In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.
Wieso (falsch regulierter) Kapitalismus auf Dauer nicht funktionieren kann
piqer:
Sven Prange
In all der (berechtigten) Aufregung unserer Zeit um Klima- (oder Nachhaltigkeits-)Krise und Demokratiekrise ist eine dritte Großkrise unserer Zeit etwas in den Hintergrund geraten: die Kapitalismuskrise. Das ist nicht insofern erstaunlich, als dass sie noch den Zeitraum von ungefähr vor zwölf Jahren bis etwa vor fünf Jahren ganz maßgeblich die öffentliche Wahrnehmung beherrschte. Sondern vor allem deswegen, weil die ersten beiden genannten Krisen – die der Demokratie und die der Nachhaltigkeit – nicht ohne die Krise des Kapitalismus zu denken, zu verstehen und ohne einen Ausweg aus selbiger nicht zu lösen sind. Wenn man so will, ist die Krise des Kapitalismus der Mutterboden, auf dem die anderen beiden Krisen erst gedeihen. Die Demokratiekrise, weil sie in wesentlichen Teilen auch eine Verteilungskrise ist, die Klimakrise, weil sie auch eine Ressourcenkrise ist und somit ganz unmittelbar mit den Auswirkungen unseres Wirtschaftssystems zusammenhängt.
Die Leistung dieses Films ist es, genau diese Zusammenhänge nicht nur zu erklären, sondern in sehr wirkungsmächtigen Bildern auch aufzuzeigen. Warum sind wir so besessen vom Wirtschaftswachstum? Warum treiben wir es immer weiter voran, obwohl wir seit über 40 Jahren wissen, dass die Wirtschaft auf unserem Planeten angesichts endlicher Rohstoffe nicht unendlich wachsen kann? Auf der Suche nach Antworten auf diesen großen Widerspruch unserer Zeit taucht Florian Opitz ein in die Welt des real existierenden Kapitalismus. „System Error“ öffnet eine neue Sicht auf die Dinge. Auch, weil hier Befürworter des Systems so offen sprechen, dass sie zwangsläufig auch wie Kritiker wirken müssen.
Beim Kampf gegen die neue Rechte kommt es auf die Konservativen an
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Hauke Friederichs
In seinen „Betrachtungen eines Unpolitischen“ hatte er selber noch ein rechtes Weltbild gepredigt. Doch wenige Jahre später war Thomas Mann von diesem Gedankengut geheilt. Von einem Gegner der jungen Weimarer Republik war er zum Kämpfer gegen den aufkeimenden Faschismus in Deutschland und in Europa geworden.
Nach seiner Läuterung stellte der berühmte Schriftsteller sich eine Frage, die heute wieder aktuell ist: Was können Demokraten tun, um den Triumphzug der neuen Rechten zu stoppen?
„Hilft es, mit Marx- und Engelszungen auf ihre Führer einzureden und zu hoffen, dass die „Berserker“ zur Besinnung kommen?“, fasst Thomas Assheuer die Fragen markant in seinem lesenswerten Stück für die ZEIT zusammen.
Thomas Mann jedenfalls glaubte nicht daran, dass geduldiges Warten angebracht war. Denn Anlass zur Sorge gab zu Beginn der 1930er-Jahre Thüringen – auch hier drängt sich durchaus eine Parallele auf. Dort hatten sich am 23. Januar 1930 bürgerliche Parteien als Kompagnons der Nationalsozialisten betätigt. Sie bescherten der NSDAP eine Regierungsbeteiligung und machten die Rechtsextremen so stärker.
Für Thomas Mann bedeutete der faustische Pakt zwischen Bürgertum und Nationalsozialismus eine Gefahr für die Republik, zu deren engagiertesten Verteidigern er zählte. Diesen Bund mit den Teufeln wollte der Literat unbedingt verhindern. Er hatte begriffen, dass die Anhänger Hitlers keine kompromisslosen Konservativen, sondern Revolutionäre waren. Für die echten Konservativen konnten sie keine Bündnispartner sein. Im Gegenteil: Sie mussten zwangsweise als Gegner begriffen werden. Denn die Rechtsradikalen wollten nicht das Vaterland retten, sondern Deutschland in den Untergang treiben.
