Fremde Federn

Covid-Impfung, De-Urbanisierung, weibliche Rezession

Diese Woche unter anderem in den Fremden Federn: Wie sich ein fortlaufender Trend zum Home Office auf die gesellschaftlichen Strukturen auswirken könnte, was sich durch Corona über die Handlungsschwäche der USA erkennen lässt und warum sich in Belarus das Schicksal Putins abzeichnen könnte.

Foto: Jojo Bombardo via Flickr (CC BY-ND 2.0)

In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.

Drei Szenarien zu den langfristigen Auswirkungen des coronabedingten Arbeitens von zu Hause

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Ole Wintermann

Es deutet sich inzwischen an, dass die veränderte Art und Weise des Arbeitens, das der Maxime „du lebst, wo du arbeitest“ folgt, durch Corona auf Dauer erodieren könnte. Das Einsparen teurer Büro-Mieten in den Zentren großer Städte und die Vermeidung hoher Lebenshaltungskosten dieser Städte sind sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber Argumente, über dauerhaftes mobiles Arbeiten nachzudenken. Das Internet erlaubt zum ersten Mal die Trennung von Arbeits- und Lebensmittelpunkt:

„Now, with the pandemic shuttering the face-to-face economy, it seems poised to weaken the spatial relationship between work and home.“

Der Autor des Textes sieht drei mögliche Szenarien, wie sich die Art des Arbeitens langfristig verändern könnte. Im ersten Szenario bleibt der Trend zum Arbeiten von zu Hause beständig erhalten. Da hiermit weniger Pendeln und Dienstreisen verbunden sind, ist ein dauerhafter Rückgang der Dienstleistungsangebote zu erwarten, die diese Art der Mobilität bisher immer begleitet haben, wie z. B. das Restaurant in der Innenstadt für Büroarbeiter oder Hotels in Messestädten. Die Beschäftigung im Dienstleistungssektor in ländlichen Regionen könnte davon eher profitieren:

„What the e-commerce revolution did for physical stores, the telepresence revolution could do for office-adjacent employment: put downward pressure on the laborers who serve white-collar workers when they leave the house.“

Das zweite Szenario sieht es eher auf die psychologischen Begleitumstände des Arbeitens von zu Hause ab. Mitarbeiter werden nur noch virtuell wahrgenommen, der innere Abstand zum Büro, den Kollegen und dem Arbeitgeber wird größer, denn:

„Working from home, our connection to the office weakens, and our connection to the world outside the office expands.“

Dies bedingt aber auch eine – relativ gesehen – stärkere Bindung zu externen Geschäftspartnern, da Ex- und Interne “gleich weit entfernt” sind. Das Gefühl der neuen Unabhängigkeit und damit größeren Freiheit könnte dazu führen, dass Beschäftigte beginnen, zunehmend hybrid zu arbeiten. Anweisungen der Arbeitgeber, wieder verstärkt im Büro anwesend zu sein, könnten so als Einschränkung der neu gewonnenen Selbständigkeit verstanden werden.

Der dritte Trend ist sehr US-spezifisch und nimmt die Auswirkungen all dieser Entwicklungen auf die Verteilung der Wählerschaften von Demokraten und Republikanern in den Fokus. Die demokratischen Wählermehrheiten in den großen Agglomerationen wandern – nun durch mobiles Arbeiten verstärkt – in die ländlichen und preiswerteren republikanischen Regionen ab. Diese waren schon bisher meist durch eine relativ kleine Mehrheit republikanischer Wähler gekennzeichnet, so dass es hiermit zu einer dauerhaften strukturellen Mehrheitsfähigkeit der Demokraten in den USA kommen könnte.

Diese Szenarien könnten sicher in weiten Teilen auch auf Deutschland übertragen werden. Vielleicht löst sich das soziale Problem zu hoher Mieten in großen deutschen Städten anders und unvermittelter, als wir immer gehofft hatten.

