Essay

Die Austeritätspolitik und der Aufstieg der Populisten

Überall auf der Welt sind populistische und nationalistische Politiker auf dem Vormarsch. Aber wie sind wir an diesen Punkt gekommen – und in welche Richtung werden wir weitergehen? Ein Essay von Frances Coppola.

In Anlehnung an Thatchers berühmten Wahlkampfslogan „Labour isn´t working“ startete die britische Gewerkschaft PCS im Jahr 2010 eine Kampagne gegen die Sparpolitik der konservativen Regierung von Premierminister David Cameron. Foto: Michael K. Donnelly via Flickr (CC BY 2.0).

Der folgende Text hat sich seit langem aufgestaut. Er spiegelt meinen Versuch wider, aus der wachsenden politischen Konfusion und dem Chaos in unserer Welt schlau zu werden. William Butler Yeats´ Gedicht The Second Coming drückt ziemlich gut aus, was ich sehe:

Things fall apart; the centre cannot hold;
Mere anarchy is loosed upon the world,
The blood-dimmed tide is loosed, and everywhere
The ceremony of innocence is drowned;
The best lack all conviction, while the worst
Are full of passionate intensity.

Aber wie sind wir an diesen Punkt gekommen – und in welche Richtung werden wir weitergehen?

Die Panik nach der Krise

In der tiefen Rezession, die die westliche Welt nach der Finanzkrise von 2008 heimsuchte, stiegen die Staatsschulden an, als Finanzunternehmen und andere Firmen gerettet wurden, die Steuereinnahmen sanken und die Ausgaben für die Arbeitslosenunterstützung stiegen. Staatsschulden werden gewöhnlich im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt ausgegeben: Die Rezession riss ein tiefes Loch in das BIP vieler westlicher Länder, was die Staatsschuldenquoten ansteigen ließ.

Plötzlich wiesen Länder, die zuvor als Inbegriff von fiskalischer Rechtschaffenheit galten, steigende Staatsschuldenquoten und kontinuierlich hohe Haushaltsdefizite auf. Andere Länder, die vor der Krise fragiler waren (obwohl sie nicht zwangsläufig schlecht regiert worden waren), benötigten die Hilfe des IWF. Auf einmal sahen fortgeschrittene Volkswirtschaften mindestens so riskant aus wie Schwellenländer – die Investoren ergriffen die Flucht und trieben westliche Regierungen dazu, die Vermögenspreise mit außergewöhnlichen Maßnahmen wie etwa QE-Programmen zu stützen.

Inmitten dieser Gemengelage holte jemand ein Forschungspapier hervor und behauptete, es würde beweisen, dass eine Staatsschuldenquote von mehr als 90% ein Desaster auslösen würde. Es stellte sich heraus, dass dieses Papier unglaublich fehlerhaft war: Aber diese Information kam erst einige Jahre später ans Licht.

Im Chaos der Nachkrisenwelt war jedes Rezept besser als gar keins – solange es nur irgendeinen Behandlungsplan gab

Andere Forschungspapiere wurden in das giftige Gebräu hineingeschüttet: So bewiesen die schlauen Modelle von Alesina und Ardagna vermeintlich, dass Haushaltskonsolidierung das Wachstum zurückbringen könnte. Später stellte sich heraus, dass der empirische Beleg für diese Behauptung unzureichend war, weil er sich auf ungenaue Daten stützte und wichtige Faktoren außer Acht ließ. Aber im Chaos der Nachkrisenwelt war jedes Rezept besser als gar keins – solange es nur irgendeinen Behandlungsplan gab.

Die finale Zutat war die griechische Schuldenkrise. Sie schockierte die Welt. Plötzlich waren hohe staatliche Defizite und Schulden furchtbare Dinge. Wir mussten sie unter Kontrolle bringen. Das bedeutete tiefe Einsparungen bei den Staatsausgaben, die Steuern mussten erhöht und die Sozialleistungen für die Schwächsten der Gesellschaft zurückgefahren werden. In der entwickelten Welt, und vor allem in Europa, akzeptierte eine Regierung nach der anderen diese strenge Medizin. Schließlich erzählte man uns, dass Alesina und Ardagna doch versprochen hatten, dass so das Wachstum wiederbelebt werden würde.

