Populismus

Der Mittelstand als Transformator

Populismus gedeiht oft in Regionen mit Krisenerfahrungen, Abwanderung und Perspektivlosigkeit. Gerade dort kann der Mittelstand eine Schlüsselrolle spielen, um wirtschaftliche Stabilität, Zusammenhalt und neue Zukunftsperspektiven zu schaffen.

Bild: Pixabay

Populisten gewinnen häufig in Regionen Zustimmung, in denen die Menschen mehrfach mit schwerwiegenden Wirtschaftskrisen konfrontiert wurden und in denen die Arbeitslosigkeit, Abwanderung und Perspektivlosigkeit hoch sind. (Wirtschafts-)Politische Initiativen, diese Situation zu ändern, führen oftmals nicht zum Erfolg, weil die Menschen vor Ort diese als von „außen aufgezwungen“ wahrnehmen bzw. einen Wandel im Hinblick auf mögliche „gravierende individuelle Auswirkungen“ ablehnen – sie sehen sich und ihre Region als „Verlierer“. Um dennoch dem aktuellen Zustand etwas Vertrautes entgegenzusetzen, erinnern sie sich an die „gute alte Zeit“ und klagen über deren Bedeutungslosigkeit in der Gegenwart. Dadurch wird zwar das Gefühl der Verbundenheit in der aktuellen scheinbar ausweglosen Situation verstärkt, zugleich erschwert dies aber auch den notwendigen Blick nach vorne.

Unseren Forschungen zufolge kann der Mittelstand aufgrund seiner Vielfalt und der Grundhaltung vieler Unternehmerinnen und Unternehmer eine wichtige Rolle dabei spielen, den Menschen in solchen Regionen wieder materiell und ideell eine Perspektive zu geben. Denn je eher die Erwerbstätigen im Handwerk, im Handel, im Dienstleistungsbereich oder im mittelständischen Industrieunternehmen einen (guten) Arbeitsplatz finden, desto mehr können sie auch aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Dies fördert wiederum ihre individuelle Lebensqualität. Und sind die Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Lebensqualität zufrieden, sind sie dies auch eher mit unserer demokratischen Gesellschaftsordnung.

Neben dem Beitrag, den der Mittelstand zur Beschäftigung, Nettowertschöpfung und Ausbildungsquote leistet, sind die mittelständischen Unternehmen daher auch eine wichtige Stütze der Gesellschaft: Viele Familienunternehmen sind seit ihrer Gründung fest in ihrer Region verankert. Sie tragen maßgeblich zur regionalen Entwicklung bei – nicht nur als Ausbildungsstätte und Arbeitgeber, sondern beispielsweise auch als Sponsoren für kulturelle oder sportliche Initiativen. Zudem profitiert die regionale Entwicklung häufig auch von den Lösungsansätzen, Kompetenzen und Erfahrungen der Unternehmerinnen und Unternehmer, die diese im Laufe ihrer unternehmerischen Tätigkeit gewonnen haben. Gemeinsam mit anderen Akteuren erbringt der Mittelstand also einen erheblichen Teil des gesellschaftlichen Beitrags. In der Forschung wird dies als „gemeinschaftliche gesellschaftliche Wertschöpfung“ bezeichnet.

Gemeinsames Verständnis als Voraussetzung

Abhängig von der akuten Problemlage nehmen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft den gesellschaftlichen Beitrag des Mittelstands allerdings unterschiedlich wahr. Während er in wirtschaftlich schlecht aufgestellten Regionen oftmals rein mit dem ökonomischen Erfolg der mittelständischen Unternehmen gleichgesetzt wird, stehen in wirtschaftlich gut aufgestellten Regionen meist die regionale Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit im Fokus. Die Beiträge des Mittelstands, die sich nur mittelbar aus seiner wirtschaftlichen Tätigkeit ergeben, werden in diesen Regionen also stärker wahrgenommen, wie beispielsweise der bereits angesprochene Einsatz von unternehmerischen Kompetenzen für die Regionalentwicklung.

Wie aber können nun strukturschwache Regionen konkret den vielschichtigen Beitrag des Mittelstands nutzen? Dies gelingt vor allem dadurch, dass die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft zunächst abhängig von der jeweiligen wirtschaftlichen Situation ein gemeinsames Verständnis zur Rolle der mittelständischen Unternehmen entwickeln. Dabei kann auch ein Austausch mit Regionen, die bereits erfolgreich den Strukturwandel vollzogen haben, wichtige Impulse geben.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Vernetzung der einzelnen gesellschaftlichen und politischen Institutionen mit den Wirtschaftsunternehmen. Allerdings kann ein solches Zusammenwirken nicht von außen durch die Politik initiiert werden. Stattdessen muss es von den einzelnen regionalen Akteuren selbst kommen, denn nur so kann in der Region die notwendige Begeisterung für die Neugestaltung der gemeinsamen ökonomischen Zukunft entstehen. Und erst dann macht es auch Sinn, dass Politik und wirtschaftsnahe Organisationen versuchen, neue Wirtschaftsstrukturen aufzubauen und mittelständische Unternehmen zu stärken.

Entwickelt sich der Strukturwandel positiv und die mittelständische Wirtschaft erfolgreich, wird der Mittelstand nach und nach zum Hauptakteur der gesellschaftlichen Wertschöpfung in der Region. Gemeinsame Erfolge können dabei selbstverstärkend wirken und die gesellschaftliche Wertschöpfung zusätzlich befördern.

Damit Misserfolge hingegen nicht neue Ideen zum Wohle der Region behindern, sollten vor allem die gemeinschaftlichen Anstrengungen und Erfolge bei der Krisenbewältigung („Anpack-Mentalität“) in den Vordergrund gestellt werden: Dabei gilt es nicht nur, die Eigenverantwortlichkeit und den Erfindungsreichtum des Mittelstands hervorzuheben, sondern auch den Zusammenhalt der verschiedenen regionalen Akteure als wesentliche Erfolgsfaktoren der gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Wertschöpfung. Im Zeitverlauf entsteht so eine neue Erinnerungskultur: das Gefühl, etwas in der eigenen Region geschafft zu haben.

 

Zu den Autorinnen:

Friederike Welter ist Präsidentin des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn und Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insb. Management kleiner und mittlerer Unternehmen und Entrepreneurship, an der Universität Siegen.

Susanne Schlepphorst ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am IfM Bonn.

Hinweis:

Die diesem Beitrag zugrundeliegende Studie „Die gesellschaftliche Wertschöpfung des Mittelstands“ finden Sie hier.