Im Oktober 1930 reiste der Schriftsteller nach Berlin und appellierte dort in seiner „Deutschen Ansprache“ an das Bürgertum: Wer die Republik retten wolle, dürfe nicht die Rechtsradikalen unterstützen, sondern müsse mit den Sozialdemokraten zusammenarbeiten. Seine Worte lösten einen Eklat aus: Im Publikum begehrten einige Zuhörer gegen eine solche Belehrung auf, darunter waren auch die Schriftsteller Ernst und Friedrich Georg Jünger, die den Redner als „Verräter“ beschimpfen.
Was spontan wirken sollte, war allerdings organisiert: Zumindest ein Teil des Protestes war orchestriert. Joseph Goebbels hatte 20 SA-Männer abkommandiert, um den Literaten zu stören. Sie kamen als Bürger verkleidet, im geliehenen Smoking.
„Keine Frage, aktualisierende Vergleiche verbieten sich, denn in Deutschland herrschen keine Weimarer Verhältnisse“, stellt Assheuer richtigerweise fest. „Dennoch lässt sich gerade in den neuen Bundesländern ein ungebrochenes Verlangen nach dem zeitlos Konservativen beobachten, eine mitunter militante Sehnsucht nach Stabilität jenseits einer aufgewühlten, verwirrend komplexen Gegenwart. Das ist Nährstoff für die Rechten.“
AfD und andere Rechte versuchen mit allen Mitteln einen Brückenschlag ins christdemokratische Lager. Sie hoffen, dass die Konservativen die wichtige Lektion aus dem Scheitern der Weimarer Republik vergessen haben: die kristallklare und unmissverständliche Abgrenzung nach rechts.
Mit Wärmecontainern Abwärme auffangen und dorthin transportieren, wo sie gebraucht wird
piqer:
Daniela Becker
Während der Stromsektor in Deutschland inzwischen zu 40 Prozent aus Erneuerbaren besteht, sieht es bei der Wärmeversorgung noch deutlich schlechter aus. Die benötigte Wärme für die Industrie und das Heizen wird weitgehend aus fossilen Brennstoffen gewonnen, was mit einem hohen Treibhausgasausstoß und einer starken Abhängigkeit von Erdöl- und Erdgasimporten verbunden ist. Der Anteil der Erneuerbaren Energien stagniert in diesem Sektor seit Jahren bei rund 12 Prozent. Bioenergie, also Holzverbrennung und Biogasanlagen, sind hier die gängigsten Methoden.
Beim Klimaschutz wird oft von der vergessenen dritten Säule – der Energieeffizienz – gesprochen. Und die ist beim Wärmesektor besonders groß. Sehr viel Wärme wird nämlich nicht wiederverwendet, sondern verpufft ungenutzt.
Deswegen ist die Idee, die in diesem Text vorgestellt wird, so einleuchtend wie clever, wenngleich im Grunde trivial. Ein Unternehmen hat einen Wärmecontainer im Einsatz, der Abwärme auffängt, speichert und dorthin transportiert, wo sie gebraucht wird.
Vor allem für Biogasanlagen kann das Konzept attraktiv sein, denn sie sind relativ klein und befinden sich meist draußen auf der grünen Wiese. Auch Müllverbrennungs- oder Industrieanlagen kommen als Quellen infrage. Potenzielle Abnehmer sind alle, die es ganzjährig warm brauchen, etwa Schwimmbäder, Trocknungsanlagen, Gewächshäuser.
Wie bei allen Effizienzprojekten gilt auch hier: Je teurer das Verbrennen fossiler Brennstoffe wird, desto schneller werden sich solche Ansätze durchsetzen.
Wie der amerikanische Fracking-Boom zu einer neuen Plastikflut führen könnte
piqer:
1E9 Magazin
Große Öl- und Gaskonzerne haben Milliarden investiert, um die Vorkommen an Schiefergas und -öl per Fracking aus dem Boden von Texas oder Pennsylvania zu befördern. Doch die Nachfrage nach Erdgas kann schon jetzt nicht mehr mit dem Angebot mithalten. Und die Zeit, in der Öl als Treibstoff verwendet wird, neigt sich dem Ende zu. Die Hoffnung der Industrie ruht daher auf: petrochemischen Produkten wie Plastik.
