Im Wahlkampf 2013 kündigte die Union an, Müttern mit vor 1992 geborenen Kindern zusätzliche Rentenpunkte zu gewähren – rückwirkend und unabhängig vom späteren Renteneintritt. Dieses konkrete Versprechen einer „Mütterrente“ war leicht verständlich, klar abgrenzbar – und politisch geschickt platziert.
Denn wer vor dem Stichtag ein Kind bekommen hatte, profitierte. Wer danach Mutter wurde, ging leer aus. Diese harte Grenze erlaubt einen selten sauberen Vergleich: Wie unterscheiden sich Wählerinnen, die durch wenige Tage oder Wochen gerade noch (oder eben nicht mehr) anspruchsberechtigt sind?
Dieser Frage bin ich in einer neuen Studie nachgegangen. Die Ergebnisse sind eindeutig und bieten einige wichtige Erkenntnisse für den politischen Betrieb: Mütter, die von der Mütterrente profitieren sollten, unterstützten die CDU/CSU mit rund 13 Prozentpunkten höherer Wahrscheinlichkeit als vergleichbare Frauen knapp außerhalb der Anspruchsgrenze.
Doch diese Unterstützung war nicht von Dauer. Bereits wenige Jahre nach der Wahl – und nachdem die Leistung eingeführt wurde – sank die Zustimmung wieder auf das alte Niveau. Die Wählerinnen kehrten zurück zu ihren ursprünglichen Parteipräferenzen.
Wie sich die Unterstützung vor und nach der Bundestagswahl 2013 für die Union bei betroffenen Müttern verändert

Von wem kamen die Stimmen?
Besonders bemerkenswert: Der Zuwachs für die Union kam nicht von unentschlossenen Wählerinnen – sondern von der Konkurrenz. Vor allem die Grünen verloren in dieser Zeit Unterstützerinnen an die CDU. Das zeigt: Es handelte sich nicht um eine generelle Mobilisierung, sondern um eine gezielte Verschiebung zwischen Parteien.
Und je größer der wirtschaftliche Nutzen des Versprechens, desto stärker der Effekt. Frauen mit niedrigem Einkommen, Alleinerziehende oder Mütter mit mehreren Kindern reagierten besonders sensibel. Bei Müttern mit einem Monatseinkommen unter 850 Euro – also im Bereich typischer Minijobs – stieg die Unterstützung für die Union sogar um knapp 28 Prozentpunkte. Das zeigt: Wer sich wirtschaftlich absichern will, lässt sich leichter von Versprechungen überzeugen – auch wenn diese erst Jahre später wirksam werden.
Drei Lehren für Parteien und politische Strategien
Nach der Wahl wurde die Mütterrente wie geplant eingeführt. Doch damit verschwand auch der politische Effekt. Die „Belohnung“ war erfolgt, der Anreiz zur weiteren Unterstützung entfiel. Die einst überzeugten Wählerinnen kehrten zurück zu ihren vorherigen Parteien.
Das politische Versprechen hatte seinen Zweck erfüllt – aber eben nur kurzfristig. Es wirkte wie ein einmalig einlösbarer Gutschein: attraktiv, solange er noch nicht eingelöst wurde, danach irrelevant.
Daraus lassen sich drei Lehren für Parteien und politische Strategien ziehen:
Wahlversprechen wirken – vor allem wenn sie einfach, glaubwürdig und zielgerichtet sind. Selbst eine kleine Maßnahme kann in einer bestimmten Wählergruppe große Wirkung entfalten.
Der Effekt ist meist nur kurzfristig. Sobald das Versprechen erfüllt wurde, verfliegt der politische Nutzen. Wer auf langfristige Unterstützung hofft, muss mehr bieten als eine einmalige Leistung.
Versprechen beeinflussen nicht alle gleichermaßen. Besonders empfänglich sind wirtschaftlich verletzliche Gruppen, die sich konkrete Verbesserungen erhoffen. Doch genau darin liegt auch die Gefahr: Wenn Versprechen gezielt dort gemacht werden, wo sie maximalen Wahlerfolg versprechen, droht eine instrumentelle, kurzsichtige Sozialpolitik.
Was bedeutet das für die Demokratie?
Sozialpolitische Versprechen sind ein zentrales Element demokratischer Auseinandersetzungen. Doch wenn sie nur noch kurzfristige Effekte erzeugen, entstehen neue Risiken:
- Parteien könnten sich in einen Überbietungswettbewerb begeben – wer verspricht am meisten?
- Langfristige Finanzierbarkeit und Systemgerechtigkeit drohen in den Hintergrund zu rücken.
- Die Glaubwürdigkeit politischer Entscheidungen leidet, wenn Maßnahmen nur zur Stimmenmaximierung gemacht werden.
Die Mütterrente war populär – politisch wie gesellschaftlich – vor allem unter den Begünstigten. Doch sie ist auch ein Beispiel dafür, wie kurzfristige Wahlstrategien langfristige Herausforderungen verdrängen können.
Zum Autor:
Michael Ganslmeier ist Juniorprofessor für Computational Social Science an der University of Exeter. Er forscht zu Wahlverhalten, Sozialpolitik und den Methoden kausaler Analyse. Homepage: michael-ganslmeier.com | X: @GanslmeierM | LinkedIn
Hinweis:
Die vollständige Studie, auf der dieser Beitrag beruht, finden Sie hier.