Handelspolitik

Was die Europäische Union von Trumps Zöllen zu erwarten hat

Die neue US-Regierung könnte sich in der Handelspolitik für eine gestaffelte Vorgehensweise entscheiden – und die Europäer so vor schwierige Entscheidungen stellen. Eine Analyse von Uri Dadush.

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Donald Trumps deutlicher Sieg bei den US-Wahlen zeigt, dass die Vorstellung falsch war, der America-First-Protektionismus wäre nur eine vorrübergehende Abweichung von der Norm. Unterstützt von den Wählern in den Swing States reagiert America First auf grundlegende Kräfte, die seit vier Jahrzehnten am Werk sind: die schrittweise Aufgabe der selbsternannten Rolle der USA als Hüterin des liberalen, auf Regeln basierenden Systems in der postsowjetischen Welt, der Aufstieg Chinas als Erzrivale und die Gegenreaktion auf die neoliberale Politik, die mit großer Ungleichheit, steigender Einwanderung und der Entfremdung von weniger qualifizierten einheimischen Arbeitnehmern, insbesondere Männern, einherging. Trump hat diese Kräfte in eine gewaltige politische Bewegung kanalisiert.

Trumps Absicht, die Zölle zu erhöhen, widerlegt eine andere Form des Wunschdenkens: dass die Fragmentierung der Weltwirtschaft in Blöcke entlang einfacher geopolitischer Linien erfolgen wird, mit China und seinen Verbündeten auf der einen und den USA auf der anderen Seite. Es wird viel chaotischer sein als das. Trumps Zölle werden den Handel zwischen den USA und ihren Verbündeten stören. Und auch innerhalb der Gruppe der Verbündeten wird es neue Spannungen geben, da die einzelnen Länder aufgrund divergierender Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen unterschiedlich reagieren werden.

Trump verfügt über eine Vielzahl von Instrumenten, die er nutzen kann, um einzelne Länder anzugreifen, auch ohne den Kongress einzuschalten, und die Gerichte haben in der Vergangenheit den US-Präsidenten in der Handelspolitik viel Spielraum gelassen. Darüber hinaus könnte die Kontrolle über den Kongress es Trump ermöglichen, eine pauschale Zollerhöhung schnell durchzusetzen.

Die Zölle müssen jedoch nicht alle auf einmal eingeführt werden. Trump könnte sich aus drei Gründen für einen verhandelten und gestaffelten Ansatz entscheiden:

1.

Trumps Ansatz ist transaktional, wie er bei der Verhandlung des Abkommens mit Mexiko und Kanada sowie bei der Phase-One-Vereinbarung mit China gezeigt hat. Trump ist ein überzeugter Protektionist, aber er glaubt auch, dass die USA mächtig genug sind, um die Handelspolitik als Hebel einzusetzen, um viel bessere Abkommen zu bekommen, und zwar nicht nur mit Blick auf den Außenhandel. Was er von Mexiko will, ist nicht das, was er von der Europäischen Union oder von China will.

2.

Trump muss sich vor der Inflation in Acht nehmen. Die Nachlese der Wahl legt nahe, dass hohe Preise die Hauptursache für das Debakel der Demokraten waren. Inwieweit Zölle in Höhe von 60% gegen China und 10% bis 20% gegen alle anderen Länder die Preise in den USA erhöhen würden, hängt davon ab, inwieweit die Handelspartner ihre Preise gegenüber dem Niveau von vor den Zöllen senken, die einheimischen Erzeuger ihre Preise parallel zu den höheren Einfuhrpreisen nach den Zöllen anheben und der Dollar als Reaktion auf die Zölle aufwertet.

Meiner Einschätzung nach werden sich die Zölle einmalig um 2 bis 3% auf die US-Preise auswirken. Aber vor dem Hintergrund anderer angebotsbeschränkender und nachfrageerweiternder Maßnahmen, einschließlich geringerer Einwanderung, Abschiebungen, Steuersenkungen und lockererer Geldpolitik, könnten Zölle, die alle auf einmal eingeführt werden, einen neuen Inflationszyklus auslösen.

