Entwicklungspolitik

Die deutsche EZ und die Wirtschaft – eine schwierige Partnerschaft

Die Verzahnung von deutscher Entwicklungszusammenarbeit und Privatwirtschaft bleibt hinter ihrem Potenzial zurück. Ohne Reformen könnte dem gesamten Politikfeld die Abschaffung drohen, wie ein Blick in die USA zeigt. Ein Beitrag von Thomas Bonschab.

Die Verzahnung zwischen der staatlich organisierten deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) bzw. Internationalen Zusammenarbeit (IZ) und der Privatwirtschaft gewinnt zunehmend an Bedeutung. Das dürfte sich unter der zu erwartenden neuen Bundesregierung weiter beschleunigen. Doch trotz des Potenzials für eine stärkere Verzahnung bleibt die Rolle der EZ/IZ bei der Förderung von Auslandsinvestitionen deutscher Unternehmen in den Zielländern der Entwicklungszusammenarbeit bislang eher gering.

Laut Daten des deutschen Wirtschaftsministeriums, des „Berichts der Bundesregierung zur Auswärtigen Wirtschaftspolitik“ und der OECD fließen deutsche Auslandsinvestitionen zu 60-70% in entwickelte Volkswirtschaften. Industrieländer wie die USA, Großbritannien und andere EU-Staaten sind traditionell die Hauptziele deutscher Direktinvestitionen. 20-30% der Auslandsinvestitionen gehen in Schwellenländer (einschließlich China, Indien und Brasilien); deren Anteil erhöht sich kontinuierlich, insbesondere aufgrund der dynamischen Wirtschaftsentwicklung in diesen Ländern und des Umstands, dass deren Märkte nicht so gesättigt sind wie die der etablierten Industrieländer. Hingegen erreichen lediglich 2-5% die sogenannten Niedrigeinkommensländer (NEL – englisch: LDC). LDC sind aufgrund politischer Risiken, schwacher Infrastruktur und geringerer Marktgröße weniger attraktiv für deutsche Investoren. Die OECD und die Bundesbank bestätigen, dass der Anteil der Investitionen in LDCs marginal ist.

Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Erwartungen an die EZ/IZ, deutsche Unternehmen in LDCs zu unterstützen, nicht zu hoch sein sollten. Dennoch gibt es in einigen LDCs erhebliches wirtschaftliches Potenzial, das bisher kaum genutzt wird. Man wird den Eindruck nicht los, dass die beiden Seiten nicht zusammenkommen.

Faktoren für die schwierige Partnerschaft

Ein zentrales Problem ist die geringe Rückflussrate bei Vergaben des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) – künftig voraussichtlich Bundesministerium für Internationale Zusammenarbeit – an deutsche Unternehmen. Diese erhalten nur knapp über 10% der BMZ-Vergaben. Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland hier schlecht ab: Frankreich etwa bindet, je nach Sektor, 50-80% der Vergaben an französische Unternehmen, während China vermutlich nahezu 100% seiner Entwicklungsprojekte über staatliche Unternehmen abwickelt. Auch in den USA war es bereits in der letzten Regierung möglich, Direktvergaben des US-Treasury an amerikanische Unternehmen zu vergeben. Zudem waren keine Durchführungsorganisationen dazwischengeschaltet, so dass der Prozess effizienter gestaltet wurde und die Quote entsprechend hoch war.

Eine feste Lieferbindung an deutsche Unternehmen gibt es nicht, Rückflüsse lassen sich dennoch grob quantifizieren. Selbst wenn man hinsichtlich der Rückflüsse an deutsche Unternehmen Verträge mit deutschen Subunternehmern (wie deutsche Beratungsfirmen) und Vergaben an deutsche Unternehmen mit Sitz im Ausland hinzurechnet, bleibt die Quote für deutsche Unternehmen deutlich unter dem internationalen Durchschnitt, bestenfalls bei etwas mehr als 20%. Man mag über die genaue Quote streiten, die Diskrepanz zu anderen Ländern wird in internationalen Vergleichen der OECD und anderen Studien zur Entwicklungszusammenarbeit allerdings insgesamt bestätigt.

