Fiskalregeln

Ein pragmatischer Kompromiss für die europäische Schuldendebatte

Die Reform der EU-Schuldenregeln droht zu einem ideologisch geführten Großkonflikt zu werden. Dabei ließe sich das System erheblich verbessern, ohne dass seine Eckpfeiler grundsätzlich in Frage gestellt werden müssen. Ein Beitrag von Dominika Biegon.

Bild: Pixabay

Mitte Oktober hat die Europäische Kommission den lang erwarteten Startschuss gegeben für eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Sie hat ein öffentliches Konsultationsverfahren wiedereröffnet, das bereits 2020 in Gang gebracht, aber wegen der Corona-Pandemie unterbrochen wurde. Die Ergebnisse der Konsultation sollen in die Reformvorschläge einfließen, welche die EU-Kommission Anfang nächsten Jahres präsentieren wird. Die EU-Schuldenregeln sind derzeit ausgesetzt und werden voraussichtlich 2023 wieder in Kraft treten. Bis dahin sollten sie idealerwiese reformiert sein oder Übergangsregelungen gefunden werden.

Die Debatte über die Reform der EU-Schuldenregeln wird in und zwischen den europäischen Hauptstädten schon seit Monaten heftig geführt – und droht zu einem ideologisch geführten Großkonflikt innerhalb Europas zu werden. Auf der einen Seite stehen die fiskalpolitischen Falken, die – schockiert über den Corona-bedingten Anstieg der Schuldenstandsquoten in vielen Mitgliedstaaten – bereits mit den Flügeln schlagen und die alten Regeln lieber heute als morgen wieder einsetzen würden, um Verstöße in Zukunft noch effektiver zu sanktionieren. Zur selbsternannten „Koalition der Sparsamen“ gehören Österreich, die Niederlande, Dänemark, Schweden und Finnland, doch auch Lettland, die Slowakei und Tschechien haben sich mittlerweile angeschlossen. Ihnen gegenüber stehen viele südeuropäische Ländern, die schon lange auf eine Lockerung der Euro-Stabilitätskriterien drängen und vor einer Neuauflage der Austeritätspolitik während der Eurokrise warnen.

Der künftigen deutschen Bundesregierung wird in dieser Gemengelage eine Schlüsselrolle zukommen. Dabei ist die Positionierung vollkommen offen. Das Sondierungspapier der drei Koalitionäre bleibt in diesem Punkt vage. Aus den Wahlprogrammen wird deutlich, dass die Grünen offen dafür sind, die europäischen Fiskalregeln zu reformieren, um öffentliche Investitionen zu stärken. Die SPD will den Stabilitätspakt in einen „Nachhaltigkeitspakt“ umwandeln, während die FDP an den Maastricht-Kriterien (also der 3%-Defizitgrenze und der 60%-Schuldenstandquote) festhalten will.

In Zeiten verhärteter politischer Fronten haben Vorschläge von außen oft das Potenzial, Kompromisslinien aufzuzeigen. So arbeiten derzeit auch die die europäischen Sozialpartner an Lösungen. In einer neuen Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA), einem Gremium, das die EU-Institutionen berät und in dem Vertreterinnen und Vertreter von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen gemeinsame Positionen zu aktuellen EU-Themen verfassen, plädiert die europäische organisierte Zivilgesellschaft für einen pragmatischen Ansatz. Dieser könnte den Boden bereiten für einen Kompromiss zwischen den fiskalpolitischen Falken und den südeuropäischen Staaten.

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