Ein politischer Paradigmenwechsel

Fairerweise muss man sagen, dass Alesina selbst nie behauptet hat, dass es einen starken empirischen Beweis für seine These geben würde und er diese auch nicht als Lösung für den Einbruch nach der Krise vorangetrieben hat. Nein, die Theorie wurde politisch vorangetrieben. So fragten sich etwa Iyanatul Islam und Anis Chowdhury, ob diese Theorie nicht unabsichtlich der politischen Ideologie vom „schlanken Staat“ in die Hände gespielt hat:

„Eine plausible Antwort liegt in der kollektiven und vorsätzlichen Ignoranz, die von einer ideologischen Aversion gegen antizyklische Fiskalpolitik getrieben wurde, weil fiskalische Interventionen als Vergrößerung und Vordringen des Staates gegen den Privatsektor angesehen werden. Wie Simon Wren-Lewis (2011) aufzeigt und wie Romer (2011) bestätigt, lassen sich angesehene Ökonomen finden, die aufgrund von ideologischen Neigungen antizyklische Fiskalpolitik ablehnen, obwohl diese Ökonomen gleichzeitig dafür sind, die Geldpolitik zu nutzen, um den Konjunkturzyklus zu stützen.“

Allerdings stellt sich die Frage: Warum war auf einmal die „Schlanker Staat“-Ideologie so vorherrschend? Vor der Krise war sie es schließlich nicht. Auf irgendeine Art und Weise hat die Krise selbst das politische Paradigma verändert.

Es ist ziemlich einfach zu verstehen, wie das passieren konnte. Nach einer Finanzkrise sind die Menschen sauer auf diejenigen, von denen sie glauben, dass sie die Krise verursacht haben und fürchten, ihr Geld und ihre Vermögenswerte zu verlieren. Sie lehnen das aktuelle politische Regime ab und wenden sich einem anderen zu, das Sicherheit verspricht. Sie werden kurzfristig eine strenge Hand akzeptieren, wenn sie davon überzeugt sind, dass so eventuell der Wohlstand zurückkehren wird. Liam Byrnes ironischer Hinweis für den neuen britischen Schatzkanzler George Osborne fing diese politische Stimmung gut auf: „Ich fürchte, es ist kein Geld da“, schrieb er damals.

Ein Modell der Knappheit

„Es ist kein Geld da“ ist der psychologische Rahmen sowohl für Reinhart und Rogoffs fehlerhaftes Papier als auch für Alesinas und Ardagnas Theorie. Es ist ein Modell der Knappheit. Es steht kein Geld zur Verfügung, also müssen wir ohne klarkommen. Eben den Gürtel enger schnallen.

Diese beiden Papiere unterstützten nicht nur die „Schlanker Staat“-Ideologie des konservativen britischen Schatzkanzlers, sondern lieferten auch Grundlage für die extreme Sparpolitik in der Eurozone. Reinhart und Rogoffs Papier schufen die Rechtfertigung für Einsparungen und Steuererhöhungen – Alesina und Ardagna versprachen uns das gelobte Land, was nötig war, damit die Menschen die strenge Medizin akzeptieren würden.

Die Austeritätspolitik war reines Voodoo

Aber es stellte sich heraus, dass diese Rezeptur reines Voodoo war. Sieben Jahre später ist der Wohlstand nicht zurückgekehrt: Viele europäische Länder sind immer noch in Austerität versunken, einige stecken in der Depression, die Staatsschulden sind höher als jemals zuvor und die Arbeitslosigkeit weiterhin schmerzhaft hoch.

Das Versagen der Austeritätspolitik, den versprochenen Wohlstand zu liefern, ist toxisch: Die Wut und Ängste der Öffentlichkeit sind der Nährboden für populistische Politiker. In einem wundervollen Papier über Schuldenkrisen und Populismus in Lateinamerika hat Rudi Dornbusch beobachtet, dass die Wurzeln des Populismus in der Austeritätspolitik liegen, die oftmals von einem externen Agenten wie etwa dem IWF durchgesetzt wurde. Die Austeritätspolitik von Kanzler Brüning während der Großen Depression in Deutschland hatte das Ziel, Deutschlands Schuldenkrise zu beenden und das Vertrauen des Auslands wiederherzustellen – und führte schließlich zum Aufstieg Hitlers.

