Fremde Federn

Sechste Republik, Armutsfalle, Strommarkt

Diese Woche unter anderem in den Fremden Federn: Weshalb Frankreich auch nach der Rentenreform wohl kaum zur Ruhe kommen wird, wieso die globale Energiewende nicht an Rohstoffen scheitern wird und warum der Norden billigen Strom produziert, aber nichts davon hat.

Foto: Jojo Bombardo via Flickr (CC BY-ND 2.0)

In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.

Kommt die sechste Republik in Frankreich?

piqer:
Rico Grimm

Die demokratische Geschichte Frankreichs ist ein Drama in fünf Akten – bisher. Fünfmal hat sich die république française in ihrer Geschichte neu gegründet, zuletzt 1958, als Charles de Gaulle Präsident mit einer neuen Verfassung wurde. Diese Verfassung gab dem französischen Präsidenten große Macht, die Macron gerade nutzte, um per Dekret eine Rentenreform durchzusetzen.

Der Präsident kommt „einem gewählten Diktator in der entwickelten Welt am nächsten“, wie es in diesem lesenswerten Hintergrundstück in der Financial Times heißt. Darin nimmt der in Paris lebende Autor Simon Kuper die Gründe für die aktuelle große Protestwelle in Frankreich auseinander.

Was den Text dabei besonders macht: Kuper geht tiefer als viele andere Analysen. Denn ja, natürlich geht es in diesem Protest um die Rentenreform, aber vielleicht geht es auch um mehr, so jedenfalls Kupers These: um die institutionelle Verfasstheit des Landes, die Distanz, die sich zwischen Präsident und Bevölkerung entwickelt hat.

Kuper schreibt:

Die Enttäuschung über den Präsidenten zeigt sich in den Zustimmungswerten. Mitterrand (Präsident von 1981 bis 1995) und Chirac (1995-2007) hatten laut Umfrageinstitut Kantar Sofres in der Regel Zustimmungswerte zwischen 40 und 60 Prozent. Die letzten drei Präsidenten, Nicolas Sarkozy, François Hollande und Macron, lagen jedoch in der Regel zwischen 20 und 40 Prozent.

Und weiter:

Die heutige herrschende Klasse besteht überproportional aus weißen Söhnen der buchbesitzenden Oberschicht […] Wenn sie nicht aus Paris stammen, sind sie in der Regel als Teenager dorthin gezogen, wie Hollande, der Sohn eines wohlhabenden Arztes aus der Normandie, oder Macron, der Sohn eines Neurologen aus Picardie.

Wenn Kupers Analyse stimmt, wird es keine Ruhe für Frankreich geben. Immer wieder neue Protestwellen werden entstehen, in mutmaßlich schnellerer Frequenz, so lange, bis sich am Aufbau der Republik etwas ändert. So könnte die Macht des Präsidenten beschränkt und die Rolle der Kommunen gestärkt werden. So eine Verfassungsänderung könnte Macrons Erbe werden. Bis die sechste Republik kommt, gilt aber weiterhin die speziell französische Gewaltenteilung:

Heute hat Frankreich drei Gewalten: die Präsidentschaft, die Justiz und die Straße.

Hinweis: Falls der Text eine Paywall hat, den Titel googeln. Bei mir war er so ohne Paywall.

Wie agierte die große Politik bis zum Beginn des großen Kriegs?

piqer:
Achim Engelberg

Dieser Dreiteiler lohnt sich, weil er aus der Perspektive westlicher Politiker den Weg in den großen Krieg im Osten zeigt. Er beginnt mit den Massenprotesten 2013/14 in der Ukraine, die heute etwas pathetisch als „Revolution der Würde“ oder „Euromaidan“ bezeichnet werden. Allein die Dauer der Demonstrationen, die nicht auf die ukrainische Hauptstadt Kiew beschränkt waren, zeigt, dass die zuweilen anzutreffende Bezeichnung als „Putsch“ eine Verleumdung ist. Am Ende flieht der damalige ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch nach Russland. Putin schickt Truppen auf die Krim. Im Donbass beginnt der Krieg und der Malaysia-Airlines-Flug 370 wird abgeschossen.

Von den Treffen und Telefonaten berichten führende westliche Politiker wie David Cameron, François Hollande oder José Manuel Barroso, aber auch der damals neu gewählte ukrainische Präsident Petro Poroschenko kommt zu Wort. Obwohl in Minsk ein Waffenstillstand vereinbart wird, geht der Krieg weiter. José Manuel Barroso, damals Präsident der Europäischen Kommission, erzählt von einem Treffen mit Putin, der glaubte, von der Krim könne er in weniger als vierzehn Tagen bis nach Kiew durchbrechen. Ein sprechendes Detail. Der damalige französische Präsident François Hollande zieht die Lehre:

Bestraft man vorher nicht hart genug, muss man nachher sehr hart bestrafen.

