Fremde Federn

CO2-Preis, Schuldenphobie, INSM

Diese Woche unter anderem in den Fremden Federn: Warum die Deutschen nicht mit Schulden umgehen können, wieso Jeff Bezos weniger als 1% Steuern zahlt und wie Deutschland in einen Schlammschlacht-Wahlkampf nach US-Vorbild abdriftet.

Foto: Jojo Bombardo via Flickr (CC BY-ND 2.0)

In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.

Ölmultis sind unter Druck. Gut für die Ölstaaten. Und fürs Klima?

piqer:
Alexandra Endres

ExxonMobil, Shell, Chevron und andere: Das althergebrachte Geschäft der Ölkonzerne schrumpft. Die Unternehmen sollen ihren Treibhausgasausstoß senken, sie müssen Schulden zurückzahlen, und zugleich brauchen sie Geld, um in neue, möglichst klimafreundliche Geschäftsfelder zu investieren.

Am 26. Mai wurde Shell von einem Gericht in Den Haag dazu verurteilt, seine CO2-Emissionen bis 2030 um 45 Prozent zu senken. Die Aktionär*innen von ExxonMobil wählten zwei klimafreundliche Vorstandsmitglieder, und die Investoren von Chevron verpflichteten ihren Konzern ebenfalls auf mehr Klimaschutz.

Wie sehr hilft das dem Klima? So ganz klar ist das noch nicht. Denn es gibt da ja noch die staatlichen Ölfirmen. In der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) sagt Roger Cox, der Anwalt, der vor dem Den Haager Gericht gegen Shell gewann:

Dieses Urteil verändert die Welt fundamental. Grosse Unternehmen können nicht nur auf ihre Aktionärsinteressen schauen, sie müssen die längerfristigen Auswirkungen ihres Tuns verantworten. Sie haben eine Verantwortung wie Bürger auch.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg aber fürchtet (wie zuvor schon die Agentur Reuters), dass Ölstaaten einfach das Geschäft der Konzerne übernehmen könnten. Dem Klima wäre damit nicht gedient. Denn die staatlichen Ölfirmen unterliegen keiner öffentlichen Kontrolle, weder von Aktionären noch von Umweltschützern, und sie müssen auch keine klimarelevanten Daten veröffentlichen. Sie könnten also künftig in Ölprojekte investieren, die von privaten Konzernen aufgegeben werden und so ihren Marktanteil steigern.

National oil companies, or NOCs, are largely shielded from those pressures. When the owners are governments, not shareholders, there aren’t dissident board members like those now sitting inside Exxon. That means state oil producers like those who populate OPEC+ can be the buyers of last resort for fossil-fuel projects cast off by the shrinking supermajors.

State companies can also gobble market share by simply producing oil that their private-sector rivals won’t. Saudi Aramco and Abu Dhabi National Oil Co. are spending billions to boost their respective output capacities by a million barrels per day each, and Qatar Petroleum is spending more than $30 billion to increase its liquefied natural gas exports by more than 50%. (Aramco and Abu Dhabi National Oil declined to comment.)

Laut Bloomberg könnte der Marktanteil der staatlichen Ölfirmen bis 2050 auf 65 Prozent steigen. 2050 – das ist das Jahr, in dem die Welt eigentlich schon komplett klimaneutral wirtschaften müsste, also völlig ohne fossile Brennstoffe, um noch eine Chance zu haben, die Pariser Klimaziele zu erreichen.

Roger Cox sagt im NZZ-Interview, warum er das anders sieht:

NZZ: Aber fürs Klima spielt es schon eine Rolle. Wieso sollte nicht einfach zum Beispiel Saudi-Aramco jetzt mehr Öl fördern und die Lücke schliessen?

Cox: Weil es inzwischen tatsächlich auf der ganzen Welt Regierungen gibt, die das Pariser Abkommen umsetzen wollen. Das führt dazu, dass sich Investitionen in Erdöl schlichtweg immer weniger lohnen. Saudi-Aramco ist auch mit Investmentbanken verknüpft. Das Risikoprofil von künftigen Investitionen in Ölfelder wird laufend erhöht.

Das mit dem CO2-Preis klingt zu gut, um wahr zu sein. Ist es auch.

piqer:
Carla Reemtsma

Der CO2-Preis ist – mal wieder – Debattenthema Nummer eins. Was lange Zeit vor allem in Kreisen von Klimaökonom:innen und Wissenschaftler:innen, später auch bei Aktivist:innen, Marktökonom:innen und dann auch Politiker:innen diskutiert wurde, ist mal wieder Teil der öffentlichen Debatte. Nicht direkt als CO2-Preis, aber durch das, was sein Anstieg bewirken würde: eine Erhöhung von Benzinpreisen.