Eine Übersicht über 150 Covid-19-Impfstoffe in Entwicklung

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Hristio Boytchev

Ständig hören wir von neuen Entwicklungen verschiedener Impfstoff-Kandidaten gegen Covid-19. Da wird es schnell verwirrend. Gut, dass dieser ständig aktualisierte Artikel einen umfassenden Überblick über den Stand der verschiedenen Ansätze bietet, samt einer Erläuterung über die verschiedenen Phasen, die durchlaufen werden müssen.

Bedeutet Corona das Ende des amerikanischen Imperiums?

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Rico Grimm

Einer dieser Texte, die man nicht einfach beiseite wischen, vermutlich auch nicht so schnell vergessen kann. Das zeigen allein die Zugriffs- und Teilzahlen. Nur auf Facebook 270.000 Kommentare dazu und 220.000 mal geteilt.

Der Anthropologe Wade Davis zeichnet darin die großen Linien der Geschichte: von einer Nation, die im Zweiten Weltkrieg in einer Fabrik mehr Panzer herstellen konnte als ganz Nazi-Deutschland, die unter ihrer Führung Krankheiten wie Polio und Mumps de facto ausgerottet hat – und die es heute nicht einmal im Ansatz schafft, der Corona-Pandemie Herr zu werden. Für den Autor ist Corona das endgültige Symbol dafür, dass das amerikanische Zeitalter endet:

COVID-19 didn’t lay America low; it simply revealed what had long been forsaken. As the crisis unfolded, with another American dying every minute of every day, a country that once turned out fighter planes by the hour could not manage to produce the paper masks or cotton swabs essential for tracking the disease.

Ich vermute, dass der Text so heftig diskutiert wird (in den USA), weil Davis sich nicht scheut, eine klare Ursache zu benennen: „Der amerikanische Kult des Individuums verleugnet nicht nur die Gemeinschaft, sondern die Idee der Gesellschaft an sich. Niemand schuldet jemandem etwas. Alle müssen bereit sein, für alles zu kämpfen: Bildung, Unterkunft, Nahrung, medizinische Versorgung.“

Ob er damit Recht hat? Aus der Ferne, als Europäer mit unseren vergleichsweise starken Sozialstaaten, würde ich sagen: ja. Aber solche Schlüsse können sich auch schnell als wohlfeil erweisen. Klar ist aber, dass die USA nun mit ihren großen strukturellen Defiziten konfrontiert werden, vielleicht ähnlich wie die EU in der Eurokrise, und sich nun ändern müssen. In welche Richtung? Das wird die zentrale Debatte des nächsten Jahrzehnts.

Flaring: Milliarden Kubikmeter Gas werden sinnlos verbrannt – und die Klimakrise weiter befeuert

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Daniela Becker

Orange flackernde kleine Punkte leuchten auf allen Kontinenten, in Nordafrika, auf der Arabischen Halbinsel, in Sibirien, Indonesien, Kanada, den USA. So sieht die Welt auf der Karte des Online-Projekts Skytruth aus. Tausende kleine Brände zeigen die Satellitenaufnahmen. Es sind jedoch keine natürlichen Brände, sondern es handelt sich um „Flaring“: Ölfirmen fackeln bei der Förderung große Mengen Gas ab, weil sich der Verkauf nicht lohnt.

Ich möchte diesen Text dringend jedem ans Herz legen, weil er deutlich macht, warum Erdgas, das im Moment häufig als die umweltfreundlichere Alternative zu Kohle beschrieben wird, dies keineswegs ist.

Mit dem Fracking-Boom in den USA hat das klimaschädliche Flaring neue Höchststände erreicht. Zwei Regionen stechen auf der Skytruth-Karte besonders heraus: Die Bakken-Formation in North Dakota und das Permbecken in Texas. Es sind zwei der ertragreichsten Öl-und Gasfelder in den Vereinigten Staaten. Das Permbecken, das etwa doppelt so groß wie Österreich ist, soll nach dem Ghawar-Feld in Saudi-Arabien gar das zweitwertvollste Ölvorkommen der Erde sein.