Ein zweiter Kritikpunkt aus Sicht der deutschen Wirtschaft ist die Komplexität und Unübersichtlichkeit der Förderinstrumente. Die hohen formalen und inhaltlichen Anforderungen sowie die mangelnde Koordination zwischen den verschiedenen Ministerien erschweren es Unternehmen, von den Angeboten der EZ/IZ zu profitieren. Das ist auch in manchen anderen sogenannten Geberländern der Fall, nirgendwo aber so anspruchsvoll wie in Deutschland. Zudem wird das Kreditvolumen für Investitionen in LDCs als zu gering angesehen, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können.

Drittens kommt hinzu, dass das Profil der deutschen EZ/IZ kaum mit den Interessen der Wirtschaft übereinstimmt. Während die deutsche Entwicklungszusammenarbeit stark auf Nachhaltigkeitsziele, Zivilgesellschaft und gute Regierungsführung ausgerichtet ist, fehlt es an einer klaren Ausrichtung auf wirtschaftliche Themen. Dies führt zu einer Kluft zwischen dem „Mindset“ der EZ/IZ und den Bedürfnissen der Wirtschaft. Nicht selten wird von Seiten der Wirtschaft konstatiert: „Die verstehen uns nicht.“

Viertens lässt sich schwer leugnen, dass Deutschland im Vergleich zu Ländern wie China und den USA weniger aggressiv für die Interessen der eigenen Wirtschaft eintritt. China etwa fädelt Entwicklungsprojekte in der Regel hochrangig ein, bringt die durchführenden Unternehmen gleich mit an den Verhandlungstisch und handelt günstige Konditionen (Preise für Land und Energie, Lieferbindung usw) aus. Von Seiten der USA steht mit der neuen Regierung zu erwarten, dass ein ähnlich offensives, wenn nicht gar noch schärferes, Vorgehen zum Alltag wird. Die aktuelle Diskussion um das Management des Gaza-Streifens kann als Versuch eines großen Konjunkturprogramms für die amerikanische Wirtschaft verstanden werden, das im geostrategischen Interesse der USA durchgeführt werden soll und einen kompletten Bruch mit klassischen Vorstellungen der EZ darstellt. Das geht über protektionistische Maßnahmen der bisherigen Regierungen weit hinaus.

Die deutsche Regierung hat berechtigte Gründe, ein solches Vorgehen nicht zu kopieren. Dennoch sollte man nicht aus dem Auge verlieren, dass in einem solchen wettbewerbspolitischen Umfeld deutsche Unternehmen in beinahe jeder Hinsicht einen Nachteil haben. Eine Strategie oder zumindest ein Zeichen, wie man sich hier gemeinsam mit der deutschen Privatwirtschaft positionieren will, hat man sich nicht zu einer prioritären Aufgabe gemacht.

Was die nächste Bundesregierung tun sollte

Die deutsche EZ/IZ steht vor der Herausforderung, ihre Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zu intensivieren. Dafür müssten die Förderinstrumente vereinfacht und besser auf die Bedürfnisse der Unternehmen zugeschnitten werden. Zudem sollte die nächste Bundesregierung eine klare Strategie entwickeln, um deutsche Unternehmen in den Zielländern der EZ/IZ besser zu unterstützen. Ein stärkerer Fokus auf Technologietransfer und wirtschaftliche Zusammenarbeit könnte dabei helfen, das Potenzial der deutschen EZ/IZ besser auszuschöpfen.

