EU-Erweiterung

Reform oder Tempo?

Russlands Angriff auf die Ukraine hat die Diskussionen über die Erweiterung der Europäischen Union neu entfacht. Dies stellt die EU vor eine Reihe von schwierigen Abwägungen.


Die Diskussion darüber, wie die Europäische Union ihre Osterweiterung angehen sollte, ist nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 wieder voll entbrannt. Nach dem EU-Beitritt Kroatiens 2013 war der Erweiterungsprozess ins Stocken geraten. Trotz Integrationsprojekten wie der Östlichen Partnerschaft schien eine kurzfristige Erweiterung der Union unwahrscheinlich. Vor 2022 galten die Länder des Westbalkans, insbesondere Montenegro und Serbien, als diejenigen, die auf dem Weg zur Mitgliedschaft am weitesten vorangeschritten waren.

Nun aber hat der Krieg Russlands in der Ukraine die Union zur Unterstützung Kiews mobilisiert und den Fokus der Erweiterungspolitik von Südosten nach Osten verlagert. Der Ukraine, der Republik Moldau und kürzlich auch Georgien wurde der Kandidatenstatus zuerkannt. Vor allem im Falle der Ukraine hat die Erweiterungsfrage eine nie dagewesene Dringlichkeit erhalten, da sie in eine Zeit des Krieges fällt. Montenegro und Serbien begannen ihre Beitrittsverhandlungen vor mehr als zehn Jahren, als das Ziel der Mitgliedschaft noch außer Reichweite war. So viel Zeit bleibt der Ukraine vielleicht nicht – oder sollte ihr nach Meinung vieler Befürworter:innen nicht bleiben.

Doch ein EU-Beitritt ist mit erheblichen Verpflichtungen verbunden und bindet die Länder an einen bestimmten Regulierungs- und Governance-Pfad, so dass er nicht leichtfertig eingegangen werden sollte. Aus Sicht der Europäischen Union geht es in den Erweiterungsgesprächen letztlich um die Fähigkeit der EU, ihre geopolitischen Interessen zu fördern und zugleich ihre innenpolitische Stabilität zu wahren. Aus der Sicht der Beitrittskandidaten geht es um die Fähigkeit, kurzfristig Reformen durchzuführen und langfristig den eingeschlagenen Entwicklungspfad beizubehalten. Aus globaler Sicht stellt die Erweiterung die Glaubwürdigkeit der EU auf die Probe, ihren Worten Taten folgen zu lassen und gleichzeitig die strengen Grundprinzipien zu wahren, die für ihren Zusammenhalt notwendig sind.

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