Die öffentliche Debatte um eine Anhebung des CO2-Preises wird dabei erstaunlich erbittert geführt, sind sich doch eigentlich alle einig: Befürworter:innen des freien Marktes postulieren den CO2-Preis (meist in Form eines Zertifikatehandels) als das einzige kosteneffiziente Mittel zur Bekämpfung der Klimakrise. Konservative und Unternehmen sind glücklich, soll der CO2-Preis dabei helfen, den Treibhausgasausstoß ohne Verbote, aber durch die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft in den Griff zu bekommen, da er einen Anreiz zur Entwicklung und Nutzung CO2-armer Technologien setzt. Aktivist:innen sehen im CO2-Preis eine der wenigen Möglichkeiten innerhalb des marktwirtschaftlichen Systems, eine ernsthafte Veränderung der Emissionsmenge zu erreichen.

Der hinter dem CO2-Preis stehende Mechanismus ist in der Theorie einfach, unabhängig davon, ob es ein festgelegter Preis oder ein Handel mit Zertifikaten wäre: Steigt der Preis für den Ausstoß von CO2, versucht der rationale Marktteilnehmer, diese zu vermeiden. Ist dies zu geringeren Kosten möglich als der CO2-Preis verursacht (z. B. durch eine alternative Antriebsart), wird er dies ausnutzen und das CO2 wird kosteneffizient eingespart. Angebot und Nachfrage befinden sich wieder im Gleichgewicht.

Leider ist die Welt oft nicht so einfach, wie ökonomische Modelle es gerne hätten. Soziale Faktoren müssen ebenso berücksichtigt werden, wie bestehende Pfadabhängigkeiten dort, wo Entscheidungen über den CO2-Ausstoß nicht täglich neu getroffen werden können, wie bei dem Einbau von Heizungen, dem Kauf von Autos oder dem Bau von Industrieanlagen. Der CO2-Preis kann vor allem dort wirken, wo es klimaneutrale Alternativen gibt, indem er in der Industrie schon existierende aber unrentable Methoden attraktiver macht. Er wird weniger dort wirken können, wo er beim Endkonsumenten Dinge verteuert, für die dieser keine Alternative hat. Das Auto in ländlichen Regionen oder die Heizung in der Mietwohnung etwa.

Klimapolitik braucht also einen CO2-Preis. Sie braucht aber auch noch mehr. Wie das aussehen kann, erklärt Thomas Fricke.

Mehr Schulden wagen oder wer hat Angst vor der Inflation?

piqer:
Thomas Wahl

Kommt die Inflation 2021 zurück? Diese Frage beschäftigt aktuell die Medien.

Viele Ökonomen rechnen damit, dass die Teuerung in den nächsten Monaten weiter anziehen wird. «Die Inflationsrate bleibt nicht auf Dauer so niedrig wie im vergangenen Jahr», sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann der «Augsburger Allgemeinen».

Die Zeit bringt nun ein interessantes Interview mit Carl-Ludwig Holtfrerich. Er ist emeritierter Professor für Wirtschaftsgeschichte und Autor des Standardwerks „Die deutsche Inflation 1914–1923“. Auch wenn es heute sicher nicht um die Angst vor einer Hyperinflation wie 1923 geht, ein lesenswerter Rückblick. Die Menschen gewöhnen sich offensichtlich an alles – könnte man denken:

Während der Hyperinflation von Juli 1922 bis November 1923 wurden die Preise mehrmals am Tag erhöht. Da war ein Bier am Mittag teuer als am Vormittag. …. Im November 1923 brachte die Reichsbank einen Geldschein im Wert von 100 Billionen Mark heraus. Wenn jemand in ein Gasthaus ging, hat er sich das zweite Bier schon bestellt, als das erste serviert wurde – es wäre sonst teurer geworden. …. Wenn der Lohn ausbezahlt wurde, hat man sofort versucht, das Geld in Waren umzutauschen. Wenn jemand in ein Gasthaus ging, hat er sich das zweite Bier schon bestellt, als das erste serviert wurde – es wäre sonst teurer geworden. Geschäftsleute haben ihre Preise oft in amerikanischen Dollar angegeben.

Aber lustig war diese Superinflation gewiß nicht. Sicher wurden Bevölkerungsschichten sehr unterschiedlich getroffen. Und natürlich konnten Geldvermögen nur da vernichtet werden, wo sie waren, bei der Oberschicht. So hatte sich die Schere zwischen Reich und Arm ein Stück weit geschlossen. Die Inflation wirkte als Gleichmacher. Aber sicher war die große Inflation kein Betriebsunfall. Das Land war in einer tragischen Situation. Reparationsleistungen, wirtschaftlicher Notstand, dann die Ruhrbesetzung. Das Gelddrucken war im gewissen Sinne die Notbremse. Mit dem Ruin der Währung konnte oder wollte man zeigen, dass die Reparationszahlungen nicht leistbar waren.

