Fremde Federn

Big Manni, grüner Stahl, Rezo

Diese Woche unter anderem in den Fremden Federn: Welchen Einfluss Gene auf den ökonomischen Erfolg haben, wie der Klimawandel die Ostsee trifft und vor welchen Schwierigkeiten einst boomende Schwellenländer stehen.

Foto: Jojo Bombardo via Flickr (CC BY-ND 2.0)

In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.

Entwicklungsländer und Wachstum – eine Geschichte der Hoffnung?

piqer:
Thomas Wahl

Im Jahr 2000 schrieb der Economist:

… dass „die dringendste moralische, politische und wirtschaftliche Frage unserer Zeit die Armut der Dritten Welt ist“. Damals lebten 28 % der Weltbevölkerung in extremer Armut, d. h. mit einem Einkommen von 1,90 USD pro Tag oder weniger. Fast eine Milliarde dieser 1,7 Milliarden Menschen lebten in Indien und China.

Heute leben in China und Indien zusammen fast 2,8 Milliarden Menschen. Aber es zeigt sich ein historischer Fortschritt:

Letztes Jahr gab China bekannt, dass es die extreme Armut beseitigt hat. In Indien war die Zahl der Menschen, die in extremer Armut, bis 2018 unter die geschätzten 99 Millionen Menschen gefallen, die in extremer Armut in Nigeria leben.

Anfang des Jahrtausends hatte Jim O’Neill, damals Chefökonom von Goldman Sachs, den Begriff „BRIC“-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) geprägt. Dieses Quartett erbrachte damals nur 8% der globalen Wirtschaftsleistung. O’Neill argumentierte damals bereits, dass angesichts ihrer Bevölkerung selbst ein bescheidenes Wachstum ihrer Produktion pro Person diesen Anteil erheblich erhöhen würde. Investoren und die politischen Entscheidungsträger sollten das ins Auge fassen.

Die Forscher von Goldman Sachs prognostizierten damals, dass die BRIC-Staaten bis 2025 zusammen ein GDP haben würden, das mindestens der Hälfte der G6-Volkswirtschaften entspricht (Amerika, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und Japan). Man vermutete,  die BRICs könnten die entwickelten Volkswirtschaften des Nordens bis 2040 in wirtschaftlicher Hinsicht eingeholt haben, wenn nicht sogar beim Einkommen pro Kopf. Und in der Tat, die erste Vorhersage war sogar zu konservativ. Von 2000 bis 2011 wuchsen die BRIC-Volkswirtschaften im Durchschnitt um 17% pro Jahr, während G6 nur 4% schafften. Die vier Schwellenländer erreichten bereits 2017 die Hälfte des GDP der G6, nicht erst 2025.

Die ersten beiden Jahrzehnte des Jahrtausends zeigten, dass ein nachhaltiges, breit angelegtes Wachstum in den Entwicklungsländern möglich war – eine große Überraschung für einige und ein Segen für Hunderte von Millionen. In Ermangelung der besonderen Impulse, die es in den 2000er Jahren erhielt, hat sich das Wachstum aber verlangsamt, und es steht nun sowohl vor dem Problem der Pandemie als auch vor dem anhaltenden Gegenwind des Klimawandels.

So schien sich die frühe These der Ökonomen, dass ärmere Länder im Laufe der Entwicklung die reicheren einholen könnten, doch zu bestätigen. Was sich nach dem Zweiten Weltkrieg als eher schwierig herausgestellt hatte. Reich zu werden, erschien damals nur als Frage der Kreditaufnahme, des Transfers von Technologien und der Ausstattung der Arbeitnehmer mit mehr Kapital sowie Know-how. Aber offensichtlich gab es andere Hindernisse, die laut Economist zunehmend überwunden wurden:

In den späten 1970er Jahren startete China einen langen Prozess der wirtschaftlichen Liberalisierung; Indien begann 1991, die staatliche Kontrolle über seine Wirtschaft zu lockern. Schulden- und Finanzkrisen,, die ab den 1970er Jahren verheerende Rückschläge für das Wachstum verursacht hatten, führten zu einer breit angelegten Verschiebung der Politik in den Entwicklungsländern, hin zu dem, was oft als „Washington-Konsens“ bezeichnet wird: offener für den Handel zu werden und die staatliche Kreditaufnahme und Inflation in Schach zu halten.

Dazu kamen niedrige Zinssätze und globale Investitionen, die nach Möglichkeiten in stabilen Schwellenländern suchten. Ebenso ein breiter Anstieg der Rohstoffpreise, die die Einnahmen vieler Entwicklungsländer ankurbelten. Ein dritter Faktor war ein explosives Wachstum des Handels und der Produktion für den Export. Leider aber verlangsamte sich das Wachstum nach 2010, wie eine Grafik zeigt. Nun drohen auch noch, ausgelöst durch Corona, steigende Zinssätze und Inflation.

Im Jahr 2020 ging die Produktion in den Schwellenländern um 2,1 % zurück. Andere große Schwellenländer schnitten viel schlechter ab. Indiens Wirtschaft schrumpfte um 7,3 %, Brasiliens um 4,1 %, Südafrikas um 7 %. Die Weltbank schätzt, dass die Reihen derer, die in extremer Armut leben, wahrscheinlich um 150 Millionen geschwollen sind.

Gab es zwischen 1990 und 2000 durch das schnelle Wachstum von Handel und Produktion einen Rückgang der Ungleichheit zwischen den Ländern, fragt man sich heute, wie wird das zukünftig unter den Bedingungen der Klimapolitik und des oft geforderten Nullwachstums sein?

Wie anfällig ist die deutsche Wirtschaft für Betrüger*innen?

piqer:
Mohamed Amjahid

Ich musste am Wochenende randomly an den Wirecard-Skandal denken und habe mich gefragt, wie viele ähnliche Fälle es in der deutschen Wirtschaftsgeschichte wohl gibt. Klar ist mir direkt der Dieselgate mit verschiedenen deutschen Autofirmen eingefallen, die vielen Bankenskandale, in denen auch viele deutsche Institute involviert waren, kamen mir auch in den Sinn. Zufällig habe ich aber einen Fall entdeckt, den ich vorher gar nicht kannte und der die Frage aufwirft: Wie anfällig ist die deutsche Wirtschaft für Betrüger*innen?

„Big Manni“, so wurde und wird der süddeutsche ex-Unternehmer Manfred Schmider genannt, dessen Geschichte in diesem aktuellen Podcast von Business Insider erzählt wird. Big Manni hat nämlich Big Money mit einem riesigen Betrug in den neunziger Jahren gemacht. Unter dem Firmennamen „Flowtex“ täuschte er Banken und Investoren und sammelte mehrere Milliarden Euro mithilfe einer auf den ersten Blick genialen Geschäftsidee: Leitungen und Rohre unterirdisch in Städten verlegen, ohne groß den Boden aufzureißen. Nur: Das Prinzip funktionierte aus technischen Gründen nicht, Rohre und Leitungen im Boden, die Beschaffenheit der Erde lässt so eine Methode oft nicht zu. Das kümmerte Big Manni aber nicht:

Mit Flowtex verkaufte der badische Unternehmer Schmider zwischen 1994 und 2000 sogenannte Horizontalbohrmaschinen – das vermittelte er jedenfalls Banken, Kreditgebern, Leasinggesellschaften, Politikern, Geschäftspartnern und nicht zuletzt der Öffentlichkeit. Statt aber über 3000 Maschinen, die auf dem Papier angegeben waren, gab es letztendlich nur 270 Exemplare. Dahinter steckte ein ausgeklügeltes Schneeballsystem, das Schmider kurzzeitig zum erfolgreichsten Vorzeige-Unternehmer Baden-Württembergs machte – bis das Kartenhaus zusammenfiel.

Er blendete Politik, Wirtschaft und die High Society mit einem extravaganten Leben, Partys, mehreren Privatflugzeugen und einem eigenen Flughafen. Jahrelang schöpfte niemand Verdacht und ich glaube, dass dieses Beispiel schon gut beantwortet, wie anfällig die deutsche Wirtschaft, das Finanzsystem und auch die Wirtschaftspolitik für solche Betrüger*innen ist. 

Gene beeinflussen Bildung, Vermögen und soziale Gerechtigkeit

piqer:
Thomas Wahl

Die Wissenschaft zeigt, dass wir durch die Gene von Geburt an unterschiedlich sind. Und doch:

Es gibt nicht vieles, was in den vergangenen Jahren so unterschätzt wurde wie die Rolle der Gene für die menschliche Entwicklung. Das Erbgut der Menschen hat Einfluss auf ihre Körpergröße, auf ihre Haarfarbe und ihr Gewicht – doch dass es auch Einfluss auf Intelligenz, Geduld oder soziales Verhalten haben soll, dieser Gedanke war jahrzehntelang nicht in Mode.

Wir leben also in einer Welt, in der Menschen grundsätzlich mit ungleichen Eigenschaften geboren werden. Aus Angst vor Eugenik und Rassismus haben gerade Menschen, die sich selbst progressiv sehen, diesen Gedanken nicht gern zugelassen. Die Argumente dagegen kennt man aus den vielen Diskussionen (man denke nur an die Sarrazin-Kontroverse), in denen die Meinungen aufeinanderprallen:

Gene und Umwelt wirkten zusammen. Am Ende komme es auf die ererbten Informationen kaum noch an: Die Epigenetik habe nämlich gezeigt, dass die sozialen Umstände selbst die Aktivität der Gene beeinflussten. Überhaupt könne man Intelligenz nicht richtig messen, sie sei sowieso nur ein soziales Konstrukt.

Aber der Einfluss der Gene auf unseren Lebensweg ist vielfältig – bis dahin, wie lange wir leben. Der Artikel behauptet sogar, Gene haben in den USA mehr Einfluss auf Bildungserfolg als die soziale Herkunft. Dort seien sie

für rund 10 bis 15 Prozent der individuellen Unterschiede im Bildungserfolg verantwortlich, nach einzelnen Schätzungen sogar bis zu 40 Prozent. Klingt wenig? Es ist viel. Selbst in Amerika macht die soziale Herkunft nur 11 Prozent aus.

Womit natürlich auch der wirtschaftliche Erfolg und der Zugang zu politischer Macht erheblich beeinflusst wird. Und es kommt noch dramatischer, wie man bei GEO nachlesen kann:

So scheint sich die Erblichkeit mancher Veranlagungen im Laufe des Lebens zu verstärken. Forscher haben beispielsweise gemessen, dass genetische Faktoren bei den Intelligenzquotienten von Babys rund 20 Prozent der Unterschiede erklären, während der Kindheit steigt der genetische Einfluss allmählich auf 40 Prozent – und im Erwachsenenalter lassen sich bis zu 60 Prozent der Unterschiede auf die individuelle genetische Ausstattung zurückführen. So ähneln adoptierte Kinder als Erwachsene in ihrem IQ eher ihren leiblichen Eltern als den Adoptiveltern, die sie aufgezogen haben.

Damit ist paradoxerweise für Bildungssysteme auch klar: Je mehr man damit soziale Einflüsse ausgleicht, desto deutlicher werden die genetischen. Was natürlich Einfluss auf die Bildungspolitik und die Mechanismen zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit haben sollte. Was kann man tun? Der Artikel sieht mit Bezug auf das von ihm zitierte Buch Kathryn Paige Hardens drei Wege, politisch auf genetische Unterschiede zu reagieren:

Erstens eugenisch – das wirft sie den Konservativen vor. Zweitens ignorant – das wirft sie den Progressiven vor. Sie wirbt stattdessen dafür, dass Politik die genetischen Unterschiede so gut wie möglich ausgleicht.

Leicht gesagt, schwer getan. Man könnte auf John Rawls verweisen, der als Gerechtigkeitskriterium für die Akzeptanz von Ungleichheit vorgeschlagen hatte, dass soziale Unterschiede dann gerechtfertigt seien, wenn sie die Lage der Schwächsten verbessern. Dazu kommt aber dann:

Es müsse Chancengleichheit herrschen, die besseren Positionen müssten für jeden erreichbar sein. Wie würde Rawls wohl diese Nebenbedingung auf dem heutigen Stand der Genforschung sehen? Was sagen heutige Philosophen, Pädagogen, Soziologen und Ökonomen dazu? Es ist höchste Zeit, dass mehr über solche Fragen nachgedacht wird, statt den Einfluss der Gene zu bestreiten.

Zumal Chancengleichheit nicht Ergebnisgleichheit ist. Bildungsvergleiche zwischen den deutschen Bundesländern zeigen, dass die höchsten Durchschnittspunkte dort erreicht werden, wo sowohl die starken als auch die schwachen Schüler besonders gut abschnitten. Andererseits hat eine Gruppe deutscher Ökonomen (darunter zum Beispiel Pia Pinger und Armin Falk) jüngst gezeigt,

dass Kinder aus sozial schwachen Haushalten einen geringeren Intelligenzquotienten vorweisen können, weniger Geduld haben, höhere Risiken eingehen und sich weniger altruistisch verhalten. Sie haben aber auch gezeigt, dass einiges davon mit Erziehung zu tun hat und sich politisch dagegen noch manches tun lässt.

Die Wirklichkeit ist offensichtlich mit einfachen schwarz-weiß-Annahmen nicht zu beschreiben, eine realistische soziale Gerechtigkeit damit nicht zu erreichen. Fangen wir an.

Noch ist es ein Test: Erster klimafreundlicher Stahl hergestellt

piqer:
Alexandra Endres

In Schweden hat der Stahlkonzern SSAB erstmals Stahl ausgeliefert, der (laut Unternehmensangaben) komplett ohne fossile Energie hergestellt wurde.

Bei der Produktion des sogenannten grünen Stahls ersetzt Wasserstoff, der mithilfe von erneuerbaren Energien erzeugt wurde, Kohle und Koks. Die brauchte man bisher, um Sauerstoff aus dem Eisenerz zu entfernen. Auch deutsche Unternehmen, beispielsweise die Salzgitter AG, arbeiten an fossilfreiem Stahl. Laut dem hier gepiqden Text von klimareporter.de sind sie aber noch nicht so weit wie die Schweden.

Zur Größenordnung: Die deutsche Stahlindustrie verursachte im Jahr 2018 einen Treibhausgasausstoß von etwas mehr als 40 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Das sind knapp fünf Prozent der gesamten Emissionen Deutschlands, die im gleichen Zeitraum bei 856 Millionen Tonnen lagen. Und weltweit ist die Stahlerzeugung

für rund ein Viertel der CO2-Emissionen im Industriesektor und für etwa acht Prozent der Gesamtemissionen verantwortlich.

In Schweden arbeiten drei Unternehmen zusammen, um grünen Stahl marktreif zu bekommen: SSAB, der Stromkonzern Vattenfall (liefert Ökostrom) und der Bergbaukonzern LKAB (liefert Eisenerz). Sie sagen, mit der neuen Technik könnten sie die gesamten Emissionen Schwedens langfristig um mindestens zehn Prozent reduzieren.

Das Konsortium plant, den Klima-Stahl ab 2026 im industriellen Maßstab herzustellen und bis 2030 eine Kapazität von 2,7 Millionen Tonnen Stahl-Rohstoff, sogenanntem Eisenschwamm, zu erreichen.

Ob sich der grüne Stahl am Markt durchsetzen wird, hängt allerdings von den künftigen Preisverhältnissen ab.

Die meisten Experten schätzen, dass er, im industriellen Maßstab produziert, 30 bis 40 Prozent teurer sein wird als der aus Staaten mit geringeren Klimaauflagen.

Die Frage ist: Lassen sich diese höheren Stahlpreise bei den Kunden durchsetzen? Und: Wird es den von der EU geplanten Klimazoll geben, um die globale Billigkonkurrenz, unter anderem aus China, draußen zu halten?

Allerdings gibt es auch Experten, die es für möglich halten, dass der grüne Stahl 2030 nicht mehr teurer sein wird als herkömmlicher. Dann hätte er natürlich eine viel bessere Perspektive.

Wie der Klimawandel die Ostsee trifft

piqer:
Nick Reimer

2008 veröffentlichte die Forschungsabteilung der Deutschen Bank eine Studie unter dem Titel „Klimawandel und Tourismus: Wohin geht die Reise?“ Die Wissenschaftler untersuchten mögliche regionale und saisonale Verschiebungen der Touristenströme infolge der Klimaerhitzung: Die Reiseindustrie am Mittelmeer werde zu den Verlierern zählen, so das Fazit, Mitteleuropa hingegen sahen die Autoren „auf der Gewinnerseite“.  Bedeutet: Die Ostsee wird das neue Mittelmeer.

Wirklich? Steigende Wasser- und Lufttemperaturen, zu viele „Nährstoffe“ aus der Landwirtschaft und „tote Zonen“: Forscher erstellten nun neuerlich eine umfassende Bestandsaufnahme über den Zustand der Ostsee. Demnach ist der Eintrag von Düngeüberschüssen aus der Landwirtschaft zwar zurückgegangen. Trotzdem weise die jahrzehntelang von Überdüngung geplagte Ostsee immer noch große sauerstofffreie „Todeszonen“ aus.

Dünger aus der Landwirtschaft: Was der Boden nicht aufnehmen kann, gelangt ins Grundwasser, in die Flüsse und schließlich ins Meer. Dadurch und wegen des wärmer werdenden Wassers vermehren sich insbesondere die sommerlichen Blaualgen explosionsartig. Immer häufiger ist vor allem der westliche Teil der Ostsee von einem riesigen grünen Algenteppich bedeckt – mit dramatischen Folgen: Sterben die Algen, sinken sie zu Boden, wo Bakterien die Reste zersetzen. Dafür brauchen sie aber viel Sauerstoff, der dann anderen Tieren fehlt – Krebsen, Würmern und Weichtieren, aber natürlich auch Hering, Dorsch und Scholle.

Die Ostsee gilt als die weltweit größte Sauerstoffmangelzone menschlichen Ursprungs, mehr als 60.000 Quadratkilometer gelten als tot, eine Fläche dreimal so groß wie Hessen. Nach Erkenntnissen finnischer Forscher gab es in den letzten 1.500 Jahren nie zuvor solch ausgedehnten sauerstoffarmen „Todeszonen“ in der Ostsee. Mittlerweile kommt die Klimaerhitzung als verstärkender Effekt hinzu: Je wärmer Wasser ist, desto weniger Sauerstoff löst sich darin. Zudem wird durch höhere Temperaturen das Algenwachstum angekurbelt. Klimaforscher und Ozeanograph Markus Meier, der maßgeblich an dem Report beteiligt war:

„Unsere Berechnungen legen nahe, dass die Niederschläge in der nördlichen Ostseeregion zunehmen und dadurch die Flusswassereinträge im Norden größer werden. Gleichzeitig wird durch den globalen Anstieg des Meeresspiegels mehr salzhaltiges Wasser über die Meerengen bei Dänemark in die Ostsee eingetragen. Das heißt, es gibt zwei gegenläufige Effekte. Da unser Wissen über das tatsächliche Ausmaß des Meeresspiegelanstiegs immer noch begrenzt ist, sind folglich auch die Prognosen zu Veränderungen des Salzgehalts mit einer starken Unsicherheit behaftet. Das ist eine relativ neue Erkenntnis.“

Angesichts des Klimawandels mit seinen Auswirkungen auf zahlreiche Faktoren wie Meereis, Meeresspiegel und Wassertemperatur stehen die Wissenschaftler Meier zufolge vor neuen Herausforderungen für die Forschung: „Der größte Teil der Todeszonen ist auf die eingetragenen Nährstoffe zurückzuführen, da sind wir uns sehr sicher“, erklärte Meier und fragt: „Aber wie groß ist der Beitrag des Klimawandels? Noch wissen wir nicht genau, wie das marine Ökosystem darauf reagiert. Da gibt es große Fragezeichen.“

Wohin und wie läuft die Evolution von SARS-CoV-2?

piqer:
Hristio Boytchev

Die Evolution von SARS-CoV-2, dem Erreger von COVID-19, ist von entscheidender Bedeutung für seine langfristige Entwicklung. Ist Delta das Schlimmste, was wir zu befürchten haben oder nur eine Zwischenstation einer langen Evolution? Dieser Frage widmet sich Kai Kupferschmidt mit großem Aufwand und Detail. Auch wenn er keine einfache Antwort bieten kann, informiert er umfassend über relevante Theorien und Forschungsentwicklungen. Zudem wird klar, dass COVID-19 ein Schlüsselereignis für die evolutionsbiologische Forschung an sich ist, das viele bisherige Annahmen infrage stellt.

Researchers had never watched a completely novel virus spread so widely and evolve in humans, after all.

33 Minuten zur Klimakrise von Rezo

piqer:
Daniela Becker

Der YouTuber Rezo hat ein weiteres seiner inzwischen berüchtigten Videos veröffentlicht. Thema diesmal: Die Klimakrise. Zu Beginn der insgesamt 33 Minuten fasst er den Stand der Erderhitzung zusammen und erklärt die Ursachen.

Dann wird es politisch.

Wir werden in diesem Video sehen, dass die aktuelle Regierung nicht nur in ihren eigenen Zielen scheitert, sondern auch verfassungswidrige Gesetze beschließt und sogar Fortschritt aktiv verhindert,

fasst Rezo seinen Beitrag selbst zusammen.

Ein wesentlicher Teil des Videos beschäftigt sich mit der finanziellen Verquickung einzelner Politiker:innen mit der deutschen Kohleindustrie, Ungereimtheiten und Intransparenz beim bislang vereinbarten Kohleausstieg und die jahrelange Verhinderung des Ausbaus der erneuerbaren Energien in Deutschland.

Alle Aussagen sind mit Quellen belegt. Ich habe beim Ansehen keine grundsätzlichen Logikfehler oder Falschinformationen entdecken können. Anschauen lohnt sich, denn der Beitrag fasst in komprimierter Form zusammen, was in den letzten Jahren in der deutschen Klimapolitik falsch gelaufen ist.

Man kann den Inhalt auch trotz viel Denglisch und f*cks gut verstehen und generationsübergreifend ansehen. Das ist auch die Intention des Beitrags. Denn eigentlich richtet sich das Video weniger an Rezos eigentliche Zielgruppe, die unter 20–30-Jährigen, sondern an die besonders große Wählergruppe der Älteren:

Ihr entscheidet über die Zukunft der jungen Generation. Wenn die nächste Bundesregierung das Thema noch ein paar Jahre nicht so ernst nimmt und ansatzweise so weiter macht, wie es CDU und SPD bisher tun, dann schaffen wir das [1,5-Grad-Ziel] nicht mehr,

so die Warnung von Rezo.

Diese Aussage stimmt mit dem Fazit vieler wissenschaftlicher Institutionen überein, die ausführlich dargelegt haben, dass Deutschland sein Klimaschutzziel auch in den kommenden Jahren mit den bisherigen Maßnahmen nicht erreichen wird.

Das Video endet mit dem nachdrücklichen Zitat des deutschen Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber und Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).

Ich sage Ihnen, dass wir unsere Kinder in einen globalen Schulbus hineinschieben, der mit 98 % Wahrscheinlichkeit tödlich verunglückt.