In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst Forum (früher piqd) eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. Formum.eu versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.
Sehr gute Analyse der neuen US-Zölle gegen China
piqer:
Rico Grimm
Das hier ist eine Doppelempfehlung:
Erstens, für den Newsletter selbst. Apricitas ist für mich die erste Anlaufstelle, wenn ich mich außerhalb der großen Medien über die US-Wirtschaft informieren will. Smart, gute Charts und hintergründig.
Zweitens, für den Artikel natürlich. Darin nimmt Autor Josh Politano die Zölle auseinander, die die USA gerade gegen China verhängt haben. Das ist ein wichtiges Thema. Weil es der nächste Schlag im Handelskrieg der beiden Supermächte war und weil die Zölle nur Produkte betrafen, die für die Energiewende entscheidend sind. Und aufgrund der schieren Größe der USA ist dortige Energiewende-Politik direkt von globaler klimapolitischer Bedeutung.
Die gute Nachricht vorweg:
Viele der in der vergangenen Woche angekündigten Zölle werden sich kurzfristig kaum auswirken, da die USA in den betreffenden Branchen zumindest nominell bereits vollständig von den chinesischen Einfuhren abgekoppelt sind.
Die schlechte ist, dass diese Zölle eine gigantische Wette der US-Regierung sind:
Bidens neue China-Zölle haben der amerikanischen Industrie noch mehr Schutzmaßnahmen verschafft, um den Rückstand aufzuholen, aber wenn dies nicht schnell geschieht, riskieren die USA eine weitere zerstörerische Isolierung ihrer Wirtschaft.
Politano ist skeptisch. Sein Hauptargument: Auch mit diesen Zöllen werden es die USA nicht schaffen, billiger als China zu produzieren. Ich würde allerdings hinzufügen, dass sie vielleicht nicht bei Batterien, E-Autos oder Solarpaneelen mithalten können. Aber Subventionen und Zölle geben Anreize, neue Expertise aufzubauen, die wiederum zu neuen Startups führen wird – wo die USA dann wieder wettbewerbsfähig sein könnten.
Technik, Wirtschaft und Gesellschaft – wie entsteht Zukunft?
piqer:
Thomas Wahl
Ein Technik-Historiker, der Neues aufregend findet, aber ein Feind des Begriffs „Fortschritt“ ist. Das klingt interessant. Ist aber für mich nachvollziehbar. Nicht nur in der Technik. Der Begriff „Fortschritt“
… kann fast nichts erklären. Er impliziert einen zwangsläufigen und zielgerichteten Weg in die Zukunft, von der wir doch praktisch nichts wissen. Zudem blendet der Begriff die Frage aus, für wen sich Vorteile und für wen sich Nachteile ergeben werden. Dieser «Fortschritt» ist gewissermassen naturwüchsig. Ich spreche lieber von technischem Wandel. Er lässt sich evaluieren und findet nicht einfach statt.
Den konkreten Wandel sehen alle, man kann ihn messen. Aber was für den einen daran Fortschritt ist, das ist für den anderen die Apokalypse. Ist eine Gesellschaft, in der die absolute Armut beseitigt ist, aber die als relativ definierte Armut nicht verschwindet, nun progressiv oder nicht?
Nehmen wir das Beispiel KI. Viele glauben, durch diese Technik wird der Mensch zumindest im Arbeitsleben überflüssig gemacht. Andere meinen, damit wird die Menschheit zu völlig neuen intellektuellen und wirtschaftlichen Leistungen befähigt. Und das ist offensichtlich ein typisches Muster. Zuerst eine grosse Hysterie, die sich dann in eine pragmatische Nutzung wandelt. Dazu Daniel Di Falco:
Es stimmt, im Moment hat man die Wahl zwischen Apokalypse und Erlösung. Aber das heisst eigentlich nur, dass noch kein Konsens darüber gefunden worden ist, was zu erwarten ist. Wir wissen heute nicht, ob wir in zehn Jahren über die KI nur noch stöhnen oder ob wir sie in unsere Arbeitswelt und unser Privatleben integriert haben werden. Aber die Verheissungen und Befürchtungen klingen ganz ähnlich wie jene, die Mitte der 1990er Jahre aufkamen, als es um das Internet und um Suchmaschinen ging: Jetzt könne jeder alles wissen, sagten die einen. Jetzt könne jeder alles behaupten, sagten die anderen. Mittlerweile haben wir uns recht kommod mit diesen Dingen eingerichtet und wissen sie einzusetzen. Und wir wissen auch, was sie nicht leisten können.
