Erneuerbare Energien

Eine konstruktive Nullzinspolitik kann und muss den Klimaschutz begleiten

Die privaten Investitionen in Erneuerbare Energien bleiben hinter dem klimapolitisch notwendigen Niveau zurück. Um sie zu steigern, braucht es entschlossene Maßnahmen.

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Der notwendige Umbau zu einer grünen, klimaschützenden Wirtschaft und Gesellschaft bedarf hoher Investitionen. Der Fortschrittsmonitor 2024 von EY und BDEW schätzt die Kosten der Energiewende bis 2035 auf etwa 1,2 Billionen Euro für ganz Deutschland. Allseits wird händeringend nach staatlichen Finanzierungsmitteln für den Klimaschutz gesucht. Zwar wird in vielen Studien dargestellt, dass die Kosten des Nichthandelns durch Klimaschäden viel höher sind, dennoch gilt oft die Meinung, dass Klimaschutz zu teuer sei. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse wird häufig behauptet, dass eine Klimaschutzfinanzierung kaum mehr möglich sei. Der Ansatz, den Klimawandel über öffentliche Schulden zu finanzieren, greift jedoch zu kurz, da er für viele Länder nicht tragbar ist. Auch wenn derzeit ein Bürgerbegehren auf EU-Ebene für die Einführung einer Vermögenssteuer läuft, würde eine solche Steuer selbst im Erfolgsfall die hohen Investitionen in den Klimaschutz bei weitem nicht decken.

Zum Jahresende 2023 gab es in Deutschland 7,7 Billionen Euro privates Geldvermögen, das bis Mitte 2024 auf 8,4 Billionen Euro anwuchs. Weniger als 20% dieses Vermögens würden ausreichen, um eine vollständige Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien in Deutschland zu finanzieren. Es ist daher entscheidend, verstärkt auf Anreize für privates Kapital zu setzen. Hans-Josef Fell, einer der Autoren dieses Beitrags und Mitautor des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), zeigte, wie solche Anreize erfolgreich funktionieren können. Das EEG mobilisierte privates Kapital und ermöglichte massive Investitionen in Erneuerbare Energien, was zu einer deutlichen Kostensenkung führte. Professor Karl von der Universität Erlangen-Nürnberg wies zudem nach, dass die Strompreise ohne die EEG-Förderung heute deutlich höher wären. Diese Beispiele verdeutlichen, wie wirkungsvoll gesetzliche Rahmenbedingungen sein können, um den Klimaschutz voranzutreiben.

Die Inflation hat ihre Hauptursache in der Steigerung der fossilen und atomaren Energiepreise

Mit den hohen fossilen Energiepreisen stiegen auch die Preise in fast allen anderen Produkten des Warenkorbs, da deren Herstellung stark von fossilen Energien abhängt. Diese Preissteigerungen wurden durch historische Ereignisse wie die Ölpreiskrise von 2008-2012 und deren wirtschaftliche Folgen, einschließlich der Inflation und der Lehman-Pleite, verstärkt. Indirekt treiben fossile Energien die Preise weiter nach oben: Mit jeder Zehntelgrad-Steigerung der Erdtemperatur nehmen Wetterextreme zu, die Missernten verursachen und somit die Lebensmittelpreise zudem erhöhen. Auch die fossilen Chemierohstoffe tragen zur Preissteigerung in vielen Produkten bei.

Zusätzlich zu den gestiegenen Energiekosten trieben die Zinserhöhungen die Preise aller Produkte und Dienstleistungen weiter nach oben. Dies führte zu einer erheblichen Verschärfung der Wirtschaftskrisen und einem Einbruch in Teilen der Volkswirtschaft, insbesondere in der Baubranche, da viele Bauwillige die hohen Zinsen und Baupreise nicht mehr tragen konnten. Trotz dieser Entwicklungen bleiben die Notenbanken bei hohen Zinsen. Während die privaten Geldvermögen der Reichen wieder steigen, geht die Investitionsbereitschaft der Gesellschaft massiv zurück.

Negative Zinsen und Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien

Jedes Produkt, das der Abhängigkeit von fossilen und atomaren Energiepreisen entkommen ist, wird von deren Preissteigerungen unabhängig. Die Erneuerbaren Energien nutzen Sonnenstrahlen, Wind, Wellen, Wasserströmung und Erdwärme, die als Energie-„Rohstoff“ nichts kosten. Die Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien erfordert jedoch hohe Investitionen, die zwar in den privaten Geldvermögen vorhanden sind, aber aufgrund der aktuellen Geldmarktordnung nicht ausreichend schnell investiert werden. Historisch gesehen waren es vor allem private Investitionen, die den Erfolg der Erneuerbaren Energien mit dem EEG seit dem Jahr 2000 ermöglichten, wobei 2019 mehr als 50% der Anlagen in privater Hand waren.

