In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.
Kein Jahresgutachten des Grauens – aber schlechte Aussichten
piqer:
Thomas Wahl
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat Anfang des Monats wieder sein aktuelles Jahresgutachten 2023/24 veröffentlicht. Laut Wikipedia besteht der gesetzliche Auftrag des Sachverständigenrats darin,
die gesamtwirtschaftliche Lage und ihre absehbare Entwicklung im Sinne einer Prognose darzustellen. Dabei soll nach Möglichkeiten gesucht werden, das Preisniveau stabil zu halten, Arbeitslosigkeit zu vermeiden und ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht zu halten oder herzustellen. Dies solle alles im Rahmen der freien Marktwirtschaft und bei stetigem und angemessenem Wachstum geschehen. Die Verteilung von Einkommen und Vermögen soll ebenfalls berücksichtigt werden. Die wirtschaftliche Lage wird auch auf mögliche aktuelle Spannungen zwischen Nachfrage und Angebot untersucht. Dabei sollen eventuelle Fehlentwicklungen erörtert werden. Der Rat verfolgt die als Magisches Viereck bezeichneten vier wirtschaftspolitischen Ziele: Stabilität des Preisniveaus (Geldwertstabilität), hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht sowie stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum. Er darf in seinem Gutachten keinen Lösungsweg empfehlen.
Der Titel lautet dieses Jahr salomonisch „Wachstumsschwäche überwinden – In die Zukunft investieren“. Angesichts der vielen bekannten wirtschaftlichen Probleme hierzulande und global verwundern die Erwartungen des Sachverständigenrates nicht. Dieser meint,
dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2023 um 0,4 % zurückgeht. Hierfür ist insbesondere der Rückgang der inländischen Nachfrage verantwortlich, zum großen Teil bedingt durch den starken Rückgang der staatlichen Konsumausgaben zu Jahresbeginn 2023.
Nicht nur die Corona-Pandemie und die Energiekrise haben in Europa und insbesondere in Deutschland deutliche Spuren hinterlassen. Zwar hofft man, dass sich bis Ende 2024 die privaten Konsumausgaben wegen steigender Realeinkommen wieder erholen.
Die unerwartet schleppende Erholung der Weltwirtschaft, insbesondere Chinas, dürfte sich aber fortsetzen und auch im Jahr 2024 die deutschen Exporte bremsen. Dementsprechend dürfte der Außenbeitrag negativ sein. Für das Jahr 2024 ist davon auszugehen, dass sich das BIP-Wachstum leicht erholt und 0,7 % beträgt.
Viele Wachstumshemmnisse sind ja bereits seit vielen Jahren bekannt, wurden allerdings bisher nicht ausreichend ernst genommen:
Erstens ist absehbar, dass durch die demografische Alterung der Anteil der 20- bis 64-Jährigen an der Gesamtbevölkerung sinken wird und das inländische Arbeitsvolumen zurückgeht. Zweitens sind das Produktivitätswachstum und das Wachstum des Kapitalstocks, aber auch der Modernitätsgrad des Kapitalstocks, seit Jahrzehnten rückläufig. Dies spiegelt sich in den niedrigen und gesunkenen Gründungsraten und der geringen Verfügbarkeit von Wagniskapital für junge Wachstumsunternehmen wider. Deutschland droht somit eine Alterung nicht nur seiner Bevölkerung, sondern auch seiner industriellen Basis.
Dementsprechend lauten auch die Empfehlungen des Gutachtens. Verbesserte Erwerbsanreize und Reformen der Zuwanderungspolitik sollen das Sinken des Arbeitsvolumens dämpfen. Gleichzeitig müssen die Innovationsanstrengungen und die Investitionstätigkeit gesteigert werden.
Zur Modernisierung der Wirtschaft können der Einsatz neuer Querschnittstechnologien wie beispielsweise Künstlicher Intelligenz (KI), ein dynamisches Gründungsgeschehen und insbesondere junge Wachstumsunternehmen entscheidend beitragen. …. Ein zu enger Fokus auf Wirtschaftsbereiche, die im Strukturwandel gefährdet sind, würde die notwendige Reallokation von knappen Ressourcen hin zu neuen Geschäftsfeldern bremsen.