Dabei sind bei der historischen Analyse allgemeine, abstrakte Begriffe wie „der Mensch“ oder „die Menschheit“ wenig hilfreich. Jede Epoche hat ihre typischen Vorstellungen vom Menschsein und diese ändert sich mit den technischen Möglichkeiten:
Der sogenannte Mensch ist Kitsch. Es gibt Junge, Alte, Reiche, Arme – das Entscheidende sind die unterschiedlichen Motivationen und Interessen. Als Historiker frage ich mich, was man sich in einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit unter dem «Menschen» vorgestellt hat. Und je nachdem, wie diese Gedankenfigur aussah, gab es Irritationen angesichts des technischen Wandels.
Di Falco macht dies anschaulich am Beispiel des Schachcomputers. Als der Schachcomputer „Deep Blue“ 1997 das erste mal den Weltmeister geschlagen hatte, galt diese Niederlage von Garri Kasparow als eine Beleidigung für den „Menschen“.
Das hat sich gelegt, vielleicht weil Schach nicht mehr als ultimativer Intelligenztest gilt. Oder weil ein Computer nicht Mitglied in einem Schachklub werden kann. Er wird heute als Trainingsgerät genutzt.
Der Historiker macht zurecht auf die konkrete Wechselwirkung zwischen Gesellschaftsentwicklung, Technikentwicklung und Wirtschaft im Geschichtsprozess aufmerksam. Nicht hier Technik, da Mensch, nicht hier Ursache, da Wirkung. Erklärt wird dies im Artikel am Beispiel der Schweiz, die im späten 19. Jahrhunderts damit anfing, elektrische Energie zu produzieren. Es gab noch keine Nutzer und auch auch keinen Konsens, wozu man Strom alles verwenden könnte oder sollte.
Die Technik wurde der Gesellschaft angepasst, die Gesellschaft passte sich der Technik an:
Wer ein Flusskraftwerk in Betrieb nehmen wollte, der konnte den Strom zwar nicht den Kühen am Ufer der Aare verkaufen. Aber vielleicht liessen sich die Bauern der Umgebung gewinnen: Hast du dir schon einmal überlegt, eine Melkmaschine anzuschaffen? Und wenn du dann schon einen Motor hast: Du könntest damit auch eine Güllepumpe antreiben. Und ein Heugebläse. Und eine Holzfräse. Und weisst du was: Wir schenken dir einen guten Motor. Für den Strom zahlst du einen Pauschaltarif, aber du darfst ihn nur tagsüber nutzen, denn abends brauchen wir Strom für die Beleuchtung auf dem Dorfplatz und in den Beizen. So machten es die Produzenten, und so funktioniert technischer Wandel eigentlich immer: Es ist nicht die Nachfrage, die die Entwicklung stimuliert, sondern umgekehrt. Man macht ein Angebot und bemüht sich darum, dass sich das passende Bedürfnis entwickelt. Solche Dinge gehören zum Prozess, in dem sich eine Gesellschaft über eine neue Technologie verständigt.
Hier würde ich etwas widersprechen. Auf einer allgemeinen Ebene gab es natürlich schon immer Bedürfnisse nach einer Erleichterung der Arbeit, nach einem besseren Leben ohne Hunger, in Gesundheit und nach intellektuellen Erlebnissen, nach Genuss in der Freizeit. Diesen allgemeinen, zeitlosen „Wünschen“ folgt m.E. auch die Technikevolution.
Di Falco macht klar, dass für ihn technisch-sozialer Wandel kein friktionsfreier, demokratischer Prozess ist.
Es geht in diesen Aushandlungsprozessen darum, aus heterogenen Motivationen homogene Interessen zu bilden. Das geschieht nicht ohne Konflikte, und es ist ein knallhartes Geschäft mit Gewinnern und Verlierern.
Dabei haben große Konzerne, Unternehmen natürlich eigene Interessen. Dabei wäre es naiv anzunehmen,
alles werde in den Zentralen von Google oder Apple entschieden. Auch die Nutzer haben ihre Interessen, und das ist einer der Gründe, warum sie sich ein Smartphone kaufen. Sie wollen den Wochenendausflug planen, den Lohneingang auf dem Konto kontrollieren und wissen, ob die Kinder im Bett sind. Jedes Gerät hilft einem, eigene Interessen durchzusetzen. Wenn es wirklich so wäre, dass die Anbieter den technischen Wandel nach ihrem Willen gestalten und durchsetzen könnten, dann gäbe es auch keine Erklärung für die ganzen Fehleinschätzungen und Misserfolge.