Ein Kreislauf aus Verschwendung und Austerität

Wir drehen uns in einem endlosen Kreislauf von Verschwendung zu Austerität und wieder zurück. Der Wechsel von der Verschwendung („Das Geld wird uns nie ausgehen“) hin zur Austerität („Es ist kein Geld da“) wird von einer Finanzkrise ausgelöst: Die Austeritätspolitik wird von Technokraten eingeführt. Und der Wechsel von der Austerität zur Verschwendung wird wiederum von einer durch öffentliche Unruhen angeheizten politischen Krise ausgelöst: populistische Politiker führen erneut eine Phase der Verschwendung ein.

2008 war es die Finanzkrise, die den Wechsel zur Austerität auslöste, als eine Schuldenblase platzte, die zu unpopulären Banken-Bailouts und einer Rezession führte. In den frühen 70er Jahren war es der Kollaps des Bretton Woods-Systems fester Wechselkurse gewesen.

Nach dem Ende von Bretton Woods führten steigende Ölpreise und eine globale Rezession zu einer steigenden Inflation. In Großbritannien strichen aufeinanderfolgende Regierungen die Staatsausgaben zusammen und erhöhten die Zinsen, um den Fall des Pfunds zu stoppen und die Inflation unter Kontrolle zu bekommen. Die Antwort darauf waren von den großen Gewerkschaften angeführte Unruhen. Lange Streiks sorgten für weitere ökonomische Schäden. Großbritannien brauchte die Kohle zur Stromerzeugung – eine Tatsache, die von den Bergarbeiter-Gewerkschaften bei der Forderung nach höheren Löhnen ausgenutzt wurde: Streiks sorgten für schädliche Stromausfälle. Die britische Bevölkerung litt unter der Inflation, die die Lohntüten kleiner werden ließ, ökonomische Stagnation und steigende Arbeitslosigkeit verursachten Elend – und einen wachsenden Zorn.

1976 bat der damalige britische Schatzkanzler Dennis Healey den IWF um Hilfe: Die Bedingung für einen Kredit waren weitere Sparauflagen, obwohl der Kredit niemals vollständig in Anspruch genommen wurde. Die Haushaltskonsolidierung trug zum berühmten „Winter of Discontent“ bei, in dem das Land durch eine Streikwelle gespalten wurde, die sich gegen weitere Einsparungen richtete.

1979 hatten die Briten schließlich die Nase voll. Die berühmten Poster der konservativen Partei, auf denen Bilder von Warteschlagen vor den Arbeitsämtern zu sehen waren, und der Slogan „Labour isn`t working“ trafen einen Nerv. Margaret Thatchers populistische Politik sicherte den Konservativen den Sieg bei der Wahl von 1979 – und hielt die Labour Party bis 1997 von der Macht fern.

Populistische Politik funktioniert, indem sie die öffentliche Wut in Richtung eines „Feindes“ kanalisiert, der für das Leid der Menschen verantwortlich gemacht werden kann

Populistische Politik funktioniert, indem sie die öffentliche Wut in Richtung eines „Feindes“ kanalisiert, der für das Leid der Menschen verantwortlich gemacht werden kann. Der Feind muss geeignet sein, um von der Vorstellungskraft der Menschen Besitz zu ergreifen. Deshalb handelt es sich dabei gewöhnlich um eine definierte Gruppe von Menschen, die sich für die Rolle des Sündenbocks eignen. „Die Anderen“ für etwas verantwortlich zu machen ist ein sehr mächtiger Weg, um ein gemeinsames Ziel zu definieren. Oftmals handelt es sich bei dem „Feind“ um jemand externes: Es gibt zahlreiche historische Beispiele für Populisten, die die Aufmerksamkeit von heimischen Problemen abgelenkt haben, indem sie einen Krieg begannen.

Im Falle Thatchers handelte es sich allerdings um einen inneren Feind, zumindest anfangs. Sie war gewählt worden, um die Macht der Gewerkschaften zu brechen – und insbesondere die der Bergarbeiter-Gewerkschaften.