Man wollte die noch junge Demokratie stabilisieren und wusste sich zunächst nicht anders zu helfen, als Staatsausgaben über die Notenpresse zu finanzieren. Zeitgenössische Dokumente der Reichsbank und aus Regierungskreisen zeigen: Man war sich darüber im Klaren, dass diese Finanzierungsmethode die Geldentwertung nährt.

Holtfrerich wendet sich dann gegen die These Hitler, sei „das Ziehkind der Inflation“. Das sei ein Mythos. Den zwischen der großen Inflation und der Machtübernahme lag noch ein anderes einschneidendes Ereignis: die große Depression.

Im Oktober 1929 brachen die Aktienkurse ein. Es folgte die Weltwirtschaftskrise, die die Arbeitslosenzahlen nach oben schnellen ließ und zu einer Verelendung großer Teile der Bevölkerung führte. Das hat aber mit der Hyperinflation wenig zu tun. Im Jahr 1922 betrug die Arbeitslosenquote in Deutschland 1,5 Prozent, im Jahr 1932 waren es 17,3 Prozent. Die Inflation war sicher für viele eine traumatische Erfahrung. Aber als Hitler an die Macht kam, herrschte in Deutschland Deflation.

Er erklärt die Angst der Deutschen vor der (Hyper)Inflation als Ergebnis einer politischen Instrumentalisierung:

Das fängt schon in den Dreißigerjahren an. Damals schürte Reichskanzler Heinrich Brüning die Angst vor steigenden Preisen, um einen harten Sparkurs durchzusetzen. Sein Argument: Wenn wir jetzt nicht Ausgaben kürzen, um Staatsverschuldung zu vermeiden, dann kommt die Inflation zurück. Das war zwar ökonomischer Unsinn, aber als politisches Manöver hat es zunächst funktioniert.

Aber eigentlich ging es einerseits immer noch um die Beendigung der Reparationszahlungen, die nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg zu leisten waren. Man wollte zeigen, dass Deutschland wirtschaftlich am Boden und unfähig zur Begleichung war. Und man wollte die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtshaft steigern.

Wenn die Preise hierzulande weniger stark steigen als anderswo, dann können wir unsere Waren im Ausland günstiger anbieten. Da kam wieder die Inflation ins Spiel.  das Gespenst steigender Preise heraufbeschworen, um eine harte geldpolitische Linie für den genannten Zweck zu rechtfertigen.

Und so meint er auch, dass dadurch die Inflationsangst im Bewusstsein der Deutschen wachgehalten worden ist. Und – um auf den Anfang zurück zu kommen – dafür gibt es natürlich heute gar keinen Anlass. Man mag diesem Narrativ folgen oder nicht – es ist jedenfalls eine interessante Hypothese ….

Warum Jeff Bezos weniger als 1% Steuern zahlt

piqer:
Michaela Haas

ProPublica gelang es, einen ganzen Berg Steuerunterlagen von Megareichen wie Warren Buffett, Jeff Bezos oder Elon Musk aus den letzten 15 Jahren auszuwerten. Die Recherche ist bahnbrechend. Sie hat auch in Deutschland für Schlagzeilen gesorgt, und ich piqe hier das Original, weil es sich lohnt, im Detail nachzuschauen, wie die reichsten Menschen der Welt ihre Steuern drücken.

Jeff Bezos etwa, der reichste Mann der Welt, zahlte einige Jahre lang gar keine Steuern und rechnete sich sogar so arm, dass ihm ein Zuschuss für seine Kinder zustand. Elon Musk, Michael Bloomberg, George Soros und Carl Ican gelangen ähnlich kreative Rechenmanöver.

Das empfinde nicht nur ich als ungerecht. Während unsereins für unser mickriges Einkommen brav den regulären Steuersatz abdrückt, kommt Jeff Bezos im Durchschnitt auf einen Steuersatz von unter 1 Prozent.

ProPublica hat für die Berechnung nicht nur das reguläre Einkommen herangezogen, sondern den Anstieg des Gesamtvermögens, und da kommt man dann auf diese irren Zahlen: Die 25 reichsten Menschen der Welt wurden zwischen 2014 und 2018 insgesamt um 401 Milliarden Dollar reicher, haben davon aber nur 13,6 Milliarden oder 3,4 % an Vater Staat abgeführt.

It’s a completely different picture for middle-class Americans, for example, wage earners in their early 40s who have amassed a typical amount of wealth for people their age. From 2014 to 2018, such households saw their net worth expand by about $65,000 after taxes on average, mostly due to the rise in value of their homes. But because the vast bulk of their earnings were salaries, their tax bills were almost as much, nearly $62,000, over that five-year period.