Die Weltbank, die eine Initiative anführt, um Flaring bis 2030 komplett zu beenden, musste kürzlich einen herben Rückschlag verkünden: Das weltweite Flaring sei zwischen 2018 und 2019 sprunghaft angestiegen, „auf Werte wie man sie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen hat“.

Derzeit werden weltweit 150 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr abgefackelt, das entspricht dem kompletten Verbrauch Afrikas südlich der Sahara. Der Anstieg beim Flaring geht laut Weltbank maßgeblich auf drei Länder zurück: Venezuela (+ 16 Prozent), Russland ( +9 Prozent) sowie die USA mit einem Plus von 23 Prozent innerhalb eines Jahres.

Im Permbecken hat sich die Flaring-Aktivität seit 2012 vervierfacht. Zudem entweichen aus der Region jedes Jahr 2,7 Millionen Tonnen Methan. Das massive Methanleck deutet auf eine mit dem Flaring verwandte Praxis hin: das sogenannte Venting, „Entgasen“. Oft brennen die Flaring-Anlagen nicht sowie geplant oder das Gas strömt unbemerkt bei der Förderung aus. Statt zu CO2 zu reagieren, entweicht so Erdgas in Form von Methan direkt in die Atmosphäre. Das belastet das Klima noch stärker, da der Treibhauseffekt von Methan erheblich größer ist als der von Kohlendioxid.

Die EU könnte Druck ausüben, um die Lecks zu schließen. Immerhin ist die EU der weltweit größte Verbraucher von Erdgas. Derzeit arbeitet die EU-Kommission an einer Strategie, um die Methan-Emissionen zu begrenzen. Allerdings sieht der Entwurf nach Angaben von Insidern vor allem vor, die Gasproduktion innerhalb der EU umweltfreundlicher zu machen. Für importiertes Erdgas sind bislang keine verbindlichen Standards vorgesehen, etwa was Verluste durch Flaring betrifft.

Gleichzeitig müsste die EU dringend beginnen, vor der eigenen Haustür aufzuräumen. Geochemiker des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Geomar entdeckten kürzlich auf einer Forschungsreise in der Nordsee, dass aus alten, bereits ausgebeuteten Bohrlöchern am Meeresgrund noch immer Tausende Tonnen Methan pro Jahr austreten. Von den 43 stillgelegten Bohrlöchern, die die Wissenschaftler untersuchten, konnten sie bei 28 Gasaustritte nachweisen.

Allein aus den 1.800 stillgelegten britischen Bohrlöchern dürften bis zu 3.700 Tonnen Methan im Jahr austreten – insgesamt gibt es in der Nordsee 15.000 solcher Löcher. Die Forscher empfehlen eine bessere Überwachung alter Bohrlöcher, um Lecks zu entdecken und zu verschließen.

[Text liegt hinter der SZ-Bezahlschranke oder lässt sich über Blendle kaufen.]

Wissenschaftliche Kommunikation zum Klimawandel: Was wir aus der Corona-Pandemie lernen können

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Ole Wintermann

Anfängliche Fehler in der politischen Kommunikation über die altersspezifische Gefährlichkeit des Corona-Virus zeigen, in welcher Weise die Diskussion über den Klimawandel weiterentwickelt werden sollte, um eine gesteigerte Effizienz in der politischen Vermittlung dieser globalen Herausforderung zu erreichen.

Die WHO hatte zu Beginn der Pandemie auf die Gefährlichkeit des Virus vor allem für ältere Menschen hingewiesen. Diese Botschaft führte zu einer sehr selektiven Wahrnehmung der Bedrohungslage – insbesondere durch jüngere Menschen. Die Folgen dieser Fehlwahrnehmung erleben wir zur Zeit am sinkenden Alter der durch Corona infizierten Menschen. Ursache dafür ist das sogenannte “psychophysical numbing”, das dazu führt, dass folgende empirische Studien, die die erste Aussage in Zweifel ziehen, nicht mehr wahrgenommen werden. Hinzu kommt der “confirmation bias”, oder einfacher: Das was nicht ins eigene Weltbild passt, wird nicht wahrgenommen. Folge: Jüngere Menschen fühlen sich bis heute weniger betroffen und missachten überproportional die Abstandsgebote, so dass in der Folge deren Anteil an allen Erkrankten stetig gestiegen ist.