Thatchers Regierung ist hauptsächlich wegen der heftigen Anti-Inflations-Maßnahmen, der tiefen Rezession und der extrem hohen Arbeitslosigkeit der frühen 80er Jahre in Erinnerung geblieben. Aber die Menschen werden Austerität kurzfristig akzeptieren, wenn ihnen versprochen wird, dass diese Politik den Wohlstand bringen wird. Der Trick besteht also darin, dieses Wohlstandsversprechen einzuhalten – und das bedeutet wiederum Verschwendung, die allerdings denen zu Gute kommt, die das populistische Regime unterstützen. Und um sicherzustellen, dass das Regime nicht für die vorangegangene Austeritätspolitik verantwortlich gemacht wird, muss „der Andere“ gebrochen werden.

Deshalb wurden die Gewerkschaften durch die unbarmherzigen Kontrollen in Folge der Anti-Gewerkschafts-Gesetze besiegt. Die Zerschlagung der Gewerkschaften beinhaltete auch eine Demontage der britischen Kohleindustrie und weiterer Teile der Großindustrie: Bis heute haben sich die Gegenden, die von diesen Branchen am stärksten abhängig waren, nicht wirklich erholt. Thatcher ist in den früheren Industriegebieten in den Midlands, in North und South Wales immer noch verhasst. Aber wir sollten nicht vergessen, dass sie in anderen Gebieten, vor allem im Südosten und in London, extrem populär war. Populistische Politiker polarisieren.

Die Zerstörungskraft von Thatchers Industriepolitik wurde mit der Rückkehr der Verschwendung kombiniert. Das „Right to Buy“-Programm für den öffentlichen Wohnungsbau war extrem teuer, genauso wie der Falkland-Krieg. Als die Zinsen fielen, erhielt die britische Wirtschaft einen leichten fiskalpolitischen Schub – und das Ergebnis war der „Lawson Boom“, der schließlich im Immobiliencrash von 1990 endete. Wohlstand für „uns“, Zerstörung für „die“ … das ist das Ziel des Populismus.

Seit der Finanzkrise sind „die Banker“ in der öffentlichen Wahrnehmung zu „den Anderen“ geworden – genauso wie „Sozialschmarotzer“ und „Drückeberger“, die „hartarbeitenden Menschen“ das dringend benötigte Geld wegnehmen. In einem Interview mit dem Guardian sagte der frühere stellvertretende britische Premierminister Nick Clegg, dass George Osborne bewusst die Armen und Verwundbaren mit seinen Kürzungen ins Visier nehmen würde, weil dies unter Tory-Wählern populär sein. Das ist Populismus in seiner schlimmsten Form. Und wie Thatcher vor ihm kombinierte auch Osborne die Strenge gegen „die Anderen“ mit einer Großzügigkeit gegenüber den eigenen Unterstützern, vor allem gegenüber den Älteren und Reichen. Die Erholung, die die britische Wirtschaft in den letzten Jahren erlebt hat, wurde hauptsächlich durch die Unterstützung des Immobilienmarktes vorangetrieben.

Ein neues politisches Paradigma

Griechenland war der Prototyp für das „Es ist kein Geld da“-Paradigma der Nachkrisenzeit. Dieses Paradigma gilt immer noch – aber es bekommt Risse. Jetzt entwickelt sich langsam ein neues, und noch viel dunkleres Paradigma. Es ist das Paradigma des Nationalismus („take back Control“). Und der Prototyp für dieses neue Paradigma wird mein eigenes Land sein, Großbritannien. Ich hätte niemals gedacht, dass dies hier geschehen könnte…

Der populistische Paradigmenwechsel begann mit dem EU-Referendum. Dieses Mal war der Feind ein externer. Die EU wurde von der Leave-Kampagne als „der Andere“ verunglimpft. Verlasst die EU, und all eure Probleme werden vorbei sein… Das ist natürlich ein falsches Versprechen. Der EU-Austritt dürfte mindestens genauso viele Probleme verursachen, wie er löst. Ich mache mir Sorgen um diejenigen, denen von den Quacksalbern Wohlstand versprochen wurde. Es wird lange dauern, bis sie dies erkennen – und da viele von ihnen schon alt sind, werden sie es vielleicht sogar niemals begreifen.