Was besonders wütend macht, ist, dass die Steuermanöver der Megamilliardäre im Großen und Ganzen nicht einmal illegal sind. So erklärt diese Recherche eben auch eindrücklich, warum sich das Gefälle zwischen arm und reich vor allem in Amerika ständig weiter so krass verschärft – und wie man das System gerechter gestalten könnte.

Rente – von Schweden lernen?

piqer:
Thomas Wahl

Schweden und Dänemark gelten mit ihren Rentensystemen oft als Vorbild für Deutschland. Ein Grund, einmal genauer hinzusehen – was die NZZ in diesem Artikel auch tut. Zumal hierzulande ja das Rentenalter eher tabu ist und die Rentenhöhe nur nach oben gehen sollte. So allerdings hat Schweden 1998 sein Pensionssystem zukunftssicher gemacht: Es basiert darauf, dass sowohl die Konjunkturentwicklung als auch die durchschnittliche Lebenserwartung auf die Höhe der gezahlten Altersrenten durchschlagen. Zumindest im «allgemeinen Sektor», der ersten Säule des Pensionssystems (was in D die gesetzliche Rente ist).

Immer wenn es Frühling wird, flattert allen Schwedinnen und Schweden das sogenannte orange Couvert in den Briefkasten. Es ist der Jahresauszug der staatlichen Rentenbehörde (Pensionsmyndigheten), der Auskunft gibt über das persönliche Konto und darüber, ob man nun noch im Erwerbsalter ist oder bereits in Pension. Das Dokument ist für viele nicht nur etwas umständlich zu entziffern, sondern kann auch unangenehme Überraschungen bereithalten für diejenigen, die ihre Rente schon beziehen. Denn diese kann plötzlich kleiner geworden sein.

Was in der globalen Finanz- und Schuldenkrise von 2008 auch funktionierte. Die automatischen Stabilisatoren taten, was sie tun sollten. Was für die Rentenbezügler ein Schock war.

Plötzlich erlebten sie hautnah, dass die Höhe ihrer Rente nicht mehr in Stein gemeisselt war.

Daneben gibt es noch die nach dem Kapitaldeckungsverfahren angesparte Pension aus der beruflichen Vorsorge. Die trägt bei mittleren Erwerbseinkommen später etwa 15–25% zu den Bezügen im Rentenalter bei.

Dass diese Systemänderung zustande kam, ist einer krassen schwedischen Wirtschaftskrise in den 90er Jahren „zu verdanken“. Die Kosten für den riesigen öffentlichen Sektor und das ausgedehnte Sozialsystem wurden untragbar. Dazu kam die ungünstige demographische Entwicklung.

Bei der Pensionsreform ging es also weniger um unmittelbare soziale Gerechtigkeit, „sondern die Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des gesamten Systems“. Ohne die zukünftig überhaupt keine gerechte Gesellschaft möglich gewesen wäre – Verantwortungsethik eben. Und so mussten auch

die Sozialdemokraten einer einschneidenden Generalüberholung des von ihnen selbst geschaffenen Systems zustimmen und sich damit ideologisch teilweise verleugnen.

Dänemark hat ein dem schwedischen Modell ähnliches System installiert. Allerdings wird die erste Säule nicht durch ein Umlageverfahren, sondern direkt aus dem Staatsbudget finanziert. Man steuert über die Relationen von Rentenalter und Lebenserwartung (wobei sicher auch eine demographische Variable eingebaut ist).

Dazu ist in mehreren Reformschritten eine Art Indexierung des Renteneintrittsalters verabschiedet worden. Der Mechanismus wird alle 5 Jahre überprüft und tritt jeweils 15 Jahre nach der Bestimmung der Variablen in Kraft. Das heisst, dass 2030 der Beschluss von 2015 Gültigkeit erlangt, das Renteneintrittsalter dann auf 68 Jahre anzuheben… Dennoch könnte bis 2070 das reguläre Pensionsalter damit in Dänemark bei 74 Jahren liegen.

Zwar gelten Schweden und Dänemark mit ihren «eingebauten Stabilisatoren» weltweit als Vorbilder in punkto Nachhaltigkeit. Aber Probleme und erbitterte Diskussionen bleiben.

Denn wenn die Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht Schritt hält mit der Erhöhung der allgemeinen Lebenserwartung, heisst das, dass ihre Pensionen genau deshalb schwinden. Rund 300 000 schwedische Rentenbezüger (15% aller Pensionäre) leben heute im Bereich der Armutsgrenze.

Auch sonst sind die Parameter des schwedischen Systems unseren deutschen Strukturen nicht unähnlich:

Die Beitragshöhe liegt bei 18,5% des Lohns bzw. anderer steuerbarer Einkünfte; die Zahlung verteilt sich auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Grossteil fällt der Finanzierung der laufenden Rentenauszahlungen zu; lediglich 2,5 Lohnprozente werden als «Premium-Pension» einem individuellen Konto gutgeschrieben, wo der Arbeitnehmer über die Anlagestrategie selber bestimmen kann. Tut er das nicht, erhält er ein Konto bei einem staatlichen Standardfonds.