Aus Perspektive der deutschen Wirtschaft liegen die Mängel der bisherigen EZ klar auf der Hand:

  1. Der Mehrwert der EZ lässt sich nicht direkt erkennen.
  2. Die deutsche EZ wird als unübersichtlich und als ein Kind der (europäischen) Verwaltungsmentalität betrachtet. Förderinstrumente müssten vereinfacht und besser auf die Bedürfnisse der Unternehmen zugeschnitten werden.
  3. Das Profil der deutschen EZ ist zu sehr auf „weiche“ Themen ausgerichtet, so dass personell und habituell große Brücken gebaut werden müssten. Das Potenzial der oft über Jahrzehnte aufgebauten Vertrauensverhältnisse vor Ort wird hingegen erkannt.
  4. Das Thema Zusammenarbeit mit der Wirtschaft hat derzeit keine hohe Priorität im Politikfeld EZ/IZ. Dieses fehlende Engagement zeigt sich darin, deutsche Unternehmen gegenüber den USA und China zu „verteidigen“, aber auch an der Auswahl der bevorzugten Sektoren und den bevorzugten Ländern durch das BMZ.

An dieser Stelle wurde lediglich das Verhältnis des Politikfeldes zur deutschen Wirtschaft skizziert. Daraus lässt sich keine begründete Aussage über die legitimen Interessen der lokalen Wirtschaft in den Partnerländern ableiten. Hier hat die eher klassisch ausgerichtete EZ ein großes Verdienst erworben.

Wer sich für eine neu ausgerichtete Einbindung der deutschen Wirtschaft stark macht, sollte diese Errungenschaft nicht außer Acht lassen und nicht nur noch von wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen sprechen. Keine noch so gelungene Transformation der klassischen EZ in eine moderne IZ sollte darauf hinauslaufen, Unternehmen weitestgehend die Investitionsrisiken zu nehmen oder (bislang ohnehin ungeformte) geostrategische Aufgaben zu übernehmen, die sich nicht realisieren lassen. Der entwicklungspolitische Auftrag hat seine Legitimität nicht verloren. Ein solches Grundverständnis sollte auch vom Privatsektor mitgebracht werden.

Entscheidend ist vor allem auch die Perspektive der wirtschaftlichen Akteure in den Partnerländern der EZ/IZ. Hier werden die deutschen Stärken in der Entwicklungsfinanzierung und der aufgebauten Strukturen vor Ort außerordentlich geschätzt. Zugleich wünscht man sich einen Technologietransfer, um mehr lokale Wertschöpfung zu ermöglichen. Viele andere Länder versuchen, genau diesen Transfer zu vermeiden. Ein solcher Technologietransfer kann aber nur zustande kommen, wenn deutsche Wirtschaftsakteure bessere Rahmenbedingungen bereitgestellt bekommen als bislang und dabei auch mit Eigeninteressen agieren können.

Eine Reform der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ist nur eine der vielen Baustellen, die sich dem Politikfeld EZ/IZ stellen. Ob die involvierten Ministerien und deren Durchführungsorganisationen angesichts der Größe der Herausforderung von sich aus in der Lage sind, die erforderlichen Reformen durchzuführen, wird auch von Freunden des Politikfeldes immer mehr in Frage gestellt. Ein Mehr an öffentlicher Dialogbereitschaft wäre wohl Voraussetzung. Sonst wird weiterhin eine politische Strömung gefördert, die Stephan Klingebiel treffend als „die skandalierende Ablehnung“ bezeichnet. Sie wird sich voraussichtlich schon bald nicht mehr mit Etatkürzungen und einer Zusammenlegung von Ministerien zufriedengeben, sondern gleich das ganze Politikfeld abschaffen wollen. Wie nahe eine solche Forderung ist, zeigt die aktuelle Entwicklung in den USA.

 

Zum Autor:

Thomas Bonschab ist Gründer und Managing Director des TiNC International. Zudem betreibt er gemeinsam mit Robert Kappel den Blog Weltneuvermessung, wo dieser Beitrag zuerst in einer früheren Form erschienen ist.