Aber es nicht die Ablehnung der EU, die mich schockiert: viele Menschen haben aus guten Gründen für den Brexit votiert. Nein, es ist die Entstehung einer kleingeistigen „Großbritannien den Briten“-Mentalität, gepaart mit einer hasserfüllten Sprache und sogar physischen Attacken auf ethnische und religiöse Minderheiten, die als „fremd“ angesehen werden. Wenn der Brexit nicht die geschlossenen Grenzen und die Rosinenpickerei von Immigranten hervorbringt, die diese Leute wollen – was werden sie dann tun?

Wir haben die dunkle Seite des Nationalismus natürlich schon früher gesehen, obwohl sie lange gut versteckt worden war. Extreme rassistische Ansichten sind nicht breit akzeptiert, aber es gibt jede Menge Platz für toxische Ausgrenzungen innerhalb von Sätzen wie „Ich bin kein Rassist, aber ich hasse Muslime/Polen/Litauer/Syrer/Immigranten [wählen Sie so viele, wie Sie wollen]“. Einige Gruppen werden dämonisiert: Flüchtlinge zum Beispiel werden oft als Vergewaltiger und Mörder beschrieben, obwohl es dafür keine überzeugenden Beweise gibt.

Aufgestaute Wut und Frustration, die sich über Jahrzehnte aufgebaut haben, bahnen sich jetzt ihren Weg – nicht nur in Großbritannien

Die Erschaffung von „anderen“ Gruppen, die dämonisiert werden können, ist die Essenz des toxischen Nationalismus. Man muss es der aktuellen britischen Regierung zu Gute halten, dass sie versucht, dieses widerliche Verhalten zu unterbinden. Aber sie versuchen, die Flut aufzuhalten. Ich denke vielmehr, dass dies die Manifestation des Ausbruchs eines langen politischen und ökonomischen Kreislaufs ist – aufgestaute Wut und Frustration, die sich über Jahrzehnte aufgebaut haben, bahnen sich jetzt ihren Weg. Und diese Entwicklung wird nicht auf Großbritannien begrenzt sein. Nationalistische Kräfte werden überall auf der Welt stärker.

Das „Goldene Zeitalter“ der Globalisierung

Thatchers Generation populistischer Politiker verwarf das „keynesianische“ Modell vom „Big State“, dass seit dem Zweiten Weltkrieg dominiert hatte. Sie ersetzten es anfangs durch die Austeritätspolitik (um die Macht der Gewerkschaften zu brechen und die Inflation zu besiegen). Aber in jeder Demokratie hat die Austeritätspolitik nur eine sehr kurze Haltbarkeitsdauer. Daher musst du einen Weg finden, deine Wähler davon zu überzeugen, dass sie eigentlich gar nicht wirklich zu leiden haben (deshalb schützt du die Menschen, die dich gewählt haben) oder dass die guten Zeiten jetzt aber wirklich jeden Moment zurückkehren werden.

Thatchers Generation – oder vielleicht ist es richtiger, sie „Reagans Generation“ zu nennen, schließlich fußte sie auf einer aus den USA kommenden ökonomischen Denkweise – versprach, dass die Globalisierung Wohlstand für alle bringen würde. Man könnte sagen, dass sie das „Big State“-Modell durch ein „Big World“-Modell ersetzt hat. Freihandel, Personenfreizügigkeit, Kapitalverkehrsfreiheit: Das waren die Säulen, auf denen das neue Goldene Zeitalter gebaut werden würde.

Und es war tatsächlich für viele Menschen golden. Branko Milanovic hat aufgezeigt, wie die aufsteigende asiatische Mittelschicht von der Globalisierung profitiert hat (genau wie die obersten 1%, die eigentlich immer von allem profitieren). Während der letzten drei Jahrzehnte sind mehr Menschen aus der Armut aufgestiegen als jemals zuvor.