Die kapitalgedeckte Säule ist also dort nicht freiwillig, sondern vorgeschrieben. Sicher sinnvoller als Riester und Co.

Die Sozialstaaten suchen gezwungenermaßen nachhaltige Lösungen für die Renten ihrer Bürger. Den abschließenden großen Wurf gibt es dabei nicht – wie Schweden und Dänemark zeigen. Und nachhaltig ist nicht gleich reichhaltig – wie der Artikel treffend formuliert.

Die Rückkehr des Staates in neuer Gestalt?

piqer:
Achim Engelberg

Wer hat die Stimmen nicht noch im Ohr, die behaupteten, dass nach Corona alles anders werden würde. Diese Schreie nach Veränderung waren paradoxerweise verbunden mit der Langsamkeit einfacher Einsichten:

Und ein Jahr dauerte es, bis die Erkenntnis, dass in den Vierteln der Armen, der Migranten, der Unterbeschulten die Infektionsraten zigfach höher sind – und die Sterberaten es schon immer waren. „Deutschland ist mütend“, so kalauert in unbürokratischer, aber verzweifelter Heiterkeit der Normenkontrollrat in seinem fünften Monitorbericht über den Stand der Digitalisierung und der Verwaltung in der drittstärksten Industrienation der Welt.

Dennoch stehen wir vor einem Epochenumbruch, der noch nicht gestaltet ist. Wieder einmal umkreist Mathias Greffrath diesen mit Realitäts- und Möglichkeitssinn.

Zurück in die Geschichte geht er – ins 16. Jahrhundert mit dem ersten Globalisierungsschub.

Ein Jahrhundert, in dem die Wissenschaft neue Welten erschloss, der Raum der Erfahrung sich über das Firmament hinaus dehnte, neue Techniken Wohlstand brachten und Fortschritt versprachen, Europa von Migranten überzogen wurde, Bauern in die Städte zogen, Kriege von neuartigen Waffen entschieden wurden, Großmächte die Welt unter sich aufteilten und starke Zentralgewalten mit neuen Steuern die Provinzen in Aufstände trieben.

Gedrängt, komprimiert, anschaulich erzählt der Autor in Schlaglichtern die Geschichte des Staates. Nach den Katastrophen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand der moderne Sozialstaat als europäischer Normalfall. Hier würde ich dem famosen Mathias Greffrath widersprechen: Es galt nicht für Osteuropa und auch im Westen gab es immer wieder Diktaturen – in Portugal, in Spanien, in Griechenland. Freilich, der Sozialstaat, wie er sich in einer kurzen Phase und in einigen Ländern entwickelte, der

garantierte die überkommenen Eigentumsverhältnisse, aber milderte deren Folgen durch Umverteilung und Sozialpolitik und, wenn es geht, Vollbeschäftigung. Es ist dieser Sozialstaat, dieser Staat der Daseinsvorsorge, von dem Pierre Bourdieu sagte, er sei eine europäische Errungenschaft, so kostbar und so unwahrscheinlich wie Kant, Beethoven oder Mozart.

Seit den 1970er Jahren wurden die Grenzen des Wachstums immer deutlicher. Erhellend, was der Staatsrechtler Ernst Forsthoff (1902-74) damals schon formulierte:

„Daß die Industriegesellschaft sich (…) Schranken selbst auferlegen werde, ist mit den Funktionsgesetzen der Industriegesellschaft“ – also mit dem Wachstumszwang – „unvereinbar und utopisch.“ … „(Das) Verhängnis könnte nur durch eine organisierte Instanz abgewendet werden, die stark genug ist, der industriellen Expansion notwendige Schranken zu setzen (…) welche die Erfordernisse eines geordneten menschlichen Zusammenlebens gebieten.“

Kann eine solche bald geschaffen werden? Ist die „Politikverdrossenheit“ heute auch darin begründet, dass diese Instanz noch nicht geschaffen worden ist? Der Staatsrechtler Christoph Möllers bemerkte, Politiker müssen

die Freiheit haben, der Gemeinschaft, die sie repräsentieren, entgegenzutreten, um ihr zu widersprechen, sie zu belehren, sie ‚normativ zu fordern‘ oder im Rahmen ihres Mandats gegen ihren vermeintlichen oder wirklichen Willen zu entscheiden. Die Verachtung gegenüber Politik ist vielleicht auch durch einen Mangel an solchem politischen Freiheitsbewußtsein verursacht, aus der Servilität gegenüber dem vermeintlichen Volkswillen, der diesem noch nicht einmal gefällt.