Wenn aber die Metapher vom Fortschritt zur Analyse des historischen Prozesses der Gesellschafts- und Technikentwicklung nicht geeignet erscheint, was dann? Es könnte das Bild von den evolutionären Prozessen in der Natur sein – es ist Evolution. Also der Mechanismus der Anpassung an sich verändernde Umgebungen. Der Wettbewerb zwischen verschiedenen Lösungsansätzen, bei denen wir erst im Nachhinein sehen, welche erfolgreich sind. Der Erfolg muss sich über Versuch und Irrtum erweisen. Aus dieser Sicht würde das Vorsorgeprinzip nicht bedeuten, Lösungen frühzeitig abzublocken, sondern verschiedene Lösungen sich im Entwicklungsprozess nach ihren Potentialen und Risiken selektieren zu lassen. Sozusagen das „Survival of the Fittest“ im Sinne der darwinschen Evolutionstheorie – das Überleben der am besten angepassten Technik.
Dazu findet sich gerade in „Soziopolis“ eine interessante Rezension zu „Co-Evolution. Die Symbiose von Mensch und Maschine“ von Edward Ashford Lee. Auch hier finden wir eine Absage und eine vorsichtig optimistische Sicht, die digitale Erweiterung des menschlichen Geistes weniger als Bedrohung, sondern als logische Fortsetzung eines evolutionären Prozesses zu erklären.
Bereits auf den ersten Seiten von Co-Evolution fällt auf, dass Lee über Maschinen, Softwaresysteme und KI schreibt, als spräche er von Lebewesen. Sie „altern“, sie sind „lebendig“, sie „sterben“, sie werden „getötet“ (S. 19, 21) – Begrifflichkeiten die für gewöhnlich auf biologische Organismen und nicht auf digitale Systeme angewendet werden. Die Anleihen aus der Biologie sind dabei keineswegs metaphorisch zu verstehen. Lee ist es vollkommen ernst mit der Übertragung evolutionsbiologischer Prinzipien auf Mensch-Maschine-Beziehungen, die für ihn ein „viertes Zeitalter“ in der Entwicklung der Menschheit markieren.
Diese vierte Etappe der Evolution überschreitet die vorherigen biologischen Entwicklungen kohlenstoffbasierten Lebens. Das vierte „synthetische“ Zeitalter der Evolution überschreitet für Lee
die Grenze zwischen belebter und unbelebter Welt und verbindet die Domäne kohlenstoffbasierter Lebewesen mit der Siliziumwelt der Maschinen. Der entscheidende qualitative Sprung besteht dabei darin, dass die Entwicklung der menschlichen Intelligenz sich nicht länger aus sich selbst speist, sondern zum Effekt der Interaktion mit Maschinen wird, deren genaue Funktionsweise sich zunehmend der Kenntnis menschlicher Akteur:innen entzieht. Genau das beobachten viele mit wachsendem Unbehagen seit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022.
Diese Sicht auf einen Prozess, in dem sich Mensch und Maschine wechselseitig in Co-Evolution verändern, hat natürlich Folgen auf unsere Erwartungen.
Ist die Menschheit von einer autonomen Akteur:in zu einem bloßen Spielball technologischer Entwicklungen geworden? Keineswegs. Wir mögen keine volle Kontrolle über die Entwicklung haben, aber wir können mit politischen Maßnahmen und Regulierungen immer noch wenigstens versuchen, sie in die richtige Richtung zu lenken und unerwünschte Ergebnisse zu minimieren. Längst sind wir auch noch nicht so vollständig mit der uns umgebenden Technik verschmolzen, dass ein Überleben ohne sie nicht mehr möglich wäre (das Fortbestehen der Art, wohlgemerkt – nicht das Überleben einer möglichst hohen Zahl von Individuen!). Womöglich kommt es auch nie so weit. Und schließlich sind wir nach wie vor weit davon entfernt, dass Software sich gänzlich abgekoppelt von menschlichem Input selbst fortschriebe und die Menschheit damit letztlich obsolet machte. Immer noch sind Computer genauso auf Menschen angewiesen wie wir auf Computer.
Daraus ergibt sich natürlich kein idealer Prozess, Anlässe zur Beunruhigung bleiben. Die Konstellation der schnellen Co-Evolution mag für die Gattung nützlich sein. Bei den Einzelnen hingegen wird es Verlierer und Gewinner geben. Aber wir können und müssen versuchen, diese Gefahren abzumildern,
und die Chancen stehen nicht schlecht, dass uns das auch gelingen wird.
