Analyse

Was China während seiner G20-Präsidentschaft erreichen will

Die Weltgemeinschaft möchte gerne, dass China auch weiterhin die Lokomotive für die globale Wirtschaft spielt. Aber die Regierung in Peking hat auch eigene Prioritäten. Peter Williamson analysiert, welche das sind.

Als sich die G20-Finanzminister 2005 das letzte Mal in China trafen, war das Land die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Zu Beginn des diesjährigen, von China geleiteten Treffens liegt das Land auf dem zweiten Platz, wobei es an einigen anderen G20-Mitgliedern vorbeigezogen ist: Erst an Großbritannien, dann an Deutschland und zuletzt an Japan. Während die weitere Entwicklung der US-Wirtschaft unklar ist und sich einige Sorgen machen, dass die jüngste Zinserhöhung durch die Federal Reserve verfrüht war, ruhen die Hoffnungen auf China.

Die jüngsten Stellungnahmen der chinesischen Regierung sollten beruhigend sein. Am 26. Februar signalisierte Zhou Xiaochuan, Chef der chinesischen Zentralbank PBoC, dass es noch genug Mittel gäbe, um die Wirtschaft anzukurbeln. Bei einem Treffen des Zentralkomitees am 22. Februar sicherte Chinas oberste Führung zu, dass es seine makroökonomische Politik stabilisieren und verbessern würde, um ein freundliches Umfeld für wirtschaftliches Wachstum und die weiterlaufenden Strukturreformen zu schaffen.

Der Binnenkonsum in China wächst weiterhin mit Raten im zweistelligen Bereich und machte 2015 fast zwei Drittel des gesamten Wachstums des Bruttoinlandprodukts aus. Der Gesamtwert aller auf den Plattformen des E-Commerce-Giganten Alibaba gekauften Waren wuchs im letzten Jahr um 23% und zeigt keinerlei Anzeichen einer Abschwächung. Am Dienstag sagte der chinesische Handelsminister Gao Hucheng gegenüber Investoren, dass Chinas Konsum auch 2016 weiter stark zulegen werde.

Balanceakt

Aber von der chinesischen Wirtschaft zu erwarten, als einzige Lokomotive der Weltwirtschaft zu fungieren, während andere G20-Länder stagnieren, ist einfach zu viel verlangt. Das Problem ist, dass Chinas Neujustierung weg von Infrastrukturinvestitionen, dem Immobilienmarkt und der Schwerindustrie hin zu mehr Konsumausgaben den anderen G20-Ländern nicht wirklich zu Gute kommt. Viele von ihnen sind auf den Export von Maschinen oder Rohstoffen wie Kohle, Eisenerz und anderen Mineralien nach China angewiesen. Agrarprodukte sind eine Ausnahme, weil der Wechsel hin zu einer proteinreicheren Ernährung in China Wachstumschancen bietet.

Chinas G20-Agenda

Außerdem hat China andere Prioritäten, die die Art beeinflussen wird, wie das Land die G20-Agenda während seiner Präsidentschaft gestaltet. China hat vier Hauptprioritäten für den im September 2016 in Hangzhou stattfindenden G20-Gipfel benannt. Diese sind:

  • die Entwicklung eines neuen Wachstumspfades
  • eine effektivere und effizientere globale Wirtschafts- und Finanz-Governance
  • robuste weltweite Investitionen und Handel
  • eine integrativere und besser vernetzte Entwicklungspolitik

Was sagt uns diese Agenda über den chinesischen Fokus und die möglichen Resultate?

In Würde altern

Die Entwicklung eines neuen Wachstumspfades entspricht der Notwendigkeit, Lösungen für die Probleme zu finden, die mit schnell alternden Gesellschaften verbunden sind. Deren Auswirkungen haben bereits Japan und Russland getroffen, zeigen sich zunehmend in Europa (angeführt von Deutschland) und werden bald auch für China zum Problem werden. Die Herausforderung besteht darin, neue Wachstumsquellen zu finden, die nicht von einer wachsenden Bevölkerung abhängen.

Daher liegt der chinesische Fokus auf dem Vorantreiben von Reformen und Innovationen sowie auf der Schaffung und Vergrößerung von Wachstumsmöglichkeiten, insbesondere durch das Abbauen von Hemmnissen für die schnelle Markteinführung neuer Technologien.