Mathias Greffrath beleuchtet aber nicht nur die Misere von heute, sondern blickt mithilfe des amerikanischen Science-Fiction-Autors Kim Stanley Robinson in ein mögliches Morgen. In „Das Ministerium für die Zukunft“ probiert dieser szenisch aus, was geschehen könnte und müsste, damit die Klimaziele von Paris erreicht werden. Faszinierend ist, dass

alle Elemente dieser Anti-Dystopie existieren bereits: Drohnen, die Bäume säen, wo Menschen nicht hinkommen; Zentralbanker, die Milliardenkredite an Klimaschutz binden, Genossenschaften, in denen nachhaltige Landwirtschaft und solidarische Umgangsformen zusammenkommen.

Robinson nimmt das Pariser Abkommen wirklich ernst und fordert dazu auf, es zum Zentrum des Denkens und des Engagements für die Zukunft zu machen.

Klempner, zur Sonne, zur Freiheit

piqer:
Squirrel News

Wenn es um Kollektive geht, denkt man eher an Kuba als an deutsche Klempner. Dabei sind Handwerksbetriebe unter den wenigen Kollektivbetrieben in Deutschland  relativ häufig vertreten, wie man in einem Interview der Süddeutschen Zeitung zu dem Thema erfährt. Ebenfalls in der Süddeutschen findet sich das Porträt einer Nürnberger Klempner-Firma, die sich als Kollektiv organisiert hat (Link unten). Und wer davon noch nicht überrascht genug ist: Die Firma hat auch gleich noch die 30-Stunden-Woche eingeführt und engagiert sich ehrenamtlich während der Arbeitszeit. Rechtlich ist die Kollektivstruktur gar nicht besonders schwierig umzusetzen. Wenig verbreitet ist sie offenbar vor allem, weil viele Firmen gar nicht auf die Idee kommen, sich so zu organisieren.

Ebenfalls um ein Kollektiv geht es (am Rande) in der neuen Sendung von Plan B im ZDF: nämlich um eine faire Kaffee-Rösterei aus Hamburg. Im Vordergrund stehen dort jedoch transparente Lieferketten. Und im enorm Magazin erfahren wir, dass die Vier-Stunden-Woche mittlerweile auch in Dresden eingeführt wurde. Zum Start empfehlen wir aber die Geschichte über die drei Klempner aus Nürnberg.

Antisemitische Stereotype – die Lobbyisten-Kampagne gegen Baerbock

piqer:
Jan Paersch

„Einen mit großen Mitteln finanzierten Schlammschlachtwahlkampf nach US-Vorbild gab es bei uns bislang nicht“, schreibt der Kognitions­psychologe Christian Stöcker in seinem Beitrag für Spiegel Online. Das habe sich nun geändert.

Wer am Freitag die SZ im Politik-Teil aufschlug, dem schaute eine lächelnde grüne Kanzlerkandidatin Baerbock im Moses-Gewand entgegen,

mit zwei Steintafeln, auf denen neun Verbote stehen, die die Grünen sämtlich nicht anstreben, aber das ist ja egal. Daneben steht: »Warum wir keine Staatsreligion brauchen.«

Wer zahlte für diese großformatige Anzeige, die auch in seriösen Medien wie FAZ und ZEIT Online geschaltet wurde? Die Lobbyorganisation „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“ (INSM), maßgeblich finanziert von der deutschen Metall-, Elektro- und Automobilindustrie. Stöcker reitet eine umfassende Attacke gegen die ultrareichen Initiatoren (und betont, dass diese Reichen in Deutschland 20 Prozent allen Vermögens besitzen), die mit „Diffamierung, Desinformation und sympathieheischendem Augenzwinkern in Richtung rechts außen“ Einfluss auf eine künftige Regierung nähmen.

Was ist das Problem an der Anzeige? „Baerbocks ganze alttestamentarische Aufmachung, unterstreicht, dass sie keine von uns ist“, schreibt der Politologe Michael Koß bei ZEIT Online (die natürlich darauf hinweisen, dass Redaktion und Anzeigenabteilung getrennt arbeiten). Koß führt aus, wie Antisemitismus definiert wird und meint, dass der grünen Kandidatin ihr vermeintlich jüdischer Messianismus vorgeworfen wird.

Das Infame an diesem antisemitisch konnotierten Vorwurf ist, dass Baerbock und den Grünen damit die Zugehörigkeit zur politischen Gemeinschaft bestritten wird.

Antisemitismus funktioniere als kultureller Code:

Als ich die Anzeige des INSM zuerst sah, wirkte sie bereits auf mich, ohne dass ich die antisemitischen Implikationen schon genauer nachvollzogen hatte.

Schwere Vorwürfe, doch Koß bleibt nüchtern und spricht von nun wieder sichtbar werdenden vordemokratischen Kategorien: die Initiatoren würden das Feindbild Ökosozialismus beschwören, und nebenbei alte wie Juden und Frauen, die Gleichberechtigung einforderten.