Warum Erlangen boomt und Wuppertal leidet
piqer:
Rico Grimm
„Erlangen und Wuppertal waren einander vor 30 Jahren noch sehr ähnlich. Dann ging es mit der einen Stadt bergauf, mit der anderen bergab“, heißt es im Teaser dieses Artikels und allein für diese Beobachtung will ich dem Autor Alexander Wulfers schon applaudieren. Denn es ist im täglichen Nachrichtengeschäft nicht leicht, den Blick für solche Zusammenhänge zu behalten. Aber nur deswegen empfehle ich dir den Text nicht. Da steckt noch mehr drin.
Wulfers zeigt im Detail und anschaulich, wie wichtig Bildung und lokale Foschungscluster sind, wenn ein Strukturwandel ansteht. Denn Erlangen hat die „beste Uni, die keiner kennt“, wie es im Text scherzhaft heißt. Diese Uni ist eng verwoben mit Siemens. Studierende haben so schnell Zugriff auf die Ressourcen und Technologien des großen Industriekonzerns.
Wuppertal aber hat kein Siemens, sondern erstmal nur einen ehemaligen Weltmarktführer für Chemiefasern, der pleite gegangen ist. Es versucht, sich als Kulturstadt neu zu erfinden. Und: Wuppertal hat kaum Platz. Erlangen hingegen hat in den 1990er Jahren durch den Abzug der US-Armee mitten in der Stadt 136 Hektar Land bekommen. Dort sitzt heute der Medizintechnik-Konzern Siemens Healthineers.
Es gibt noch mehr Faktoren. Zusammen ergeben sie ein spannendes Bild der deutschen Industriegeschichte und -gegenwart.
Auch die E-LKW setzen sich langsam durch – und Wasserstoff verliert
piqer:
Rico Grimm
Kürzlich hat die Wirtschaftsweise Veronika Grimm für Schlagzeilen gesorgt. Weil sie sich in einem sogenannten Minderheitenvotum gegen die Mehrheit ihrer Kolleg:innen im Rat stellte und für den Aufbau einer Infrastruktur für Wasserstoff-Lkw plädierte. Das ist pikant, weil Grimm auch im Aufsichtsrat von Siemens Energy sitzt, einer Firma, die auch mit Wasserstoffinfrastruktur ihr Geld verdient.
Es ist aber auch deswegen verwunderlich, weil immer weniger Forscher, Kunden und Hersteller glauben, dass Wasserstoff-Lkw eine Chance haben, sich am Markt durchzusetzen. Es bahnt sich die gleiche Story wie bei den Pkw an: E-Autos mit Batterien sind effizienter, billiger und praktischer. Deswegen wird es keine Wasserstoff-Autos im breiten Markt geben.
In dem Text, den ich euch heute empfehle, hat Stefan Hajek alle relevanten Studien zum Thema zusammengetragen. Es ist eine hervorragende Bestandsaufnahme. Mehr muss man als Laie eigentlich nicht zum Thema lesen!
NGOs müssen sich um aufgegebene Bohrlöcher kümmern
piqer:
Ole Wintermann
In den USA emittieren ca. 3,9 Mio. aufgegebene Gas- und Ölbohrlöcher jährlich so viele Tonnen Methan, wie es den jährlichen CO2-Emissionen von 23 Gaskraftwerken entspricht. Von diesen Bohrlöchern sind 126.000 Löcher keinem Besitzer zuzuordnen. Die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Finanzmittel reichen bei weitem nicht aus, um diese Löcher „zu stopfen“. Folge: NGOs wie die „Well Done Foundation“ und die im Text der New York Times vorgestellten Teenager kümmern sich um den Dreck, den Unternehmen hinterlassen haben, die nach der Maxime gehandelt haben, dass Profite privatisiert und Umweltschäden sozialisiert werden.
Seit 2019 konnte die Stiftung 44 Bohrlöcher verschließen. 44 Löcher von 126.000 verwaisten Bohrlöchern. Im Austausch hat die Stiftung Verschmutzungsrechte erworben, mit denen sie nun handeln kann.
Am Ende des Beitrags stellt sich drängend die Frage, wieso wir Unternehmen, die unser aller Lebensgrundlagen zerstören, ständig aus ihrer Verantwortung entlassen.