In einem Interview mit der NZZ wird eine der „Wirtschaftsweisen“, Veronika Grimm, noch etwas deutlicher. Es gebe gute Gründe, besorgt zu sein, was den Erhalt unseres Wohlstandes betrifft.
Unsere Projektion kommt auf ein jährliches Wachstum von lediglich 0,4 Prozent bis 2028. Das ist nur ein Drittel dessen, was in der vergangenen Dekade der Normalfall war. Wichtig ist aber zu betonen, dass es sich hierbei weder um eine Vorhersage noch um eine Prognose handelt. Politische Entscheidungen können daran etwas ändern. Im schlimmsten Fall könnte das deutsche Wachstum also noch geringer ausfallen, im besten Fall aber auch deutlich darüberliegen.
Wenn jetzt keine grundlegenden Reformen angestoßen werden, sieht es also trübe aus. Und die vorgeschlagenen Maßnahmen haben es in sich. Besonders radikal erscheint diese:
Eine Nettozuwanderung von jährlich 400 000 Personen würde das Erwerbspersonenpotenzial konstant halten. Das wären – wenn man berücksichtigt, dass auch viele wieder abwandern – 1,5 Millionen Menschen pro Jahr. Um diesen Zuzug zu stemmen, müsste die Bundesregierung dringend die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Man sollte etwa eine eigene Zuwanderungsbehörde schaffen, die losgelöst von den Asylverfahren arbeitet. Vor allem aber müssen Arbeitnehmer aktiv angeworben werden ….
Aber auch die Unternehmen müssen massiv in Automatisierungssysteme und KI investieren, um dem Problem der fehlenden Arbeitskräfte entgegenzuwirken. Aber aktuell warten Unternehmen eher ab,
die regulatorische Unsicherheit ist hoch, ständig kommen aus der Regierung neue Vorschläge, die den Standort perspektivisch unattraktiver machen könnten. Planungs- und Genehmigungsverfahren dauern zu lange, die Digitalisierung wurde in den Behörden grossflächig verschlafen.
Die Uhr tickt weiter, Deutschland scheint seine wirtschaftspolitische Lethargie nicht wirklich überwinden zu können oder zu wollen. Und das ist ja nicht das einzige Problemfeld, das der Sachverständigenrat aufmacht und für das drastische Schritte erforderlich werden.
Die Empfehlungen der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer etwa zum Dauerthema Renten sind ähnlich radikal. Um das Wachstum der Altersarmut zu verhindern, schlägt sie eine Umverteilung innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung vor: Besserverdiener geben einen Teil ihrer Rente ab, um die Renten von Geringverdienern zu erhöhen. Ich höre schon den Aufschrei in den Medien. Dieser Vorschlag hat schon im Rat intensive Diskussionen provoziert, zwei Ratsmitglieder haben sich wohl gegen den Vorschlag ausgesprochen. Für diese Umverteilung im Rentensystem gäbe es laut Schnitzer zwei Wege.
Je nachdem, wie viele Rentenpunkte man über sein Leben angesammelt habe, schmelze deren Wert ab einer bestimmten Summe ab. „Das hat aber den Nachteil, dass mit zunehmendem Alter der Arbeitsanreiz reduziert wird“, sagte sie. Daher schlug Schnitzer vor, dass Rentenpunkte pro Jahr nicht wie bisher proportional mit dem Einkommen steigen wie bisher. Stattdessen sollten Beschäftigte mit niedrigem Einkommen eine überproportionale Anzahl an Rentenpunkten erhalten, Beschäftige mit höherem Einkommen hingegen unterproportional viele Punkte.
Ob diese Abkoppelung der Renten von den Löhnen politisch durchsetzbar ist? Ich vermute: nein. Allerdings stehen wir vor einem wirklichen Dilemma:
„Wenn man das Rentenniveau so wie geplant halten will und gleichzeitig die Beitragssätze begrenzen, dann müsste noch viel mehr Geld aus dem Bundeshaushalt in die Rentenkasse fließen“, erklärte Schnitzer in der SZ. Derzeit zahle der Bund pro Jahr bereits 110 Milliarden Euro für die Renten, ein Viertel des Haushalts. „Wenn wir es so laufen lassen, müsste der Bund in 25 Jahren mehr als die Hälfte des Haushalts dafür ausgeben.“
Man kann also erwarten, dass auch hier unsere Gesellschaft, unsere politische Klasse, bald mit der Realität zusammenstößt.