Aber die westlichen Mittelschichten haben keine Vorteile für sich gesehen. Für sie hat die Globalisierung Stagnation und Niedergang gebracht, da ihre Jobs ins Ausland verlagert wurden und ihre Gehälter in Richtung des globalen Durchschnitts fielen. Es stellte sich heraus, dass ihr Wohlstand eine Illusion war, aufgebaut auf einer substanzlosen Schuldenblase. Die Versprechungen aus den Reagan-Jahren erwiesen sich als Lüge. Und die Menschen sind wütend. Die Globalisierung hat versagt – jetzt ist es an der Zeit, „wieder die Kontrolle zu übernehmen“.

Wie immer bei langfristigen Paradigmenwechseln haben nur wenige Menschen diese Entwicklung kommen sehen. Wir sind kurzlebige Kreaturen, und wir sehen nur unseren eigenen kleinen Teil im Netz der Zeit. Und genau wie beim Paradigmenwechsel der 80er Jahre wurden auch dieses Mal die ökonomischen Theorien der Vergangenheit zugunsten etwas Neuen und Unerprobten verworfen. Daher stehen jetzt die ökonomischen Mainstream-Theorien der letzten 30 Jahre unter Beschuss. Sie werden nicht nur von Leuten attackiert, die sie reformieren wollen, sondern auch solchen, die sie komplett ablehnen. „Ich denke, dass dieses Land von „Experten“ die Nase voll hat“, sagte der Brexit-Befürworter Michael Gove im Wahlkampf.

Die Ablehnung von „Experten“ ist ein wichtiges Feature populistischer Politik

Die Ablehnung von „Experten“ ist ein wichtiges Feature populistischer Politik. Aber anders als in den 80er Jahren, als populistische Politiker die Werke von Milton Friedman und Friedrich Hayek als Alternative zu Keynes anführten, gibt es dieses Mal kaum Ersatz. Nur sehr wenige Ökonomen, weder aus dem Mainstream noch aus dem heterodoxen Spektrum, würden die Wiedereinführungen allgemeiner Kapital- und Wechselkurskontrollen, tarifärer und nicht-tarifärer Handelshemmnisse und signifikante Restriktionen der Personenfreizügigkeit unterstützen – ganz zu schweigen von den unfairen und verzerrten Ablegern, die die neuen Nationalisten wollen („Wir erwarten, dass wir zollfrei zu dir exportieren können, aber wir werden Zölle auf deine Importe erheben“; „Wir können in deinem Land leben und arbeiten, aber du kannst nicht in unserem Land leben und arbeiten“; „Wenn wir unsere Währung abwerten ist das Geldpolitik, aber wenn du das gleiche tust bist du ein Währungsmanipulator“).

Selbst wenn jetzt nach sechs langen Jahren schmerzhafter Selbstfindung Mainstream- und heterodoxe Ökonomen in vielen Bereichen die gleiche Sprache sprechen – die Leute hören ihnen nicht mehr zu. Populistische Politiker verspotten „Experten“ und verfolgen eine spalterische Politik, um geschützte Gruppen von Wählern anzusprechen.

Die schreckliche Lektion der Geschichte

Historisch gesehen hat ein wiederaufflammender Nationalismus immer zu Krieg geführt. Ich sehe keinen Grund, warum es dieses Mal anders kommen sollte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben wir uns alle vor Schreck verrückt gemacht: Das Andenken von Hiroshima hat für einen unruhigen Frieden auf der Welt gesorgt (auch wenn dieser sehr oft auf regionaler Ebene gebrochen wurde). Aber wenn jetzt diese Erinnerung verblasst und alte völkische Loyalitäten wieder erstarken, tritt die Welt in eine neue und gefährliche Phase ein.

Es ist ein schmaler Grat zwischen Nationalismus und Imperialismus, und an irgendeinem Punkt wird jemand diese Linie überschreiten. Ich weiß nicht, wer dies sein oder wo es geschehen wird. Aber wenn es geschieht, wird es Krieg geben.

 

Zur Autorin:

Frances Coppola arbeitete 17 Jahre lang als Analystin und Projektmanagerin für verschiedene Banken. Mittlerweile ist sie eine renommierte Kolumnistin in zahlreichen internationalen Zeitungen, darunter die Financial Times und der Economist. Außerdem bloggt sie auf Coppola Comment, wo dieser Beitrag zuerst in englischer Sprache erschienen ist.