Grundrecht Klimaschutz
piqer:
René Walter
Zu Beginn der Woche erhob die Staatsanwaltschaft Neuruppin Anklage gegen Aktivisten der Letzten Generation, unter anderem wegen des Verdachts der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Damit macht sich die Staatsanwaltschaft nicht nur zum Sprachrohr des konservativen Think Tank-Netzwerks Atlas, das gezielt Lobbyarbeit gegen unbequeme Klimapolitik betreibt und schon vor Jahren Einfluss auf Politiker ausübte, unter anderem auf den Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler von der FDP. Der ist, neben seiner Tätigkeit im Bundestag, gleichzeitig Managing Director des Think Tanks Prometheus, der wiederum Teil des Atlas Networks ist. Schäffler war eine der prominentesten konservativen Stimmen, die mit Beginn der Proteste der Letzten Generation von „Terrorismus“ und „kriminelle Vereinigung“ sprach, was von konservativen Medien wie der Welt und der Bild dankbar aufgegriffen und etabliert wurde.
Diese Wortwahl angeblicher Volksvertreter und konservativer Medien wohlgemerkt für eine Protest-Organisation, die sich explizit dem Klimaschutz verschreibt, der 2021 mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Verfassungsrang gehoben wurde. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat sich nun also von konservativen Thinktanks und massenmedial verbreiteten Memes rechter Politiker vor den Karren spannen lassen, um Kids zu kriminalisieren, die Widerstand gegen eine Politik organisieren, die vom Verfassungsgericht legitimierte Grundrechte verletzt. So weit, so schlecht.
Die Tagesschau beschäftigt sich nun in einem Kommentar zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes mit einem Grundrecht auf Klimaschutz, und ob eine grundgesetzliche Verankerung von Naturrechten hilfreich wäre, also bestimmte Rechte für Flüsse, Wälder, Tiere, aber auch die Atmosphäre.
Ich weiß nicht, ob neue Rechtssubjekte der Natur hilfreich sind für den Klimaschutz, und skeptische Stimmen im Artikel weisen zurecht darauf hin, dass Natursubjekte ihre Rechte gar nicht wahrnehmen und sich nicht auf sie berufen könnten, es also immer menschliche Verwalter dieser Rechte bräuchte. Ebenfalls denke ich, dass die vom Verfassungsgericht betonte „Generationengerechtigkeit“ völlig ausreichend ist, um den Schutz von Natursubjekten zu gewährleisten, im Rahmen bereits vorhandener Höchstwerte und Begrenzungen. Laut der Entscheidung von 2021 ist Klimaschutz justiziabel und gehört zum Grundrechtsschutz, dem ist nicht viel hinzuzufügen.
Dennoch sei, so Rechtsanwältin Roda Verheyen, die den Klimabeschluss aus Karlsruhe erstritten hatte, diese Rechtssprechung „in der Entscheidungswirklichkeit deutscher Gerichte“ noch nicht angekommen, obwohl „das Klimaschutzgebot mit Verfassungsrang radikale Transformationen bedingt und voraussetzt“. Ich bin mehr als sicher, dass die Staatsanwaltschaft Neuruppin eher die vom Atlas Network eingeflüsterten Tweets von Frank Schäffler statt den Klimabeschluss des Verfassungsgerichts und die daraus folgenden ökologischen Grundrechte bei ihrer Anklageerhebung im Sinn hatte.
Angesichts der immer weiter voranschreitenden Kriminalisierung von Kids, die mit zivilem Ungehorsam für die vom Verfassungsgericht verbürgten Grundrechte der Menschen kämpfen und dafür von Rechtsthinktank-gememten Menschen beschimpft und bespuckt werden, kann man der Staatsanwaltschaft Neuruppin nur entgegnen: Jetzt erst Recht.
Mit TikTok Shop startet der nächste Retail-Disruptor in Q3-2024.
piqer:
Björn Ognibeni
Nach SHEIN und Temu wird der nächste große Treiber für Veränderung im (Online-)Retail TikTok Shop sein. Der Start in der EU wird für Q3 2024 erwartet und im Manager Magazin gibt es einen interessanten Bericht über den aktuellen Stand der Vorbereitungen (Paywall, aber mit Gratis-Link. Hoffe, es geht.)
Der große Unterschied zu Metas E-Commerce-Bemühungen wird sein, dass man nicht nur auf einen Shop verlinkt, sondern TikTok die ganze „harte Arbeit“ selbst übernimmt:
„Ebenfalls in Großbritannien hat TikTok bereits frei nach Amazons Logistikarm FBA (Fullfilment by Amazon) einen eigenen Dienst FBT gestartet, kurz für: Fulfilled by TikTok. Wie bei Amazon können Anbieter ihre Waren in die TikTok-Lager einliefern lassen, TikTok kümmert sich um Auslieferung am nächsten Tag, um die Abwicklung und die Retouren. Auch mit Logistikanbietern in Deutschland soll es schon erste Gespräche gegeben haben.“