Neue Schuldenregeln für die EU-Mitgliedsstaaten
piqer:
Jürgen Klute
Anfang 2012 hat die damalige deutsche Bundesregierung gegen erhebliche Widerstände den EU-Stabilitätspakt durchgedrückt und damit eine an die gern in diesem Zusammenhang bemühte schwäbische Hausfrau orientierte Vorstellung von Fiskalpolitik. Die deutsche Verliebtheit in Austeritätspolitik wurde vielfach äußerst fundiert kritisiert und ist im internationalen Vergleich alles andere als ein Erfolgsmodell, wenn man auf die Folgen dieser Politik in der Bundesrepublik schaut, etwa auf den maroden Zustand der Deutschen Bahn, auf baufällige Brücken und Schulen.
Von solchen Wirkungen unbeeindruckt hat sich auch die aktuelle Bundesregierung mit Unterstützung einiger nordwesteuropäischer EU-Mitgliedsländer für eine Fortsetzung dieser als gescheitert einzuschätzenden Fiskalpolitik auf EU-Ebene stark gemacht.
János Allenbach-Ammann gibt in seinem Euractiv-Artikel einen guten Einblick in die Diskussion auf dem EU-Finanzministerinnentreffen in Brüssel am 9. November 2023. Zum einen gibt er einen Überblick über die Regelungen, die als konsensual gelten und andererseits legt er dar, welche Fragen nach wie vor offen sind.
Adam Tooze rechnet mit den schlechtgelaunten Deutschen ab
piqer:
Jannis Brühl
Ich habe manchmal das Gefühl, viele in Deutschland interessieren sich nur dann dafür, was man im Ausland von ihnen denkt, wenn es ihre eigene negative Sicht auf das Land bestätigt. Dazu zählt der Economist-Slogan vom“ kranken Mann Europas“, der nun wieder aufgewärmt wurde. Er bestätigt die Menschen in Europas reichstem Land darin, dass es doch viele Gründe gibt, sich zu beschweren. Da tut es gut, dieses SZ-Interview mit dem gutgelaunten britischen Wirtschaftshistoriker Adam Tooze zu lesen. Er macht einige gute Punkte, die die gefühlte Wahrheit über ein im Abstieg befindliches Deutschland wieder gerade rücken:
- Eine gewisse De-Industrialisierung ist normal. Selbst Frankreich macht erfolgreich vor, wie das geht.
- Unsere Wahrnehmung auf diese De-Industrialisierung ist verzerrt: „Insgesamt wird ja nicht weniger, sondern viel mehr produziert, selbst in der Landwirtschaft. Nur produzieren wir effizienter mit weniger Arbeitskräften.“
- Viele der geläufigen Kritikpunkte (zum Beispiel am Verbrenner-Aus) basieren nicht auf Rationalität, sondern auf Nostalgie.
- Die Angst davor, Schulden aufzunehmen, ist irrational – vor allem, wenn es um Investitionen in die Zukunft geht, zum Beispiel bei frühkindlicher Bildung.
- Der Rassismus der AfD schreckt Fachkräfte kaum ab – den gibt es leider nämlich überall (in Indien gegen Muslime, in den republikanisch geprägten Teilen der USA, in Frankreich …)
- Ob zum Beispiel Chip-Firmen wirklich nur wegen der Subventionen in Deutschland sind, ist fraglich. Vielleicht wären sie ohnehin gekommen, haben aber einfach nur clever verhandelt.
- Probleme bei der Migration werden nur mit hohen Investitionen bewältigt: „Es wirft nichts höhere Renditen ab als die Investition in frühkindliche Erziehung. Je mehr hier investiert wird, desto weniger Kriminalität gibt es, desto mehr tragen die Menschen als Erwachsene zum Bruttoinlandsprodukt bei.“
Money Quote zum BASF-Chef:
Die BASF soll Farbe bekennen. Nach ihrer bewussten Panikmache während der Energiekrise muss man sie als „Bad actor“ betrachten. … BASF-Chef Brudermüller war zynisch und erpresserisch, er wollte regelrecht für Verunsicherung sorgen.
