Economists for Future

Eine Durchflussgesellschaft ist für die Erde untragbar

Auch die Politik ist sich inzwischen bewusst, welche Konsequenzen die Überbeanspruchung endlicher Ressourcen hat. Dennoch wird der materielle Bedarf der Durchflussgesellschaft weiter befriedigt – insbesondere in Krisenzeiten.

Unsere Gesellschaft befindet sich inmitten eines tiefgreifenden Transformationsprozesses. Im Zentrum: die Wirtschaft. Die nächsten Jahre werden entscheiden, ob uns der Wandel by disaster passiert oder uns by design gelingt.

Die Debattenreihe Economists for Future widmet sich den damit verbundenen ökonomischen Herausforderungen. Sie beleuchten einerseits kritisch-konstruktiv Engführungen in den Wirtschaftswissenschaften sowie Leerstellen der aktuellen Wirtschaftspolitik. Andererseits diskutieren wir Orientierungspunkte für eine zukunftsfähige Wirtschaft und setzen Impulse für eine plurale Ökonomik, in der sich angemessen mit sozial-ökologischen Notwendigkeiten auseinandergesetzt wird.

Die erste Ausgabe der Debattenreihe erschien zwischen September und Dezember 2019. Der zweite Teil der Serie startete im September 2020, der dritte im Juni 2021. In der neuesten Ausgabe werden in den kommenden Monaten Aspekte rund um Macht & Märkte thematisiert. Hier finden Sie alle Beiträge, die bisher im Rahmen der Serie erschienen sind.

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist die Abhängigkeit der Energieversorgung in Deutschland von billigen Erdgasimporten – insbesondere für die energieintensiven Industrien und die Wärmeversorgung von Gebäuden und Wohnungen – sichtbar geworden.

Paradoxerweise wird jedoch die Erdgasnutzung auf Basis von Importen ausgebaut, anstatt einen beschleunigten Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien und eine Energieversorgung auf Basis von erneuerbaren Energien zu forcieren sowie eine absolute Reduktion des Energiebedarfs zu gewährleisten. Aktuell werden an der Nord- und Ostseeküste Terminals für den Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) gebaut, Kohlekraftwerke reaktiviert und verlängerte Laufzeiten von Atomkraftwerken in Deutschland und anderen Industrieländern debattiert. Wie lassen sich diese reflexhaften Reaktionen auf die Versorgungsknappheit fossiler Energie erklären?

Aus meiner Sicht – aus der Perspektive der Politischen Ökologie (Bauriedl 2016, Gottschlich et al. 2022) – macht eine Auseinandersetzung mit globaler Ressourcen(un)gerechtigkeit und europäischer Kolonialität diesen Reflex und seine Logik plausibel und angreifbar. Die politischen und die öffentlichen Reaktionen auf den gestoppten Zufluss von billigem Erdgas aus Russland hat die eurozentrische Perspektive des Energiewende- und Klimaschutzdiskurses und den eurozentrischen Anspruch auf unbegrenzten und privilegierten Ressourcenzufluss sehr deutlich gemacht: die Befriedigung des Bedarfs energieintensiver Industrien (z.B. Bau von LNG-Terminals, Erdgasumlage) und der Konsument*innen (z.B. Benzinzuschuss) hat auch dann noch Priorität, wenn die Kosten für die Allgemeinheit enorm und die Klimawandelfolgen katastrophal sind.

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