Analyse

Eine wichtige IWF-Reform

Der Internationale Währungsfonds hat eine Reform seiner Kreditvergabe verabschiedet. Der ehemalige IWF-Chefökonom Olivier Blanchard erläutert, welche Folgen das für die Weltwirtschaft hat.

Haircuts könnten künftig weniger kostspielig sein. Foto: Luke Larsson via Flickr (CC BY-ND 2.0)

Die Welt ist im letzten Monat etwas sicherer geworden – zumindest an einem Rand. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat eine Reform seiner Kreditvergabe angenommen, die wichtige Implikationen für die zukünftige Stabilität der Weltwirtschaft hat.

Um die Reform zu verstehen, muss man mit der Finanz-Globalisierung anfangen. In den letzten Jahrzehnten haben die grenzüberschreitenden Finanzflüsse stark zugenommen und Länder haben sowohl ihre Aktiva als auch ihre Verbindlichkeiten sehr stark erhöht, oft in der Größenordnung von 50 bis 100% des Bruttoinlandprodukts. Ihre Nettoverbindlichkeiten mögen gering oder sogar negativ sein. Aber in einer externen Schuldenkrise geht es nicht um Netto– sondern um Bruttoverbindlichkeiten, wenigstens um die, die sehr liquide sind. Das ist die Summe an Geld, die potenziell aus einem Land abgezogen werden kann, wenn Investoren entscheiden, ihre Geldanlagen zu repatriieren.

Das stellt die Kreditvergabe des IWF vor eine Herausforderung.

Solvenz- oder Liquiditätsproblem?

Der IWF steht oft vor einer schwierigen Entscheidung, wenn er mit einem Land zu tun hat, dass auf externe Hilfe angewiesen ist. Er muss entscheiden, ob das Land ein Solvenzproblem hat, bei welchem das Programm eine Schuldenrestrukturierung beinhalten müsste, oder ob das Land nicht stattdessen ein Liquiditätsproblem hat, bei dem eine Schuldenumstrukturierung nicht benötigt würde. Aber es ist anfangs sehr schwer, zwischen einem Solvenz- und einem Liquiditätsproblem zu unterscheiden und wird erst nach einiger Zeit klarer.

Das legt den Schluss nahe, dass es besser wäre, mit der Entscheidung über die Schuldenrestrukturierung solange zu warten, bis es mehr Klarheit gibt. Aber das wirft eine fundamentale Frage auf: Während die Entscheidung aufgeschoben wird, muss das IWF-Programm in der Lage sein, genug Geld zur Verfügung zu stellen, jeden Gläubiger zu bezahlen, der aussteigen will, bevor die Schuldenrestrukturierung vorgenommen wird.

Aufgrund der Summe der Bruttoverbindlichkeiten könnte es ein sehr großes Programm erfordern, alle diese Gläubiger abzudecken. Und wenn die Schuldenrestrukturierung später nötig wäre, würde das große Verluste („Haircuts“) für die verbleibenden Gläubiger mit sich bringen. Allerdings könnte es bis dahin nur noch so wenige Gläubiger geben, dass selbst eine vollständige Abschreibung ihrer Forderungen nicht ausreichend sein könnte, um die Schuldentragfähigkeit wiederherzustellen. In diesem Fall dürfte auch die Fähigkeit dieses Landes in Frage stehen, die IWF-Kredite zurückzuzahlen.

Reprofilierung statt Restrukturierung

Dieses Rätsel kann allerdings auf eine konzeptionell unkomplizierte Weise gelöst werden. Wenn die Entscheidung anfangs unsicher ist, sollte der IWF warten, bis er mehr Klarheit hat – aber er sollte von Anfang an eine Verlängerung der Laufzeiten aller oder der meisten Forderungen implementieren (der vom Währungsfonds dafür verwendete Begriff ist „Schulden-Reprofilierung“: das ist die Verzögerung von Zinszahlungen, die während des Programms fällig werden, während der Nettowert dieser Zahlungen nur höchstens geringfügig gesenkt wird).

Das würde die Haircuts auf eine breitere Masse von Gläubigern mit geringeren Verlusten für jeden Einzelnen verteilen, sollte es zu einer Schuldenrestrukturierung kommen. Und indem die Notwendigkeit vermieden werden würde, Mittel bereitzustellen, um die Gläubiger zu bezahlen, die vorher aussteigen, könnte das Programm viel kleiner ausfallen als es ansonsten sein müsste.

Die Reprofilierung kann Raum für eine weniger wachstumsschädliche Haushaltskonsolidierung bieten

Es gibt noch weitere Vorteile: Die durch die Reprofilierung zur Verfügung gestellte „Finanzierung“ kann den Raum für eine langsamere und somit weniger wachstumsschädlichere Haushaltskonsolidierung bieten. Und politisch macht es der potenzielle Bail-In privater Gläubiger wesentlich leichter, haushaltspolitische und andere Reformen (die normalerweise in solchen Situationen gebraucht werden) gegenüber den Steuerzahlern zu vertreten.

Die im letzten Monat verabschiedete Reform erlaubt genau diese Reprofilierung. Bis jetzt galt für diese großen sogenannten „exceptional access“-Programme des IWF die Regel, dass die Schuldenrestrukturierung gleich zu Beginn erfolgen musste. Dieser Regel zu folgen bedeutete, dass die Restrukturierung sogar gemacht wurde, wenn sie sich im Nachhinein manchmal hätte vermeiden lassen.

Aber diese Regel hat auch zu der Versuchung geführt, willkürliche Ausnahmen für „systemische Fälle“ zu schaffen oder vorzugeben, dass die Schulden tragfähig wären, obwohl dies nicht der Fall ist, um eine Schuldenrestrukturierung zu Beginn des Programms zu vermeiden. (Ein weiterer Bestandteil der Reform ist tatsächlich die Beseitigung dieser sogenannten „systemischen Ausnahmen“. Mehr Details dazu sollten in einem separaten Beitrag erläutern werden, aber der IWF hat auf seiner Webseite eine sehr offene Diskussion zu dem Thema veröffentlicht.)

Damit konnten die Gläubiger allerdings nicht getäuscht werden und oft haben sie ihr Geld so schnell sie konnten abgezogen. Indem sie die Reprofilierung in Fällen erlauben, bei denen die Schuldentragfähigkeit nicht eindeutig ist, machen es die neuen Regeln einfacher, die richtigen Entscheidungen zu treffen, ohne unnötige Kosten zu verursachen. Sie verlangen außerdem von den privaten Investoren die Konsequenzen der Risiken zu akzeptieren, für die sie ja auch bezahlt werden, was zu einer höheren Disziplin auf den Staatschuldenmärkten führen und künftige Krisen weniger wahrscheinlich machen sollte. Zum Schluss aber nicht Letztens bedeutet diese Reform auch, dass der IWF künftig mit ziemlicher Sicherheit immer genug Mittel zur Verfügung haben wird, um Ländern in Schwierigkeiten zu helfen, weil jetzt sehr viel kleinere Programme möglich sind.

 

Zum Autor:

Olivier Blanchard ist seit Oktober 2015 Senior Fellow am Peterson Institute for International Economics (PIIE). Zuvor war Blanchard sieben Jahre lang Chef der Forschungsabteilung des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Hinweis:

Dieser Beitrag ist zuerst auf englisch im RealTime Economic Issues Watch Blog des Peterson Insitute veröffentlicht worden. Die Übersetzung durch die Makronom-Redaktion erfolgte mit Genehmigung des Peterson Institutes.