positiven Einfluss auf die Vermögenspreise und eine Reduzierung der langfristigen Refinanzierungskosten für Staaten, Unternehmen und private Haushalte.

Die viel wichtigere Frage lautet aber: Wann sollte die EZB damit beginnen, aus dem QE-Programm auszusteigen? Manche argumentieren, dass dieser Zeitpunkt bereits gekommen ist. Beispielsweise stimmt der deutsche Sachverständigenrat zu, dass QE die Nachfrage stimuliert hat, meint allerdings auch, dass „das Ausmaß der Lockerung angesichts der wirtschaftlichen Erholung nicht mehr angemessen (ist)“.

Mit dieser Haltung ist der Sachverständigenrat in der deutschen Öffentlichkeit alles andere als allein. So gab es auch am letzten Donnerstag ein negatives Medienecho, als die EZB beschloss, ihr QE-Programm ab April 2017 um weitere neun Monate zu verlängern, allerdings das monatliche Kaufvolumen von derzeit 80 auf dann 60 Milliarden Euro zu reduzieren. Diese Verlängerung ist vielen Beobachtern ein Dorn im Auge, sie hätten sich ein schnelleres Auslaufen der Anleihekäufe gewünscht.

Dank der geringen Inflation leidet der Sparer weniger, als es den Anschein hat – „Enteignung“ ist das jedenfalls nicht

Die QE-Kritiker meinen, dass EZB-Präsident Mario Draghi die Sparer bestraft, manche sprechen sogar von „Enteignung“. Diese Argumentation übersieht aber, dass die Realzinsen, also die um die Inflationsrate bereinigten Erträge, bei weitem nicht so stark gefallen sind, wie es der Nominalzins suggeriert. Es mag stimmen, dass die Realzinsen niedrig sind – aber da die Inflationsraten massiv gefallen sind, ist der Realzins heute vergleichbar mit dem Zins vor etwa fünf Jahren. Dank der geringen Inflation leidet der Sparer also weniger, als es den Anschein hat. „Enteignung“ ist das jedenfalls nicht.

Des Weiteren meinen die Kritiker, dass das QE-Programm die Inflationsrate über das von der Zentralbank gesetzte Ziel von knapp unter 2% hinaustreiben könnte. Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass dies bald geschehen wird. Die um die volatilen Energiepreise bereinigte Kerninflationsrate liegt momentan bei 0,8%. Zudem prognostizieren die Märkte eine Inflationsrate, die noch einige Zeit unter dem 2%-Ziel der EZB liegen wird. Auch eine kürzlich vom Centre for Economic Policy Research (CEPR) unter prominenten Ökonomen durchgeführte Umfrage zeigte, dass 78% der Befragten nicht der Meinung sind, dass die expansive Geldpolitik der EZB nicht länger angemessen sei. Wenn Inflation und Gesamtnachfrage also immer noch weit unter den Werten liegen, die sie eigentlich erreichen sollten, gibt es kaum eine Notwendigkeit, weshalb die EZB jetzt schon mit dem „Tapering“ – dem Rückfahren ihrer Anleihenkäufe – hätte beginnen müssen.

Wir wirkt QE auf die Profitabilität der Banken?

Eine andere Argumentationslinie gegen QE lautet, dass das Programm auf die Profitabilität der Banken drückt. Diese Bedenken sind durchaus berechtigt: Schließlich würde eine schwächere Profitabilität die Banken dazu veranlassen, ihr Kreditangebot für die Realwirtschaft einzuschränken. Und die Verbesserung des Zugangs zu Krediten war ja genau der Zweck der QE-Programme – es wäre also kontraproduktiv, damit weiterzumachen, wenn die Programme die Profite der Banken beeinträchtigen würden.

Die Banken selbst sind hinsichtlich der EZB-Politik pessimistisch. Laut dem Bank Lending Survey der EZB erkennen sie zwar an, dass QE dabei geholfen hat, die Vermögenspreise zu steigern und so ihre Bilanzen gestärkt hat. Aber gleichzeitig behaupten sie, dass der Rückgang bei den langfristigen Renditen ihre Möglichkeiten geschmälert hat, in der Zukunft Profite zu machen. Ihre Gesamtbewertung ist daher negativ.

