Letzte Woche hat die Europäische Kommission ihr sogenanntes erstes Omnibus-Paket vorgestellt. Es verfolgt das Ziel einer „beispiellosen Vereinfachung“, während es gleichzeitig den Zielen des europäischen Green Deal – dem Netto-Null-Plan der Europäischen Union – treu bleiben will, um „Unternehmen den Zugang zu nachhaltiger Finanzierung für ihren klimafreundlichen Wandel zu ermöglichen“. Dies ist ein komplexer Balanceakt. Sollte das Paket angenommen werden, könnte es die zugrunde liegenden politischen Ziele des Green Deal gefährden und die nachhaltige Finanzierung auf zwei wesentliche Arten beeinträchtigen.
Erstens schwächt das Paket die Berichtspflichten in drei zentralen EU-Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ab: der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und der Taxonomie-Verordnung. Die vorgeschlagenen Änderungen würden die Verfügbarkeit von Daten drastisch verringern. Die CSRD gilt für etwa 50.000 EU-Unternehmen, von denen Investoren bislang vergleichbare und qualitativ hochwertige Nachhaltigkeitsberichte erwarten konnten. Doch das Omnibus-Paket würde die CSRD-Berichtspflichten auf lediglich 20% dieser Unternehmen beschränken. Zudem würde es die Berichterstattung verzögern und oberflächlicher gestalten. Eine geschwächte CSDDD wiederum würde die Transparenz in den Wertschöpfungsketten großer Unternehmen verringern.
Investoren hatten erwartet, dass die durch die CSRD vorgeschriebenen Offenlegungen die derzeit weit verbreiteten, aber fehleranfälligen ESG-Ratings (Umwelt-, Sozial- und Governance-Bewertungen) von Drittanbietern ersetzen würden. ESG-Rating-Agenturen berücksichtigen nicht immer das Konzept der doppelten Wesentlichkeit – also sowohl die Auswirkungen eines Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft als auch umgekehrt die Auswirkungen externer Faktoren auf das Unternehmen. Für nachhaltigkeitsorientierte Investoren bleibt der Zugang zu Daten, die diesen Ansatz einbeziehen, jedoch unerlässlich. Sollte dies unter der CSRD nicht mehr gewährleistet sein, sollte die Kommission strengere Anforderungen für ESG-Ratings in der EU erwägen.
Zweitens könnten die Änderungen an den Taxonomie-Berichtspflichten einige bestehende Schwächen der Taxonomie noch verschärfen. Die Kommission erkennt an, dass die Realwirtschaft noch nicht gut auf die Taxonomie ausgerichtet ist: Nur 16% der Investitionsausgaben (Capex) der EU-Unternehmen sind mit der Taxonomie konform, obwohl theoretisch ein viel größerer Anteil dafür in Frage käme. Diese Diskrepanz ist besonders groß in Transformationssektoren wie Transport, Bauwesen, Infrastruktur, Immobilien und Chemie, die Schwierigkeiten haben nachzuweisen, dass sich ihre Kernaktivitäten nicht erheblich negativ auf die Umweltziele auswirken.
Das Omnibus-Paket führt die Möglichkeit ein, eine „teilweise Taxonomie-Ausrichtung“ für Aktivitäten zu melden, die nur einige der Anforderungen der Taxonomie-Verordnung erfüllen. Dies könnte die Anwendbarkeit der Taxonomie als Rahmen für Übergangsfinanzierungen verbessern. Doch diese Flexibilität wird durch eine Verkleinerung des Anwendungsbereichs geschmälert: Die Taxonomie-Berichtspflicht soll nur noch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und einem Nettoumsatz von über 450 Millionen Euro gelten.
Diese Verkleinerung hat direkte Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit im Finanzsystem. Da weniger Unternehmen über die Konformität ihrer Aktivitäten mit der Taxonomie berichten, wird die Taxonomie-Ausrichtung von Finanzprodukten – über die Finanzmarktteilnehmer gemäß einer anderen EU-Verordnung, der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), Bericht erstatten müssen – wahrscheinlich sinken. In vielen Fällen wäre dies ein „künstlicher“ Abbau, da er nicht auf tatsächlichen Veränderungen der Portfolios, sondern auf der verringerten Datenverfügbarkeit beruht. Dennoch würde dies für Endverbraucher von Finanzprodukten nachteilig sein, da die gemeldeten Datenpunkte weniger aussagekräftig und schwerer zu interpretieren wären.
Finanzmarktteilnehmer werden vermutlich noch zurückhaltender sein als bisher, wenn es darum geht, sich zu taxonomiekonformen Investitionen zu verpflichten, da sie weniger Daten zur Verfügung haben, um solche Verpflichtungen nachzuweisen. Da weniger Unternehmen über ihre Taxonomie-Ausrichtung berichten müssen, könnte auch die Emission taxonomiegebundener Finanzinstrumente zurückgehen – ein ohnehin schon winziger Nischenmarkt im Bereich nachhaltiger Finanzierungen.
Auf der positiven Seite schafft die Reduzierung der Berichtspflichten eine Chance für Unternehmen, die sich freiwillig dazu entscheiden, Nachhaltigkeitskennzahlen gemäß den CSRD-Standards offenzulegen. In einer Welt, in der Nachhaltigkeitsberichte nicht mehr vorgeschrieben sind, gewinnt für nachhaltigkeitsbewusste Investoren eine präzise Berichterstattung erheblich an Wert. Dies könnte zu einem „Greenium“ – also einer Nachhaltigkeitsprämie – für Unternehmen führen, die sich die entsprechende Mühe machen. Schon vor dem Omnibus-Paket hatten viele Unternehmen, die nicht der CSRD unterliegen, geplant, ihre Nachhaltigkeitsberichte teilweise oder vollständig an die CSRD anzupassen.
Schließlich machen die durch das Omnibus-Paket eingeführten Änderungen die bevorstehende Revision der SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) umso wichtiger. In einer EU-Konsultation forderten 82% der Befragten mehr Klarheit über das schwammige SFDR-Konzept der „nachhaltigen Investition“. Diese Klarheit wird in einem Umfeld mit eingeschränkter Nachhaltigkeitsberichterstattung umso dringlicher. Die Taxonomie schien ursprünglich als Standardrahmen für die Definition nachhaltiger Investitionen vorgesehen zu sein, aber die Reduzierung der Taxonomie-Berichtspflichten durch das Omnibus-Paket macht einen aktivitätsbasierten Ansatz für nachhaltige Investitionen zunehmend problematisch.
Ein alternativer Ansatz auf Basis einer Top-Down- und unternehmensweiten Bewertung der Übereinstimmung mit den Zielen des Green Deal hätte den Vorteil, dass er für alle Unternehmen auch in einem Umfeld mit weniger Offenlegungspflichten anwendbar und kapitalmarktneutral wäre. Dies würde dazu beitragen, dass der EU-Rahmen für Nachhaltigkeit im Finanzwesen einfacher zu handhaben ist und effektiv zur gewünschten Ausrichtung der Anreize zwischen Realwirtschaft und Finanzsektor beiträgt. In einer Zeit, in der nachhaltige Finanzierung politisch unter Beschuss steht, ist dies entscheidend um sicherzustellen, dass regulatorische Vereinfachung nicht zu einer Aushöhlung der EU-Klimaziele führt.
Zur Autorin:
Silvia Merler ist Leiterin der Abteilung ESG & Policy Research bei Algebris Investments. Außerdem ist sie Affiliate Fellow beim Thinktank Bruegel, wo dieser Beitrag zuerst in englischer Sprache erschienen ist.