Kein Immobilienmakler – Geschichte eines privaten Wohnungsverkaufs

piqer:
Susanne Franzmeyer

Eine wunderbare Hörempfehlung ist die rbb-Feature-Produktion aus dem Jahr 2019 „Berlin/Brooklyn – Geschichte eines privaten Wohnungsverlaufs“ von Klaus Schirmer, die aktuell neu ausgestrahlt wurde und noch online zu finden ist.

„Ich will erst mal gucken, wie das funktioniert. Ich bin auch kein Immobilienmakler. Und dann entscheide ich irgendwie nach Kriterien wie Sympathie oder dass es entspannt ist. (…) Ich will ja niemanden abzocken oder so was.“

Gregor S. braucht Geld. Seine Frau ist weg und er muss sie nach der Scheidung auszahlen. Die Summe steht fest und klettert bald von zunächst 35.000€ auf 100.000 €. Zum Glück hat sich Gregor S. 1999 als Student eine kleine 2-Zimmerwohnung in Berlin Friedrichshain gekauft, die er dafür jetzt veräußern will. Seine Mutter hatte ihm damals helfen müssen, für die Summe von 65.000 DM einen Kredit aufzunehmen. Zu der damaligen Zeit stank es in der Gegend überall nach Kohleöfen und Außenklo. Es gab gerade mal zwei Kneipen in der Straße nahe dem Boxhagener Platz – dem Friedrichshainer Szeneviertel schlechthin in heutigen Zeiten.

Gregor brachte die Wohnung eigenhändig in Schuss, baute eine Etagenheizung ein, er renovierte und verschönerte. Eigentlich wollte er selbst einmal in der Wohnung wohnen, aber irgendwie hatte es dann nicht mehr gepasst, und so vermietete er sie ganze 17 Jahre lang. Er nahm für die zwei Zimmer und knapp 50 m² zunächst viele Jahre nur 300€ Miete. Das Hausgeld legte er nicht auf die Miete um, sondern zahlte es selbst. Ein Minusgeschäft, denn mit der Rückzahlung des Kredits zahlte er drauf.

„Die letzte Mieterin, die hat hier wirklich zehn Jahre oder zwölf Jahre gewohnt und ist ursprünglich alleine als Doktorandin eingezogen und hat dann ein Kind bekommen, noch ein Kind, und dann kam der Mann auch noch aus Italien dazu. Und dann haben die hier zu viert gewohnt. Das war auch schön, zu wissen, hier werden Kinder geboren. Ab und zu habe ich mal ein Fläschchen Wein vorbeigebracht oder wir haben Tee getrunken.“

Nun also entscheidet sich Gregor aber für den Wohnungsverkauf, weil er eben Geld braucht. Sein Anliegen ist, es nicht in die Hände eines Maklers zu geben, sondern jemanden zu finden, den er persönlich auswählt. Jemand, dem die Wohnung ebenso am Herzen liegt wie ihm. Es soll kein Anlageobjekt werden, sondern der oder die neue Besitzer*in soll selbst in der Wohnung wohnen wollen. Schnell stellt er fest, dass die Nachfrage für derart beschaffene Wohnungen in seinem Kiez extrem hoch ist und vergleichbare Angebote extrem rar geworden sind.

„Der Markt ist sehr heiß gelaufen. Es gibt fast keine Angebote. Vor allem kleine Wohnungen sind sehr begehrt, vor allem, wenn sie leer stehen.“

Das Feature erzählt die simple Geschichte eines sehr sympathischen jungen Mannes, der mit einem gewissen Idealismus einen neuen Besitzer für sein Lieblingsstück finden möchte. Sie beginnt mit dem Entschluss zum Wohnungsverkauf und endet dort, wo es vollbracht ist. Aber alles, was man dabei zu hören bekommt, ist derart lebendig und spannend, dass es einfach fesselt. Welche Leute zeigen Interesse? Welchen Preis kann Gregor verlangen? Wie verlaufen die Wohnungsbesichtigungen und alles weitere. Wer bekommt am Ende den Joker? Und wie geht es Gregor mit der ganzen Organisation rund um den Verkauf?

Dass das Feature so lebendig wirkt, liegt vor allem an dem unglaublich guten O-Ton-Material, aber auch die charmant eingesetzte Swing-Musik, die verschachtelten Zitate aus den eintreffenden E-Mails, die Atmos sind akustisch so gut aufbereitet und die ganze Umsetzungsform ist so schön gelungen, dass es einfach Spaß macht, zu folgen. Eine gut investierte Stunde für Liebhaber*innen guter Radiodokus.