Dieses Interview ist ein guter „Spickzettel“, wenn ein Gesprächspartner in ein Lamento über den Wirtschaftsstandort ansetzt.
Klimakrise: Die Zombie-Wälder der Sierra Nevada
piqer:
Ole Wintermann
Ich habe mich schon häufiger gefragt, warum bei der Analyse des Waldsterbens im Harz, Teutoburger Wald und anderswo stets nur darauf hingewiesen wird, dass der Borkenkäfer in Kombination mit zunehmendem Dürre-Stress Schuld sei und mittelfristig ein neuer Mischwald entstehen werde. Woher kommt dieser Optimismus, der erstens die indirekten Wirkungen dieses Wald-Austauschs ausblendet und zweitens nicht die weitere Erhitzung der Atmosphäre berücksichtigt?
Ein aktueller Beitrag in der Los Angeles Times befasst sich mit diesen beiden Fragen, die angesichts der immer größeren sogenannten „Zombie-Wälder“ in Kalifornien eigentlich auch für unsere Wälder drängend wären.
Der Austausch des Waldes führt zu einem Problem für die dortige Tier- und Pflanzenwelt, da der neue Wald mit anderen Tieren und Pflanzen interagiert. Die dort nachwachsenden neuen „Bäume“ sind eher Sträucher und kleine Bäume, die damit in der Summe weniger CO2 als der Vorgängerwald absorbieren können. Die neue Vegetation führt zudem zu anderen Feuerzyklen und hat damit Implikation für die Bewirtschaftung des Waldes. Die zunehmenden Extremwetter-Ereignisse führen im Falle der Sturzfluten in den Zombie-Wäldern zu starken Erosionen der Bodenbedeckung.
WissenschaftlerInnen haben Karten erstellt, die Klimadaten und Vegetationen abgleichen, sodass direkt erkannt werden kann, welcher Teil der Vegetation inzwischen im „falschen“ Temperatur- und Niederschlagsbereich angesiedelt ist. Die Forschenden befürchten, dass die Sierra Nevada bis Ende des Jahrhunderts nur noch von Zombie-Wäldern bedeckt sein wird.
Aber ist der Versuch, die Natur „zu managen“, vielleicht nicht letztlich Ursache der Problematik der Zombie-Wälder (und hier gibt es die Parallele zu Deutschland)? Der örtliche Vorsitzende der Native Americans, Ron Goode, bringt es auf den Punkt, wenn er sagt:
“I always say to my people when I’m working out there that what we do for Mother Nature is we give her a pedicure, a manicure; we even try to clean her up a little bit. But she’s going to the ball in the springtime; she’s going to put on her own dress. When you give her the opportunity, she knows how to dress herself up. That’s the whole difference between what the Native American did with the land and what the European American does to the land — is we put back. We give back.”
AI-Regulierung tritt in ihre heiße Phase
piqer:
René Walter
Die Bemühungen um AI-Regulation treten derzeit offensichtlich in ihre heiße Phase: US-Präsident Joe Biden unterzeichnete vor wenigen Tagen eine Anordnung zur sicheren Entwicklung künstlicher Intelligenz, die G7 haben einen internationalen Verhaltenskodex für Organisationen angekündigt, die fortschrittliche KI-Systeme entwickeln, die EU finalisiert derzeit ihren AI-Act, und 28 Staaten, inklusive China, unterzeichneten am ersten Tag des AI Safety Summit der britischen Regierung die sogenannte Bletchley-Erklärung.
In meinem Newsletter habe ich aufgeschrieben, warum ich diese, für Verhältnisse des politischen Parketts durchaus schnelle Entwicklung gutheiße und das Open Sourcing von AI-Technologie sehr kritisch betrachte.
Large Language Models sind automatisierte Wissens-Interpolatoren, die jedes Muster in ihren Trainingsdaten auf jede nur erdenkliche Art transformieren und ausgeben können. Ein Large Language Model enthält deshalb nicht nur alle Informationen zu, sagen wir mal, einzelnen chemischen Reaktionen, sondern auch alle Variationen zwischen diesen Reaktionen. Deshalb kann ich mit einem unzensierten Large Language Model problemlos eine Bombenbauanleitung produzieren, die im Latent Space bereits enthalten ist. Und das trifft nicht nur auf chemische Reaktionen und Bomben zu, sondern jegliches Wissen, auf das AI-Systeme trainiert wurden.