Die Gründe für den großen Erfolg des privaten Investments in Erneuerbare Energien waren vor allem zwei: die feste, gesetzlich garantierte Einspeisevergütung und die Nullzinsphase, die das Anlegen von Geldvermögen auf Banken unattraktiv machte. Etwa seit 2016 sind die privaten Investitionen jedoch stark zurückgegangen, hauptsächlich aufgrund der Umstellung auf staatliche Ausschreibungen, der Corona-Zeit und der ab 2022 gestiegenen Zinsen, die das Anlegen von Geldvermögen auf Banken wieder attraktiv machten. Obwohl die privaten Investitionen in Erneuerbare Energien seit 2023 wieder gestiegen sind, bleiben sie hinter dem klimapolitisch notwendigen Maß zurück. Um den Ausbau der Erneuerbaren Energien auf das erforderliche Niveau zu bringen, sind daher wieder stärkere Anreize erforderlich, ähnlich denen des EEG von 2000.

Null- bzw. Minuszins macht ökologische Investitionen lukrativ

Solange der Zinsertrag einer Geldanlage höher erscheint als die Energiekostenreduzierung nach einem Investment, fehlt der ökonomische Anreiz für klimafreundliche Investitionen. Zinsen führen dazu, dass Geld angehäuft statt investiert wird. Nullzinsen hingegen fördern Investitionen, da selbst geringe Renditeerwartungen, wie bei Beteiligungen an einem Bürgerwindpark, attraktiver erscheinen.

Negative Zinsen auf Geld, auch Haltegebühren genannt, machen Investitionen attraktiver als das Horten von Geld bei der Bank und senken die Refinanzierungskosten. Dies steigert den Anreiz, in energiekostensenkende Technologien wie PV-Anlagen oder Wärmepumpen zu investieren. Zusammen mit gesetzlichen Anreizen könnten solche Maßnahmen teuren Strom aus fossilen Quellen unattraktiver machen und den notwendigen grünen Umbau der Wirtschaft finanzieren.

Die Stimmen in Zentralbanken und Finanzwirtschaft für negative Zinsen werden lauter

Ein Nullzinsniveau oder negative Zinssätze sind heute konkrete Themen für westliche Zentralbanken. Der Internationale Währungsfonds (IWF) diskutiert, wie Zentralbanken Systeme einrichten können, die stark negative Zinssätze umsetzbar machen. Ökonomen wie Kenneth Rogoff, Miles Kimball und Ruchir Agarwal haben sich intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt. Für die Europäische Zentralbank hat Katrin Assenmacher-Wesche, Leiterin der Abteilung Geldpolitikstrategie, zusammen mit Signe Krogstrup von der Schweizer Nationalbank, aktiv an der Diskussion teilgenommen.

Kate Raworth weist in ihrem Buch Die Donut-Ökonomie darauf hin, dass eine Währung mit Liegegebühr/Demurrage „Investitionen in Erneuerbare Energien fördern kann“. Weitere gesellschaftliche Vorteile sinkender Zinsen finden sich in den Werken von Helmut Creutz und Margrit Kennedy. Sie argumentieren, dass mit sinkenden Zinsen

  • das übersteigerte Wachstum der Geldvermögen und der Überschuldung zurückgeht;
  • Diskrepanzen zwischen Arbeit und Besitz sowie Arm und Reich verringert werden;
  • alle Schulden trag- und rückzahlbar werden;
  • die Wirtschaftsentwicklung mehr von den Interessen der nachfragenden und leistenden Menschen bestimmt wird.

Es ist an der Zeit, Feldversuche und die wissenschaftliche Durchdringung des Themas voranzutreiben. Regionalgelder wie der Chiemgauer und das Experiment von Wörgl in den 1930er Jahren bieten wichtige Hinweise. Zentralbanken sollten schnell zur Nullzinsphase oder besser noch zur Negativzinspolitik übergehen, um Investitionen zu fördern.

 

Zu den Autoren:

Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group (EWG). Von 1998 bis 2013 war er Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90 / Die Grünen.

Klaus Willemsen ist Autor und freier Referent der Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung.