Journalistische Beiträge sind bekanntermaßen nur mit einer eher geringen Halbwertszeit gesegnet, und auch den im Makronom erschienen Analysen und Kommentaren geht es leider oft nicht anders. Daher hier eine kleine Auswahl von Beiträgen, die unserer Meinung nach aufgrund aktueller Entwicklungen nach wie vor eine hohe Leseberechtigung haben und – von kleineren Modifikationen abgesehen – auch heute hätten veröffentlicht werden können.
Im Kapitalismus gibt es nichts umsonst
Vor kurzem hat in Florida der Prozess gegen den einstigen Hedgefonds-Manager Martin Shkreli begonnen. Shkreli brachte es zu zweifelhafter Berühmtheit, als er den Preis für ein lebensrettendes Aids-Medikament um – kein Schreibfehler – 5.000% erhöhte.
Branko Milanovic hat den Fall Shkreli zum Anlass genommen, um sich einmal grundsätzlich mit dem Verhältnis von Moral und Profitstreben zu beschäftigen. Er argumentiert, dass man Menschen wie Shkreli prinzipiell keinen Vorwurf für solche Handlungen machen könne: „In einem kapitalistischen System macht es keinen Sinn zu glauben, dass Firmen irgendein anderes Ziel als die Maximierung ihrer Profite verfolgen sollten.“ Vielmehr sei es die Aufgabe der Regierungen, diese Logik durch eine aktivistische Politik zu verändern.
Die Krux mit den Devisenmarkt-Prognosen
Nach der Wahl Donald Trumps war der Wert des US-Dollars stark gestiegen. Zum Jahreswechsel 2016/17 prognostizierte der Großteil der Devisenmarkt-Händler, dass die US-Währung im Laufe dieses Jahres die Parität zum Euro erreichen würde. Davon kann aber inzwischen keine Rede mehr sein, die Entwicklung hat sich sogar umgekehrt: In der letzten Woche ist der Euro gegenüber dem Dollar zwischenzeitlich auf den höchsten Stand seit einem Jahr gestiegen.
Den vorweihnachtlichen Dollar-Hype hatte Philipp Stachelsky im November zum Anlass genommen, um sich grundsätzlich mit der Aussagekraft von Devisenmarkt-Prognosen zu beschäftigen und erhebliche Zweifel an deren Sinnhaftigkeit angemeldet. Zum einen sei es fraglich, ob die damals von den Wechselkurs-Auguren angeführten Gründe (Trumps Investitionsprogramm, Zinserhöhungen durch die US-Notenbank) tatsächlich zu einer Fortsetzung der Dollar-Rallye führen würden. Vor allem aber gäbe es keine überzeugenden Belege dafür, dass Wechselkurse kurzfristig überhaupt von Fundamentaldaten bestimmt würden: „Der Hauptsinn von Wechselkursprognosen besteht darin, andere Devisenhändler davon zu überzeugen, in die gleiche Richtung zu marschieren“, so Stachelsky.
Freihandelsabkommen
Man kann sicher behaupten, dass Donald Trumps Wahlsieg in Europa nicht gerade auf große Begeisterung gestoßen ist. Aber immerhin ist eine der ersten Amtshandlungen Trumps auch in der Alten Welt ziemlich erfreut aufgenommen worden: der de facto-Stopp der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP.
Doch Ende Juni gab Trumps Handelsminister Wilbur Ross vorsichtige Signale in Richtung einer Wiederbelebung der Verhandlungen. „Um es klar zu sagen: Wir haben nicht vor, uns von TTIP abzuwenden“, so Ross in einer Videoschalte während einer Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrates. Auch Kanzlerin Angela Merkel sprach sich dafür aus, die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen.
Ob TTIP tatsächlich ein Comeback erlebt, bleibt auch angesichts des momentanen Ärgers der Amerikaner über das vermeintliche europäische Stahldumping abzuwarten. Aber wenn es so kommen sollte, böte dies doch auch die Gelegenheit, die zuletzt arg emotionale Debatte um das Freihandelsabkommen wieder etwas nüchterner zu führen. Eine gute Grundlage dafür hat Christian Odendahl vor etwas mehr als einem Jahr auf dem Höhepunkt der Anti-TTIP-Welle geliefert, indem er unter anderem aufzeigte, welche Vorteile das Abkommen auch für Europa bieten könnte.
Zwar geht es in Odendahls Analyse primär um TTIP, doch der Beitrag ist auch aufgrund anderer Entwicklungen wieder sehr aktuell: so kommen die Verhandlungen der EU mit Japan und Mexiko über den Abschluss von Freihandelsabkommen derzeit ziemlich zügig voran. Auch in der Debatte über diese Abkommen dürfte wieder der berühmt-berüchtigte Investorenschutz eine gewichtige Rolle spielen – so befürchten Kritiker, dass eine demokratisch legitimierte Ordnungspolitik durch private Schiedsverfahren ausgehebelt werden könnte. Zweifel an dieser Annahme hat Peter Nunnenkamp angemeldet: seine Auswertung von über 700 Streitfällen zeige, dass es für internationale Großkonzerne alles andere als leicht sei, vor Schiedsgerichten Recht zu bekommen.
Bedingungsloses Grundeinkommen
Eine Meldung aus Schleswig-Holstein ließ unlängst Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens aufhorchen: Die neue Landesregierung aus CDU, Grünen und FDP hat sich darauf geeinigt, neue soziale Absicherungsmodelle zu untersuchen, wozu auch das BGE zählt.
Die Absichtserklärung der Jamaika-Koalitionäre bedeutet natürlich noch lange nicht, dass das Grundeinkommen tatsächlich bald Realität wird – aber sie zeigt doch, dass das BGE längst nicht mehr nur Gegenstand von Debattenzirkeln mit Hang zur Utopie ist.
Ein besonders eindringliches und emotionales Plädoyer für das BGE hat Frances Coppola abgegeben. Sie argumentiert dabei aus einer sehr realpolitischen Perspektive, die eng mit dem Wandel der Arbeitswelt verknüpft ist. „Durch die Einführung eines universellen Grundeinkommens können wir der Notwendigkeit, dass sich Menschen in unpassenden Jobs schinden, ein Ende setzen. Wir können den Millionen von Menschen, die in Unsicherheit leben, wieder Sicherheit bieten“, so Coppola. Das Grundeinkommen böte somit einerseits die Chance, die menschliche Kreativität zu entfalten. Andererseits wirke es der Gefahr entgegen, die sich aus dem Verschwinden traditioneller Jobs ergebe.
Dagegen hält Rick McGahey die Angst vor dem technologischen Fortschritt für übertrieben – denn bisher deute kaum etwas auf eine großflächige Vernichtung von Jobs hin. Daher ist McGahey auch der Meinung, dass die Idee des Grundeinkommens nur vom Wesentlichen ablenke: Vielmehr sollte sich die Debatte auf die schwindende Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer konzentrieren.
Brexit-Verhandlungen
Frances Coppola, die zweite: Am 19. Juni haben die Brexit-Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU offiziell begonnen, doch erst ab dem heutigen Montag werden die Gespräche richtig Fahrt aufnehmen. Die britische Regierung von Theresa May geht nach den heftigen Verlusten bei den Parlamentswahlen geschwächt in die Verhandlungen – und schon vor den Neuwahlen war ihre Position nicht die beste: Denn die EU besitzt nach Auffassung von Coppola die wesentlichen besseren Karten als die Briten. Auf Großbritannien kämen nun harte Zeiten zu – denn die EU dürfte jetzt mit den Briten ein ähnliches Spiel wie mit Griechenland spielen, so Coppola.
Zum Brexit-Thema noch zwei nüchterne ökonomische Analysen. Die erste stammt von Agelos Delis, der anhand von sechs Indikatoren zusammenfasst, wie sich das Brexit-Referendum bisher auf die britische Wirtschaft ausgewirkt hat.
Die zweite Analyse kommt von Philipp Ständer, der sich der Hoffnung vieler EU-Staaten gewidmet hat, von einem Exodus der britischen Finanzindustrie profitieren zu können. Ständer warnt jedoch davor, dass man bei allem kontinentalen Frohlocken nicht vergessen sollte, welche Vorteile die europäischen Kapitalmärkte bisher aus dem Londoner Finanzzentrum gezogen haben. Die EU müsse nun möglichst schnell eine klare Strategie entwickeln, wie die europäischen Kapitalmärkte sich verändern sollten, um das Ausscheiden Großbritanniens abfedern zu können.