Für die Kommunikation zum Klimawandel bedeutet dies, dass vor allem auch räumliche oder zeitliche Verzerrungen vermieden werden müssen. Bilder von bedrohten Eisbären erwecken den Anschein, dass der Klimawandel ein Problem der Arktis sei. Hinweise auf die später folgenden negativen Auswirkungen auf die heutigen Kinder erwecken den Eindruck, der Klimawandel hätte noch nicht begonnen. Kommunikation zur Klimaveränderung muss daher daraus lernen und die direkte eigene räumliche und zeitliche Betroffenheit in den Vordergrund stellen:

„We need a clear message as to why climate change is bad for individuals in their own lives in the here and now (establishing an appropriate affect heuristic).“

Confirmation bias muss schließlich dadurch vermieden werden, dass nicht mehr die angeblich “zwei Seiten” der Klimawissenschaft dargestellt werden, damit sich Menschen nicht selektiv immer die Klimaskeptiker-Seite als bequemere Option heraussuchen.

Warum Radfahren auch gut für die Wirtschaft ist

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Alexandra Endres

Wer nicht mit dem Auto in der Stadt unterwegs ist, sondern zu Fuß, im öffentlichen Nahverkehr oder per Rad, der gibt deutlich mehr Geld im lokalen Einzelhandel aus. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag von Transport for London, durchgeführt von Matthew Carmona von der School of Planning des University College London.

Es ist nur eine einzelne Studie, beauftragt zudem von einem ÖPNV-Betreiber, aber das Ergebnis scheint so naheliegend wie einleuchtend: Wer auf seinen täglichen Wegen an Läden vorbeikommt, kauft dort ein. Wer mit dem Auto von Tür zu Tür fährt, bestellt eher im Internet.

Für die Konjunkturpakete nach (und während) der Pandemie bedeutet das: Liebe Politiker*innen und Städteplaner*innen, baut Radwege, Fußwege, und fördert Bus und Bahn. Denn damit helft Ihr zugleich auch einem wesentlichen Teil der Wirtschaft, zu überleben und sich zu erholen – von der Klimawirkung einmal ganz abgesehen.

Die Stadt London scheint die Botschaft gehört zu haben:

London’s Walking and Cycling Commissioner Will Norman said: “With businesses across London really struggling to survive, we have to do everything we can to support them.

Corona und die weibliche Rezession

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Emily Schultheis

Das Coronavirus hat tiefgreifende Folgen für Länder überall auf der Welt: Wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch. Aber davon am stärksten betroffen sind Frauen, die oft gleichzeitig arbeiten und in überdurchschnittlichem Maß die Verantwortung für Kindererziehung tragen.

Diese Geschichte erklärt, wie die Pandemie Frauen in den USA langfristig schaden könnte — und wie die Politik bis jetzt nicht genug getan hat, um das zu vermeiden. Ausgehend von den Erfahrungen von vier Frauen — eine Beraterin und Mutter von zwei Kindern, die ihren Traumjob wegen der Pandemie absagen musste; eine Migrantin aus Kuba, die zwei Mal ihren Job verlor und mit dem Virus infiziert wurde; die Chefin einer Kindertagesstätte, für die die Zukunftsaussichten nur schwer vorherzusehen sind; und eine Anwältin, die ihr Büro schließen musste — zeigt die Geschichte, mit welchen Herausforderungen Frauen in den letzten Monaten konfrontiert wurden.

For the first time since they began a consistent upward climb in the labor force in the 1970s, women are now suffering the repercussions of a system that still treats them unequally. Men are still the primary breadwinners. Women are still the primary low-income workers, the ones whose jobs disappeared when coronavirus spread. Mothers in 2020’s pandemic have reduced their work hours four to five times more than fathers to care for children in a nation that hasn’t created a strong caregiving foundation. When the economy crumbled, women fell — hard.