In den USA sollen über 200 Milliarden Dollar in neue Chemieanlagen investiert werden, darunter auch Fabriken zur Herstellung von fabrikneuem Plastik. Auch in Europa gibt es derartige Pläne. Der britische INEOS-Konzern will in Antwerpen einen Ethan-Cracker bauen, in dem importiertes Ethan, das in den USA beim Erdgasfracking als Nebenprodukt anfällt, unter großen Energieeinsatz zu Ethylen verarbeitet wird – einem Grundstoff für die Plastikherstellung.
„Ground Zero“ im Kampf ums Klima
Doch Umweltschützer wollen die Pläne in Antwerpen stoppen – und damit ein weltweites Zeichen setzen. Dazu gehört auch Thomas Goorden von der Kampagne Antwerpen Schaliegasvrij, also: Antwerpen ohne Schiefergas. Für ihn ist Antwerpen „Ground Zero“ im Kampf ums Klima.
„Wir erleben ein hyperkapitalistisches Unternehmen, das mit Schulden ein riskantes Geschäft finanzieren will“, sagt er im Gespräch mit 1E9. „Dabei liegt der Fokus komplett auf fossilen Brennstoffen. Die werden ausgerechnet durch Fracking gewonnen. Und damit soll Plastik hergestellt werden, das irgendwann in den Weltmeeren landet oder verbrannt wird. Alles, was man falsch machen kann, wird hier falsch gemacht.“
INEOS hat auf eine Anfrage von 1E9 nicht reagiert, wies Kritik an seinen Plänen aber bisher zurück. Der Ethan-Cracker sei energieeffizienter als bisherige Anlagen. Außerdem würde Kunststoff gebraucht, um leichtere und damit sparsamere Autos und Flugzeuge oder besser isolierte Gebäude zu bauen.
Thomas Goorden überzeugt das nicht: Im Gegensatz zu INEOS würden andere Unternehmen an Crackern der neuen Generation bauen, die mit erneuerbaren Energien und nicht mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Außerdem warnt er davor, den Markt mit noch mehr, noch billigerem Plastik zu fluten.
Was neoliberale Politik und extreme Rechte gemeinsam haben
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Bayern 2 Zündfunk
Mittlerweile ist die politische Debatte schon wieder weiter gestürmt und verhandelt nach der FDP nun die Verwerfungen innerhalb der CDU. Da sich aber die FDP weiter als die Partei der Mitte bezeichnet, ist es gut, noch mal innezuhalten und dieses Interview mit dem Soziologen Andreas Kemper zu lesen. Er erinnert daran, dass die AfD als eine neoliberale Partei entstanden ist,
„als eine Partei von Hans-Olaf Henkel, von Bernd Lucke, von diesen neoliberalen Leuten. Das sind quasi radikale FDPler gewesen. Die haben einen Extremismus des Neoliberalismus gepredigt. Von daher haben AfD und FDP tatsächlich Überschneidungen. Wichtig ist da: Es wird immer wieder betont, die FDP sei angetreten, um den Extremismus von links und rechts zu bekämpfen. Dieses Bild finde ich sehr problematisch, weil es den Extremismus der FDP ausgeblendet. Das geht bis zu einer Demokratiefeindlichkeit. Das findet man bei Leuten, die nicht mehr in der FDP ihre Heimat haben: bei Hans-Olaf Henkel oder dem Mitbegründer der AfD Konrad Adam, der gutgeheißen hat, dass Arbeitslosen das Wahlrecht entzogen wird. Von diesen Leuten gibt es eine ganze Reihe, die die Demokratie in Frage stellen, weil die Demokratie nicht unternehmensnah ist. Auch da gibt es einen Extremismus.“
Weltweite CO2-Emissionen sind 2019 konstant geblieben
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Ralph Diermann
Die weltweiten CO2-Emissionen sind im vergangenen Jahr nicht weiter gestiegen, berichtet taz-Redakteur Bernhard Pötter mit Bezug auf Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA). Die Gründe dafür: der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Wechsel von Kohle zu Gas, ein milder Winter, eine schwächere Konjunktur vor allem in China – und, ja, auch, dass mehr Atomstrom produziert wurde. Interessant dabei ist, dass Wirtschaftswachstum und CO2-Ausstoß zumindest in den Industrieländern entkoppelt war: Die Wirtschaft legte um 1,7 Prozent zu, die Emissionen sanken um 3,2 Prozent.