Hinter dem Label der „Verbesserung der weltweiten Wirtschafts- und Finanz-Governance“ verbirgt sich das Anliegen, das globale System weniger schockanfällig zu machen und eine neue Finanzkrise zu vermeiden. Aus chinesischer Perspektive bedeutet dies, das Gewicht der Schwellen- und Entwicklungsländer zu erhöhen, um ein stärkeres Bewusstsein für deren Schwierigkeiten zu schaffen. Dabei geht es besonders um die Flüsse des sogenannten „Hot Money“.

China bereitet die Zunahme nationalistischer und protektionistischer Strömungen in einigen G20-Staaten Sorgen

Das voraussichtliche Resultat des Ganzen wäre eine geringere Bedeutung des US-Dollars, also des Währungsraumes, an dem die globale Sub-Prime-Kernschmelze begann. China hat eine von Südkorea und Frankreich geführte Arbeitsgruppe ins Leben gerufen (die USA fielen durch ihre Abwesenheit auf), um Vorschläge zu entwickeln, die dann von den G20-Finanzministern diskutiert werden sollen. Darin enthalten sind Vorschläge, die Rolle der Reservewährung des Internationalen Währungsfonds – die Special Drawing Rights (SDR) – zu stärken, in die der chinesische Yuan im letzten Jahr aufgenommen wurde, sowie ein Vorstoß, mehr Rohstoffe in SDRs zu bepreisen. Die internationale Koordinierung von makroökonomischer Politik und finanzieller Regierung sind ebenfalls wichtige Elemente.

Pionierarbeit

Die Priorität auf „robuste weltweite Investitionen und Handel“ zielt auf die Förderung einer offenen Weltwirtschaft ab, um das globale Wachstum wiederzubeleben. China will sicherstellen, dass der Aufstieg nationalistischer und protektionistischer Strömungen in vielen G20-Staaten nicht den sich bereits abschwächenden Welthandel unterminiert oder seine eigenen Exporte und schnell wachsenden Übersee-Investitionen bedroht, inklusive des Aufkaufs ausländischer Firmen.

Das Vorantreiben einer integrativeren und besser vernetzten Entwicklungspolitik schließt sich an die von den Vereinten Nationen im September 2015 angenommene Agenda für Nachhaltige Entwicklung an, die darauf zielt, in den nächsten 15 Jahren die Armut auszumerzen, Ungleichheit zu reduzieren und den Klimawandel zu bekämpfen. Der chinesische Schwerpunkt wird darauf liegen, G20-Initiativen durchzubringen, die mehr Infrastrukturinvestitionen von multilateralen Entwicklungsbanken, die Industrialisierung in Afrika und weniger entwickelten Ländern, junges Unternehmertum, den Energiezugang und die Energieeffizienz, die Nutzung sauberer und erneuerbarer Energien sowie Agrartechnologien und Innovationen fördern.

Die meisten dieser Themen werden die Zustimmung der anderen G20-Länder haben – aber diese Initiativen werden einen starken „chinesischen Beigeschmack“ haben, während das Reich der Mitte danach strebt, seinen weltweiten Einfluss in Einklang mit seinem Status als Heimat von jedem fünften Menschen auf der Welt und seiner wachsenden ökonomischen Macht zu bringen.

In den nächsten Monaten wird es zahlreiche Vorbereitungen dafür geben, darunter „Sherpa“-Treffen in Guangzhou, Xiamen, Hangzhou und Wuhan; die Finanzminister und Zentralbankchefs treffen sich in Shanghai und Chengdu, die Minister für Handel, Arbeit, Energie und Landwirtschaft werden ebenfalls in Shanghai, Peking und Xi’an zusammenkommen, bevor der Hauptgipfel startet. Die Implementation der früheren ambitionierten G20-Ziele war durchwachsen, aber China wird sicherlich die Pionierarbeit leisten, um den G20-Gipfel im September zu einem Erfolg zu machen.

 

Zum Autor:

Peter Williamson ist Honorarprofessor für internationales Management an der Cambridge Judge Business School der University of Cambridge.

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Dieser Artikel wurde zuerst von The Conversation auf englisch veröffentlicht und von der Makronom-Redaktion unter Zustimmung von The Conversation ins Deutsche übersetzt. Die im Text enthaltenen Charts wurden ebenfalls von der Makronom-Redaktion erstellt.The Conversation