Veröffentlicht wurde diese Geschichte von The 19th, einem neuen Online-Medium, das ganz allgemein sehr lesenswert ist: Die Schwerpunkte liegen auf den Themen Frauen, Politik und Frauen in der Politik, die in diesen Zeiten besonders wichtig sind.

Belarus und Russland: Nimmt Lukaschenkos Gegenwart Putins Zukunft vorweg?

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Ulrich Krökel

Volatil wäre wohl das verharmlosende Fachwort, um die aktuelle Lage in Belarus zu beschreiben. Schwankend. Schnell wandelbar. Im Grunde: revolutionär. Da fällt es nicht ganz leicht, eine Lese-/Hörempehlung zu geben, die sich nicht morgen schon wieder erledigt hat. Dennoch muss das Thema Belarus hier im Kanal weiter stattfinden, habe ich mir gedacht, und deshalb auf dekoder.org zurückgegriffen. Zumal das Portal, das wichtige russische Texte in deutscher Übersetzung zugänglich macht und dabei nicht der Tagesaktualität hinterherhechelt, eine permanente Leseempfehlung wert ist. Der Dienst ist einfach großartig!

Zu Belarus hatte dekoder vergangene Woche einiges im Angebot. Mich selbst haben besonders Stimmen von Regimekritikern aus Russland angefixt. Darin schwingt vor allem die Frage mit, inwieweit die aktuellen Ereignisse in Belarus auf den großen Nachbarn im Osten ausstrahlen: Scheint in Minsk 2020 bereits das Moskau des Jahres 2024 auf? In vier Jahren nämlich stehen in Russland die nächsten Präsidentschaftswahlen an. Und auch wenn Amtsinhaber Wladimir Putin sich erst kürzlich in einem Verfassungsreferendum die Möglichkeit gesichert hat, wieder zu kandidieren, so wirkt seine Zukunft angesichts von Diktator Lukaschenkos belarussischem Offenbarungseid plötzlich viel weniger sicher als noch vor einer Woche.

In Belarus schreiben sie gerade das vorletzte Kapitel des postsowjetischen Zeitalters. Das letzte wird in Moskau geschrieben werden.

Das prophezeit zum Beispiel der russische Publizist Konstantin Eggert, dessen knapper Kommentar sich in der Stimmenauswahl bei dekoder ebenso findet wie die Einschätzung der Politikwissenschaftlerin Jekaterina Schulmann:

Übrigens, man hört gar nichts davon, dass eine hohe Wahlbeteiligung die unehrlichen Wahlen ja nur legitimiert. [Nach offiziellen Angaben haben sich in Belarus rund 84 Prozent der Stimmberechtigten an der Wahl beteiligt – U.K.] Und warum ist das für uns [in Russland] so wichtig? Weil das belarussische 2020 unser 2024 ist.

Ich empfehle also das Stöbern bei dekoder und vor allem: Dranbleiben an Belarus!

Der US-Wahlkampf wird schmutzig. Bedrohlich sind für Donald Trump neue Gegner aus der eigenen Partei

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Hauke Friederichs

Die heiße Phase des Präsidenten-Wahlkampfs würde in den Vereinigten Staaten laut und schmutzig werden, das war schon vor dem Beginn klar. Überraschend allerdings ist, wo die lautesten und wohl auch gefährlichsten Stimmen gegen Donald Trump herkommen: aus dem eigenen republikanischen Lager.

Dafür sind Gruppen wie die „Republican Veterans against Trump“, das „Lincoln Project“ oder „Republican Voters Against Trump“ verantwortlich. Diese parteiinternen Präsidentengegner kämpfen nicht für Joe Biden von den Demokraten, dafür aber mit Verve gegen den Amtsinhaber. Ihr Credo lautet: um die republikanische Partei, ja um die Vereinigten Staaten zu retten, müsse Trump weg.