Allerdings berücksichtigt die IEA bei ihrer Bilanz nicht die Emissionen von Methan, deren Klimawirkung um ein Vielfaches höher ist als die von Kohlendioxid. Der Methanausstoß als eine Ursache der Erderhitzung wird häufig übersehen. Jubel über die Zahlen der IEA verbietet sich aber auch deshalb, weil eine Stagnation längst nicht ausreicht für wirksamen Klimaschutz – die Emissionen müssen drastisch sinken. Aber immerhin: Vielleicht geht 2019 einmal als Wendepunkt in die Geschichte ein.
Mobiles Arbeiten: Mehrwert wird von Firmen leider nach wie vor nicht erkannt
piqer:
Ole Wintermann
Die Firmen Buffer und Angelist haben ihren aktualisierten State-of-Remote-Work 2020-Report zum Stand des mobilen Arbeitens in der heutigen Arbeitswelt veröffentlicht. Grundlage der Ergebnisse ist eine Befragung von 3.500 (!) mobil arbeitenden Menschen weltweit. Im Kern stand dabei nicht die Frage, ob mobiles Arbeiten ein vorübergehender Trend ist (ist er nicht), sondern welche Differenzierungen in den Sichtweisen der Arbeitenden bezüglich ihrer Arbeitssituation erkennbar sind.
98% der derzeit so Arbeitenden möchten für den Rest ihres Arbeitslebens so weiterarbeiten und nahezu 100% dieser Menschen würden dies auch anderen bisher nicht-mobil arbeitenden Menschen empfehlen wollen. 30% der Remote Worker arbeiten für Firmen, die über keinerlei Büroräume verfügen. 57% der mobil Arbeitenden sind zu 100% ihrer Arbeitszeit in dieser Weise aktiv, 70% sind mit dem Anteil der mobilen Arbeit zufrieden. Am meisten wird die freie Zeiteinteilung und die freie Wahl des Arbeitsortes geschätzt. Themen wie die Fähigkeit zur virtuellen Zusammenarbeit, zur effizienten Kommunikation sowie die mit der mobilen Arbeit einhergehenden Einsamkeit sind die am häufigsten (max. 20% der Fälle!) genannten Hürden dieser Form der Arbeit. 80% der so Arbeitenden geben ihren Wohnort als häufigsten Arbeitsort an. Cafés und Coworking-Räume folgen – wenn es um den primären Arbeitsort geht – erst mit großem Abstand (3% / 7%).
Weitere wichtige Erkenntnisse:
- Am ehesten nennen diejenigen Remote Worker ihre Arbeitsweise problematisch, die für Unternehmen arbeiten, die sich nicht vollständig zum mobilen Arbeiten – auch innerhalb eines Teams – bekannt haben.
- Außerdem stellen ineffektive Kommunikation infolge schlechter Technik und nicht-fortgebildeter Beschäftigten das Haupthindernis bei der mobilen Arbeit dar.
- Umso mobiler die Erwerbstätigen arbeiten, desto glücklicher sind sie mit dieser Situation. Hierbei handelt es sich aber wohl um eine Korrelation und keine Kausalität.
- 82% der Menschen, die nur bis 25% ihrer Arbeitszeit mit mobiler Arbeit verbringen, möchten diesen Anteil unbedingt vergrößern.
- Das wichtigste Benefit des mobilen Arbeitens ist die Vermeidung von Pendelzeiten und -kosten, weniger Pendelstress, eine bessere Work-Life-Balance, weniger Umweltlasten, weniger CO2-Emissionen, weniger Belastung der öffentlichen Infrastruktur, eine bessere Familienkultur, diversere Teams, ein geringerer Stadt-Land-Gegensatz.
Trotz all dieser Vorteile von Remote Work werden aber – je nach Kostenart (Internet, Devices et al.) – mindestens immer 70% der so arbeitenden Menschen von den Firmen, für die sie arbeiten, mit den laufenden Kosten allein gelassen.