3.

Eine einseitige Zollerhöhung ohne vorherige Verhandlungen erhöht die Wahrscheinlichkeit koordinierter Vergeltungsmaßnahmen seitens der betroffenen Länder. Es wäre für Trump effektiver, sie einzeln zu attackieren – je nach den Forderungen der USA härter bei einigen, weicher bei anderen.

In Anlehnung an die Zeit vor Adam Smith misst Trump Handelsgewinne an der Größe der US-Handelsbilanz. Aus dieser Sicht ist China der Haupttäter, da es mit 254 Milliarden US-Dollar den größten Handelsüberschuss mit den USA hat. An zweiter Stelle steht Mexiko (154 Milliarden), gefolgt von der EU (107 Milliarden, davon Deutschland 86 Milliarden) und Japan (62 Milliarden).

Wenn die US-Partner asymmetrischen und diskriminierenden Abmachungen zustimmen, wie z. B. erzwungenen Abnahmeverpflichtungen, oder mit Zöllen konfrontiert werden, wird die Welthandelsorganisation weiter geschädigt, vielleicht unwiederbringlich. Es wird viele unbeabsichtigte Folgen geben und die politische Unsicherheit wird zunehmen. Sollte sich China beispielsweise von den USA abkoppeln, wird es versuchen, seine Exporte auf große Märkte wie Japan und die EU umzulenken, selbst wenn sich das Wachstum verlangsamt und es weniger importiert, was die Spannungen noch weiter verschärft.

Wenn es einen Silberstreif am Horizont gibt, dann ist es wahrscheinlich dieser: Anders als Biden ist Trump kein großer Freund von Industriesubventionen. Und Trump wird weniger als Biden dazu neigen, China und Russland als Erzfeinde zu behandeln. Das könnte die Tür zu Handelsabkommen öffnen, die früher unwahrscheinlich erschienen, aber auch einen Kompromiss im Russland-Ukraine-Konflikt nach sich ziehen, mit dem die EU große Bauchschmerzen hätte.

Die EU muss sich genau überlegen, ob sie verhandeln sollte. Die letzte große Verhandlung mit den USA (die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, TTIP) dauerte 15 Runden über drei Jahre. Die Verhandlungen waren freundlicher Natur, scheiterten aber kurz nach Trumps Wahl 2016. Eine Verhandlung mit Trump unter Zwang wird viel schwieriger sein. Die USA könnten verlangen, dass sich die Europäer im Zuge eines Abkommens zum Kauf von US-Erdgas, landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Waffen verpflichten.

Wenn die EU nicht in der Lage ist, die von Trump geforderten einseitigen Zugeständnisse zu akzeptieren, muss sie deutlich machen, dass sie zu Vergeltungsmaßnahmen bereit ist. EU-interne Spaltungen, die Zweifel an dieser Bereitschaft aufkommen lassen, erhöhen nur die Wahrscheinlichkeit eines schlechten Ergebnisses.

Das Dilemma der EU zeigt, dass Handel und Sicherheit untrennbar miteinander verbunden sind. Wie kann die EU ihre handelspolitische Autonomie bewahren, wenn sie in Bezug auf ihre Verteidigung so abhängig von den USA ist? Wie kann die EU ihre Handelsstreitigkeiten mit China bewältigen, ohne es sich zum Feind zu machen? Fest steht jedenfalls, dass die EU es sich nicht leisten kann, einen Handelskrieg an zwei Fronten zu führen.

 

Zum Autor:

Uri Dadush ist Non-resident Fellow beim Thinktank Bruegel, wo dieser Beitrag zuerst in englischer Sprache erschienen ist. Außerdem ist Dadush Forschungsprofessor an der School of Public Policy der University of Maryland.