Viele der organisierten Trump-Gegner arbeiten in den sozialen Netzwerken, einige Organisationen haben aber auch genug Mittel, um Wahlkampfspots im amerikanische Fernsehen zu buchen. Ihr Geld kommt unter anderem von bekannten Hedge-Fonds-Milliardären. Mit diesen Kapitalgegnern und erfahrenen Kommunikationsexperten erreichen die Kampagnen große Aufmerksamkeit. Und so stößt man auf zahlreiche Kurzfilme, in denen der Präsident viel härter attackiert wird als von den Demokraten. Nina Rehfeld stellt in der FAZ einige der medialen Attacken auf den Präsidenten vor.

Da gibt es das grobkörnige Smartphone-Video eines ehemaligen Trump-Wählers. Er steht mit nacktem Oberkörper und Zigarette in der Hand vor der Kamera. Der Mann verkündet, er werde im November lieber für eine Tomatendose als für Trump stimmen, „weil die weniger Unheil anrichten kann“.

Außerdem läuft ein mit englischen Untertiteln versehener Spot einer konservativen Gruppe, in dem sich ein angeblicher Russe beim „Kameraden Trump“ für „Treue und Freundschaft“ bedankt. Und dann ist da ein dramatisch geschnittenes Video, in dem ein Dutzend konservativer Militär-Veteranen ihrem Oberbefehlshaber Trump zahllose Lügen und sogar Verrat vorhalten. Ein Vorwurf: „Dieses Land ist ihm egal.“

Allein das „Lincoln Projekt“ vereint eine beeindruckende Zahl schlagkräftiger Trump-Gegner – von denen viele den Bushs gedient haben oder hinter den Kampagnen und hinter der Politik anderer prominenter Republikaner standen und stehen: Darunter George Conway, Ehemann der einflussreichen Trump-Beraterin Kellyanne Conway, außerdem Steve Schmidt, der John McCain nah stand, und Rick Wilson, der mit seinen politischen Werbespots für Rudy Giuliani bekannt wurde.

Die Gründer des „Lincoln Projects“ beschrieben ihre Mission in der New York Times: „Patriotismus und das Überleben unserer Nation sind angesichts der Verbrechen, der Korruption und des zersetzenden Wesens von Donald Trump ein höheres Anliegen als bloße Politik.“

Die Schärfe des Tons unter den republikanischen Trump-Gegnern überrascht nicht: Es sind Polit-Haudegen am Werk, die ihr oft schmutziges Handwerk, die Kunst der Demontage, unter dem ehemaligen Parteistrategen Karl Rove und unter dem Politik-Berater Lee Atwater, berüchtigt für das Verbreiten rufschädigender Gerüchte, lernten. Sie wissen nur zu gut, dass sie dem Präsidenten lediglich einige wenige Prozent der Stimmen in einigen wenigen entscheidenden Staaten abnehmen müssen, um ihn aus dem Weißen Haus zu vertreiben.

Und dabei setzen sie auf die Mithilfe ihres Feindes, auf Donald Trump selbst und dessen fehlende Selbstbeherrschung. Sie provozieren ihn permanent – und das anscheinend mit Erfolg: So fühlte sich Trump offenbar von einem Spot des „Lincoln Project“, der seine Gesundheit in Zweifel zog und ihn bei einem Auftritt vor Soldaten zitternd und unsicher eine Rampe hinauf gehend zeigte, so herausgefordert, dass er bei einem Wahlkampftermin in Tulsa zu einer fünfzehnminütigen Rechtfertigung ansetzte.

„Die Tatsache, dass wir seine mentale Fragilität und seine Fernsehsucht nutzen können, um ihn zu manipulieren, dient der Kampagne insofern, als wir ihn unterbrechen, verwirren und desorientieren“, erklärte Rick Wilson der Washington Post.

Solche Gegner muss selbst Donald Trump fürchten, der ebenfalls völlig skrupellos seine politischen Rivalen attackiert. Aber ihm dürften viele Wähler mittlerweile durchaus weniger glauben als den Veteranen aus dem Militär und aus der Republikanischen Partei, die öffentlich Anklage erheben gegen diesen Präsidenten.