Diese Erkenntnisse kann man meiner Erfahrung nach auch auf die deutschen Verhältnisse und Unternehmenskulturen übertragen. Anwesenheitskulturen, eine schlechte digitale Infrastruktur und die fehlende Beteiligung der Arbeitgeber könnten auch hierzulande die Haupthürden bei der Steigerung des Anteils mobiler Arbeit, einer Arbeitsform, die die meisten Menschen glücklicher bei der Arbeit sein lässt, sein. Schade. Denn bei mobiler Arbeit geht es um nichts geringeres als:
„Virtual jobs aren’t just changing the future of work, they’re changing the future of our global society.”
Wie 1873 ein heftiger Börsenkrach die Gründerzeit jäh beendete und jahrzehntelang nachwirkte
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Dirk Liesemer
Auf die Börse schauen viele Deutsche wie auf eine Schlange: Sie fasziniert uns, aber man wagt sich besser nicht zu nah an sie heran. Wer weiß schon, ob sie einen nicht mit Haut und Haar und Geldbeutel verschlingt. Man durchblickt einfach nicht, ob die Kurse als nächstes nach oben oder nach unten gehen. Ohnehin scheint dabei mehr Magie als Mathematik im Spiel zu sein.
In diesem Text erzählt Teja Fiedler von der ersten Hausse und dem ersten deutschen Börsenkrach: Zu Beginn der 1870er-Jahre verzockten gierige, aber auch gestandene Anleger einen großen Teil ihres Vermögens. Das Wort „verzockt“ trifft es in diesem historischen Fall tatsächlich: Es gab fast keine regulierenden Vorgaben, kaum Erfahrung, wenig Wissen, aber dafür ein mit den steigenden Kursen gleichsam zunehmendes Draufgängertum. Nur wenige Menschen, darunter die Schreiber einer Satirezeitschrift, verstanden, wie absurd die Geschäfte waren, die an der Börse getätigt wurden. So unterhaltsam der Text streckenweise ist: Deutlich wird auch, wie sehr der Börsenkrach den hiesigen Antisemitismus beförderte.
Mike Bloombergs Milliarden-Memes und die Zukunft der Politik
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Jannis Brühl
Mit 78 ist Michael Bloomberg nicht in der Altersgruppe der Meme-Connaisseure und er weiß es. Allerdings setzt er konsequent auf eine aggressive Social-Media-Strategie, für die er unglaubliche Summen aus seinem Vermögen einsetzt.
Charlie Warzel, einer der besten Social-Media-Kenner des US-Journalismus, analysiert Bloombergs Strategie des Aufmerksamkeits-Hackens, die er sich von Trump abgeschaut hat. In ersten Umfragen sieht es aus, als würde die Strategie aufgehen.
Bloomberg hat offensichtlich gute Social-Media-Berater. Besonders einprägsam sind die gefakten „Chats“ zwischen ihm und mehreren Influencern, die diese „Chats“ gegen Bezahlung posten. Die Posts sind teils lustig, teils bizarr. Ein Highlight: „I put Lamborghini doors at the Escalade.“ Und natürlich bietet er ironisch „eine Milliarde“ für einen Post an. (Es dürfte tatsächlich einiges an Geld fließen, Top-Influencer haben ja genug andere Angebote.)
Das Ganze stimmt dennoch nachdenklich. Denn es wirft zum einen ethische und regulatorische Fragen zu neuen Formen des Wahlkampfes auf: Das Kaufen von Influencern war in den bisherigen Regeln für Wahlkämpfe nicht mitgedacht. (Facebook hat die Praxis mittlerweile explizit erlaubt, dafür aber eine Kennzeichnugnspflicht für solche getarnten Wahlkampfanzeigen eingeführt.)
Bedenklicher ist, dass Bloomberg auf die „Flood the Zone with Shit“-Strategie setzt – also Steve Bannons Strategie für Trump kopiert. Sie kombiniert inhaltliche Skrupellosigkeit und radikale Online-Offensive mit praktisch unendlichen finanziellen Ressourcen. Wenn dieser geldgetriebene Online-Wahlkampf wirklich so effektiv ist, wie Trumps Sieg 2016 und Bloombergs Kampagnen-Start vermuten lassen, könnten Wahlen in Zukunft auf Anzeigen- und Influencer-Schlachten zwischen Oligarchen hinauslaufen.