Sozialstaat

Die absurde Rentendebatte der Jungen Union dreht sich um 0,2% des BIP

Die Junge Union droht wegen der Rentenpolitik die Koalition aufzukündigen. Aber betrachtet man die Zahlen im Verhältnis zur künftigen Wirtschaftsleistung, schrumpft der vermeintliche „Rentenschock“ zu einem politischen Phantom. Ein Beitrag von André Kühnlenz.

Bild: Pixabay

Die aktuelle politische (Phantom-)Debatte in Deutschland dreht sich um folgendes: Die Junge Union möchte wegen 0,2% des BIP notfalls die Koalition platzen lassen. Noch absurder: Die kolportierten rund 120 Milliarden an Mehrkosten zwischen den zwei Projektionen des Rentenniveaus ab 2032 bis 2040 haben gar keine Relevanz.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat erst vergangene Woche die Projektionen vorgelegt, wonach die Mütterrente III und die bisherige Haltelinie von 48% bis 2031 zu Mehrkosten von 18,6 Milliarden im Jahr 2040 führen werden (vgl. Grafik unten). Das gilt dann, wenn Deutschland nicht zum Rentenniveau zurückkehrt, das es ohne die Haltelinie gegeben hätte – was die populistische Forderung der Jungen Union ausmacht.

Die 18,6 Milliarden würden im Jahr 2040 0,3% des Bruttoinlandprodukts von rund 7.000 Milliarden Euro entsprechen, wenn bis dahin das die Wirtschaft im Schnitt real um 1% pro Jahr wächst und sich die Inflation im Schnitt bei 2% pro Jahr einpendelt. Lässt man die Mütterrente außen vor, so wie es die Junge Union tut, sind es sogar nur 0,2%. Das ist die einzig relevante Zahl.

Die Summe über all die Jahre ist hingegen irrelevant – und zweitens deutlich höher, als die 120 Milliarden, von denen die Junge Union ausgeht. Von 2027 bis 2040 sind es tatsächlich 203 Milliarden, und interessanter für die Junge Union: ab 2032 sind es allein 158 Milliarden, wie die Zahlen der Rentenversicherung zeigen (42 Milliarden sind für die Mütterrente, daher die rund 120 Milliarden). Eigentlich müsste die JU wegen dieser Zahl aus dem Fenster springen; macht sie natürlich nicht, weil auch sie in Wahrheit weiß, was für eine Phantomdebatte sie da führt.

Um wie viel werden nun die Bundesmittel bis 2040 steigen? Die Mittel setzen sich in diesem Jahr aus 93 Milliarden an Zuschüssen und 30 Milliarden an weiteren Mitteln zusammen. Allein für die Zuschüsse erwartet die Rentenversicherung einen Zuwachs um 73% auf 161 Milliarden bis 2040. Aber keine Panik: Auch diese Zahlen müssen im Verhältnis zum BIP betrachtet werden. Würden die weiteren Mittel ebenfalls um 73% wachsen, stiegen die Bundesmittel also von 123 Milliarden im Jahr 2025 auf 213 Milliarden im Jahr 2040. Im Verhältnis zum BIP würde dies bedeuten:  Von 2,76% im Jahr 2025 (eine der niedrigsten BIP-Quoten seit Ende der 90er Jahre – dank der jüngsten Inflation, die auch 2026 konstant bleibt) – auf 3,04% im Jahr 2040. Sollten die sonstigen Mittel bei 30 Milliarden verbleiben, würde die Quote bei 2,73% stagnieren.

Relevanter ist, wie man den Anstieg der Rentenbeträge von 18,6 auf 21,2% und das Absinken des Rentenniveaus auf 46,3% bis 2040 verhindert. Dafür ist aber tatsächlich noch Zeit. Allein die jüngste Projektion des Sachverständigenrats im Jahresgutachten 2023/24 hat eindrucksvoll bewiesen (vgl. Grafik oben) wie man sich gleich im ersten Jahr der Berechnungen um 0,4% des BIP verhauen kann. Vielleicht sollte man da nicht schon im Jahr 2025 um 0,3% des BIP im Jahr 2040 feilschen.

Hinzu kommt ein technischer Aspekt, der am Dienstag in der Talkshow von Markus Lanz deutlich wurde. Am Ende musste sogar Hans-Werner Sinn der Aussage von Karl Lauterbach zustimmen: Das Vorhaben der Jungen Union, das Rentenniveau nach 2032 mit einem Schlag um einen Prozentpunkt zu senken, würde tatsächlich zu nominal sinkenden Rentenauszahlungen führen – was gesetzlich ausgeschlossen ist. Rein hypothetisch könnte man sich einen sanften Übergang zum neuen Rentenniveau vorstellen: Doch das würde vermutlich auch nur zu dem Verlauf (vgl. Grafik oben) führen, wie er jetzt im Gesetzentwurf steht. Vielleicht gäbe es noch kosmetische Verhandlungsmasse ab 2038, damit die Junge Union nicht ihr Gesicht verliert. Das Theater ist es jedoch nicht wert.

 

Zum Autor:

André Kühnlenz ist Redakteur bei der Finanz und Wirtschaft. Außerdem bloggt er auf weitwinkelsubjektiv.com, wo dieser Beitrag zuerst erschienen ist. Auf Bluesky: @keinewunder.de