Das Ende des Alterns scheint in greifbare Nähe zu rücken – und könnte ein Milliardengeschäft werden

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1E9 Magazin

Start-ups und Forschungseinrichtungen auf der ganzen Welt, vor allem aber im Silicon Valley, arbeiten daran, das menschliche Altern zu einer heilbaren Krankheit zu machen. Das Altern soll sich sogar umkehren lassen. Das klingt wie Science Fiction, tatsächlich gab es aber bereits wissenschaftliche Experimente, die das nicht abwegig erscheinen lassen. Mit einem Mix aus zwei Medikamenten gegen Diabetes und einem Wachstumshormon konnte das biologische Alter mehrerer Männer innerhalb eines Jahres um zweieinhalb Jahre gesenkt werden. Mit Gentherapien konnte das Leben von Mäusen um 30 Prozent verlängert werden.

Zu denjenigen, die davon ausgehen, dass erste Verjüngungs- oder Rejuvenation-Therapien bereits in diesem Jahrzehnt auf den Markt kommen könnten, gehört Michael Greve. Er ist ein Internetpionier. Mitte der 1990er-Jahre gründete er mit seinem Bruder Web.de, machte damit und mit anderen erfolgreichen Firmen ein Vermögen – und investiert das nun in Start-ups, die das Altern bekämpfen wollen, sowie in seine gemeinnützige Forever Healthy Foundation.

Wird 70 das neue 30?

Im Interview mit 1E9 erklärt Michael Greve, was er heute schon tut, um so wenig wie möglich zu altern. Dazu gehören Sport, Yoga, gesunde Ernährung, aber auch einige bereits erhältliche Präparate, denen zugesagt wird, dass sie gut zur Vorbeugung von altersbedingten Gebrechen sind. Greve sagt dazu:

Keiner weiß genau, wie viel Gesundheit diese Wirkstoffe bei Menschen wirklich erzeugen, das wird gerade erforscht. Aber ich möchte mich nicht in fünf Jahren, wenn die Wirkung dann bestätigt ist, ärgern, weil ich die Zeit nicht genutzt habe. Deswegen nehme die Stoffe schon jetzt.

Forever Healthy sammelt alles, was es bisher an Studien und Forschung zu bestehenden Wirkstoffen gibt, bewertet dieses Wissen und bereitet es so auf, dass es auch für Nicht-Fachleute verständlich ist. Zusätzlich unterstützt Greve Start-ups, die an neuen Krebstherapien arbeiten oder an Methoden, um Herzinfarkte und Schlaganfälle zu verhindern oder Zellen verjüngen zu können. Sein Ziel sei aber nicht Unsterblichkeit.

Wir wissen nicht, um wie lange man das Leben tatsächlich verlängern kann. Was ich aber eine schöne Vorstellung finde, wäre, wenn Menschen mit 70 noch genau so fit sind wie mit 30 – nur eben mit 40 Jahren mehr an Lebenserfahrung. Wir reden also nicht über Hunderte von Jahren, wir reden nicht von Unsterblichkeit. Denn selbst wenn wir nicht 150 werden, aber dafür alle 80 oder 90 Jahre bei bester Gesundheit leben können, ohne altersbedingte Krankheiten, dann hätten wir doch schon viel gewonnen.

Die größte Industrie aller Zeiten?

Und auch finanziell ließe sich aus seiner Sicht viel gewinnen, wenn die Therapien erfolgreich sind.

Der Unternehmer in mir ist sich außerdem absolut sicher, dass das die größte Industrie aller Zeiten wird. Denn was sollte den Menschen mehr Wert sein, als nie wieder Angst vor Herzinfarkten, Schlaganfällen, Krebs oder Alzheimer haben zu müssen? Gerade ist das wertvollste Unternehmen der Welt eines, das Telefone verkauft. Aber was ist ein Telefon gegen die Gewissheit, lange jung und fit zu bleiben?