Die Interpolation von Wissen kann dazu benutzt werden, um neue Bilder aus den Trainingsdaten von Stable Diffusion zu generieren, in denen sich die unterschiedlichsten Stilrichtungen und Motive zu nie gesehenen Welten in einem neuen Output vereinen. Dasselbe Prinzip angewendet auf Biologie wiederum bietet Hackern die Möglichkeit, bislang unbekannte Pathogene mit Hilfe von spezialisierten Open Source-LLMs zu finden und in DIY-Biolaboren herzustellen. Ich möchte nicht in der Nähe sein, wenn dies geschieht.
Deshalb denke ich, dass das Open Source-Paradigma im Zeitalter der künstlichen Intelligenz kein geeigneter Ansatz ist, um Sicherheit und Verantwortlichkeit zu garantieren und eine Lösung gefunden werden muss, die irgendwo zwischen „Offener Entwicklung und frei zugänglichem Code auf Github“ und „AI-Entwicklung in abgeschlossenen Laboratoren großer Unternehmen“ liegt.
Online-Interaktion erzeugt eine Vorliebe für Konflikt
piqer:
René Walter
In drei Experimenten stellten Forscher fest, dass „nachdem den Nutzern von sozialen Medien die Möglichkeit gegeben wurde, mit anderen zu interagieren, eine Bias für gleichgesinnte Inhalte beseitigt wurde. Stattdessen wählten die Nutzer bevorzugt konträre Inhalte für ihre Antworten aus, um ihre Meinungsverschiedenheiten mit anderen auszudrücken. Die Neigung, abweichende Ansichten anderer User anzugreifen, nahm zu, wenn das allgemeine Diskussionsklima die Ansicht eines Nutzers unterstützte.“
Three experiments (total N = 320; convenience student samples from Germany) and an internal meta-analysis show that in a discussion-forum setting where participants can reply to earlier comments larger cognitive conflict between participant attitude and comment attitude predicts higher likelihood to respond (uncongeniality bias). When the discussion climate was friendly (vs. oppositional) to the views of participants, the uncongeniality bias was more pronounced and was also associated with attitude polarization. These results suggest that belief polarization on social media may not only be driven by congeniality but also by conflict.
Die Autoren sind der Meinung, dass dies dem „Gefälligkeitsnarrativ“ widerspricht, also Filterbubbles und Echochambers. Aber beides sind unterschiedliche, jedoch voneinander abhängige Phänomene.
Filterblasen sind keine geschlossenen Netzwerke, sondern sie bestehen aus halbdurchlässigen Wänden, durch die nur ausgewählte Informationshappen eindringen, um von unserer Peergroup verarbeitet zu werden. Meistens stammen diese Informationshappen vom politischen Gegner und werden gezielt genutzt, um zu zeigen, wie dumm und böse diese sind. Wir verstärken diese Infobits in einer Echokammer, indem wir die anderen verspotten und stärken hierdurch weiter die halbdurchlässigen Wände unserer Filterblase.
Das Ergebnis ist die in dem Paper erwähnte Vorliebe für Konflikte: Sobald wir die Gelegenheit zu Interaktion in Sozialen Medien erhalten, ziehen wir es vor, auf von unserer eigenen Meinung abweichende Ansichten zu reagieren, in mal mehr, mal weniger hitzigen Online-Debatten. Dann können wir die dämlichen Äußerungen des politischen Gegners screenshotten, um sie für die Verwertung in die Filterbubble-bauenden Echokammern weiterzureichen.
Dies ist die in das Internet eingebaute Empörungsmaschine und sie hat wohl weniger mit Algorithmen oder Kapitalismus zu tun, sondern mit unserer menschlich-psychologischen Neigung zu Tribalismus und Angriffen auf Andersdenkende. Ein weiteres Paper, das diese fatalen Dynamiken aus Filterbubbles, Echochambers und menschlich-tribalistischem Verhalten bestätigt.