Droht ein Kahlschlag der Geisteswissenschaften an den Unis?

piqer:
Michael Hirsch

Im Vorfeld der Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt sorgte ein Plan des Rektorats der Martin-Luther-Universität Halle für Aufsehen, einige kleinere Studienfächer zu reduzieren bzw. abzuschaffen. Nach einem vom Feuilleton der FAZ lancierten Protest wurden die Pläne vorläufig gestoppt. Dabei ist verwunderlich, dass sich in der bürgerlichen Qualitätspresse die konservative Seite offensichtlich mehr als die linksliberale und linke um die Wissenschaftsfreiheit sorgt.

Entsprechende Pläne zum teils drastischen Abbau von kleineren geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern, um die staatlichen Budgetkürzungen infolge der Pandemie zu finanzieren, liegen überall in den Schubladen. Insgeheim liegt hier ein großflächiger Angriff auf die Wissenschafts- und Forschungsfreiheit in der Luft.

Die FAZ hat dazu einen lesenswerten Beitrag einer Studentin publiziert. Hier wird aus eigener Erfahrung sehr anschaulich über die potentiell bedrohlichen Auswirkungen zukünftiger Kürzungen berichtet. Das seit den 1990er-Jahren propagierte Leitbild der unternehmerischen Universität entfaltet im heutigen Kontext seine ganze Wucht. Die Sparzwänge werden dabei durch alle möglichen Technologien der Evaluierung, Kontrolle und Kosten-Nutzen-Rechnung scheinbar evident gemacht. Damit aber wird die emphatische Logik der Bildung, eigentliche Grundlage öffentlich finanzierter Universitäten, letztlich zerstört.

Gerade die kleinen Studienfächer haben großes Potential, Studenten einen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus zu ermöglichen: Hier können sie tote und lebendige Sprachen wie Sanskrit und Arabisch lernen, die sonst kaum ein Institut unterrichtet, ihrem VWL-Studium mit einem Nebenfach in einer Ostasienwissenschaft ein klareres Profil für den späteren Berufseinstieg geben oder gar praktische Kenntnisse in der Gebärdensprache erwerben. Solche Angebote werden von kleinen Fächern oft bereitgestellt und von zahlreichen Studenten genutzt, die teilweise aus ganz anderen Fachbereichen kommen.

Gerade diese indirekte Funktion ist bedeutend für die Logik von Studium und Lehre. Lässt man sie außer Betracht, gibt es kein Halten mehr für die Logik des Sparzwangs, die Schere im Kopf der Universitätsverwaltungen. Besonders bedenklich hierbei ist, dass die Warnungen vor der Verwüstung der deutschen Universität bisher primär von Studierenden vorgebracht werden – und nicht von den Lehrenden selbst. Das ist ein fataler Fehler. So war es zum Beispiel an der Universität Siegen, wo ich lehre, einzig die studentische Vertreterin, die bei der Seminarratssitzung der Sozialwissenschaften am 19. Mai davor warnte, die Auslastung von Seminaren im Sinne sowohl der Anzahl der Teilnehmerinnen als auch der Anzahl derer, die einen Schein machen, zum alleinigen Kriterium für die Feststellung des Lehrbedarfs und die Zuweisung von Mitteln zu machen. Denn damit schaufeln sich die geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer ihr eigenes Grab. Sorgten sich die Lehrenden um eine bessere Datenerhebungstechnologie, meldete einzig die studentische Vertreterin prinzipielle Bedenken gegen diese Logik an. Hier ein Auszug aus dem Protokoll :

Ebenfalls wurde in der Diskussion die Frage nach stark divergierenden durchschnittlichen Teilnehmerzahlen, auch Abschlusszahlen pro Lehrveranstaltung (wie groß ist der Anteil an Teilnehmer*innen, die tatsächlich eine Studien- und Prüfungsleistung erbringen im Seminar) angerissen. Es wäre wünschenswert, solche Darstellungen in geeigneter Form mit in die Datengrundlage zur Auslastung des Lehrpersonals am Seminar eingehen lassen zu können.

Die studentische Vertreterin warnt in dem Zusammenhang allerdings davor, eine „SL-Zwang“/ „PL-Zwang“ in Lehrveranstaltungen zu etablieren. Es muss weiterhin möglich sein, Veranstaltungen auf freiwilliger Basis zu belegen.

Hier zeigt sich, wie stark die Lehrenden bereits vor der bürokratischen und marktwirtschaftlichen Logik der Universitätsleitungen resigniert haben, anstatt ihr im Namen sämtlicher Prinzipien der Freiheit von Forschung und Lehre zu opponieren. Eine seltsame Arbeitsteilung deutet sich an: In den universitären Gremien widersprechen einzig die chronisch als linksradikal verdächtigten studentischen Vertreter der herrschenden Logik, während in der bürgerlichen Presse einzig die konservative Seite die tödliche Gefahr unserer Lehranstalten mit Macht skandalisiert.