Wir haben uns die Daten zu den Bankprofiten genauer angesehen und zwei zentrale Trends entdeckt: Erstens sind die Nettozinserträge der Banken seit 2010 sehr stabil, obwohl in dieser Periode die Zinsen sehr niedrig waren und die EZB in dieser Zeit einige unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen wie eben die QE-Programme durchgeführt hat. Die Banken konnten also weiterhin stabile operative Gewinne machen – trotz der niedrigeren langfristigen Renditen.

Anmerkung: Diese Daten umfassen 36 der 129 von der EZB überwachten Banken, die im Jahr 2015 32% des konsolidierten Vermögens des Euro-Währungsgebiets ausmachten. Wir untersuchen eine dauerhafte, wenn auch unvollständige, Gruppe, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Quellen: SNL Financial, Berechnungen des Bruegel-Instituts

Zweitens waren die Bankprofite während dieser Periode aber auch wesentlich volatiler, und manchmal sogar negativ. Das ist die unmittelbare Folge des hohen Bestandes an notleidenden Krediten (non-performing loans, NPLs), die größtenteils vor dem Start der QE-Programme vergeben wurden. Inzwischen verbessert sich die Profitabilität vieler Banken aber wieder, da es ihnen gelingt, die Forderungsausfälle aus ihren Bilanzen zu schaffen. Und wir sollten auch nicht vergessen, dass QE die Aussichten für die gesamtwirtliche Entwicklung verbessert und so den Banken dabei hilft, Profite zu generieren.

Man muss allerdings darauf hinweisen, dass es zwischen den verschiedenen Eurostaaten wichtige Unterschiede gibt. Die Banken in Ländern, die weiterhin mit hohen Beständen an notleidenden Krediten zu kämpfen haben, sind nicht in der Lage, Kredite zu vergeben und Profite zu machen. Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass die Profitabilität der Banken in Deutschland nun schon seit einigen Jahren niedriger ist als in den anderen europäischen Staaten – was einerseits einen Grund für die besonderen deutschen Befindlichkeiten gegenüber dem QE-Programm liefert, anderseits aber auch daraufhin deutet, dass einige deutsche Banken Probleme haben, die mit der Geldpolitik der EZB nur am Rande zu tun haben.

Die Debatte um das QE-Programm ist alles andere als abgeschlossen und es ist wichtig, die künftigen Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass es bisher keinen starken Einfluss auf die durchschnittliche Profitabilität der Banken gab. Allerdings sind die Zinsmargen bei Neukrediten zuletzt gefallen. Das könnte unter Umständen die Zinseinnahmen schmälern und die Profite beeinträchtigen. Um diese Einbußen zu kompensieren, haben einige Banken bereits ihre Gebühren erhöht.

Es stimmt, dass niedrigere Renditen die Banken dazu drängen könnten, andere – möglicherweise auf Gebühren basierende – Modelle einzuführen. Aber bisher hatte QE einen neutralen Gesamteffekt auf die Profitabilität der Banken – es sind die großen Summen notleidender Kredite sowie Rechtsrisiken, die auch weiterhin die größte Bedrohung für den Sektor darstellen. Auf die Lösung dieser Probleme sollten die Banken und Politiker ihre Energie konzentrieren.

Die QE-Programme sind insgesamt immer noch eher hilfreich als schädlich. Deshalb war es die richtige Entscheidung der EZB, auch 2017 den Fuß auf dem geldpolitischen Gaspedal zu lassen.

 

Zu den Autoren:

Maria Demertzis ist stellvertretende Direktorin des Thinktank Bruegel. Guntram B. Wolff ist der Direktor des unabhängigen Brüsseler Forschungsinstituts.

Hinweis:

Die diesem Beitrag zugrundeliegende Studie „What impact does the ECB’s quantitative easing policy have on bank profitability?“ finden Sie hier.