In der zweiten Folge wird der Syrienkrieg beleuchtet. Hier scheinen die Tage des syrischen Diktators Baschar al-Assad gezählt. Durch die Entsendung russischer Streitkräfte nimmt der Krieg 2015 eine andere, unvermutete Wendung.

Die dritte Folge schildert den Weg vom kleinen in den großen Krieg. Dabei erzählt der CIA-Direktor Bill Burns von seiner Geheimmission in Moskau, bei der er Putin mitteilte, die US-amerikanischen Geheimdienste seien über den geplanten großflächigen Überfall auf die Ukraine informiert. Die Weichen in Richtung einer Ausweitung der Kriegszone waren aber schon gestellt. Der Dreiteiler endet in der Nacht des 24. Februar 2022, als an mehreren Fronten russische Truppen einmarschieren und versuchen, die Ukraine zu überrollen.

Der Film gibt Einblicke nicht nur in die Vorgeschichte des Krieges, sondern zeigt aus der Perspektive westlicher Spitzenpolitiker und Botschafter, wie internationale Politik funktioniert. Alle Folgen sind bis zum 16. Oktober 2023 in der arte-Mediathek.

Die globale Energiewende wird nicht an Rohstoffen scheitern

piqer:
Ole Wintermann

In der Fraktion der Klimawandelleugner sowie unter den Befürwortern eines „Weiter-So“ des fossilen Wirtschaftens wird immer wieder auf den immensen Bedarf an seltenen Erden und anderen Materialien (Zement, Stahl etc.) hingewiesen, die die Energiewende hin zu einer rein elektrischen Wirtschafts- und Lebensweise mit sich bringen würde.

Eine Studie, die bei MIT Technology Review vorgestellt wird, hat darauf nun eine eindeutige Antwort gefunden: Alle derzeit in Produkten verarbeiteten Materialien, mit denen die Infrastruktur einer Energiewende aufgebaut wird, sind im ausreichenden Maße vorhanden. So wird der Mensch für die Energiewende allein in den nächsten 27 Jahren so viel Kupfer abbauen müssen wie in der gesamten Menschheitsgeschichte zuvor insgesamt bereits abgebaut worden ist. Auch die durch den Abbau und die Verarbeitung der Rohstoffe entstehenden CO2-Emissionen sind nicht so umfangreich wie vermutet und werden sowieso durch die positiven Folgeeffekte der Energiewende um ein Vielfaches übertroffen. So wird kalkuliert, dass durch den gesamten Umbau der Energieinfrastruktur in den nächsten drei Jahrzehnten gerade einmal soviel CO2-Emissionen entstehen werden, wie derzeit in nur einem Jahr durch das Verbrennen fossiler Energieträger produziert werden.

Ein anderer Aspekt, der aber dezidiert nicht Gegenstand der Studie gewesen ist, ist die Frage der Umweltverträglichkeit und der sozialen Folgekosten der Tätigkeiten im Zuge des Abbaus der Rohstoffe. Hierauf verweisen die Studienautoren und rufen dazu auf, auch in dieser Frage Transparenz über Handlungsansätze hin zum besseren zu entwickeln.

Was ist von Chinas 12-Punkte-Friedensplan zu halten?

piqer:
Jürgen Klute

Am 1. Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine, am 24. Februar 2023, hat die chinesische Regierung ein 12-Punkte-Papier vorgelegt, in dem sie Eckpunkte für eine Beendigung des Krieges benennt. Es wurde im Westen überwiegend mit Skepsis aufgenommen. Ein häufig zu lesender Einwand ist, dass die chinesische Seite nicht unparteiisch, nicht neutral sei. Das ist ohne Zweifel richtig.

Aber welcher von den in Frage kommenden Staaten, die über ausreichend politischen und militärischen Einfluss verfügen, um auf Russland Einfluss nehmen zu können, wäre neutral? Die USA und die Nato sind ebenso parteiisch wie China. Neutralität und Unparteilichkeit zum Kriterium für eine glaubhafte Vermittlerrolle in diesem Krieg zu machen, ist also wenig zielführend, weil es keine relevanten Akteure in diesem Konflikt gibt, die neutral oder unparteiisch sind. Politik heißt in einem solchen Kontext, die Packenden zu finden, die sich zu einem für alle direkt Beteiligten zu einem akzeptablen und tragfähigen Interessensausgleich zusammenbinden lassen.

Daher halte ich es für sinnvoll, sich die Vorschläge der chinesischen Regierung genauer anzuschauen und nach möglichen Anknüpfungspunkten zu suchen, die Perspektiven für eine Beendigung des Krieges und die Entwicklungen eines langfristig tragfähigen Friedensvertrages eröffnen. In den letzten zwei Wochen sind mir vier Artikel aufgefallen, die in die von mir gezeigte Richtung denken und argumentieren. Die will ich hier kurz vorstellen und zur Lektüre empfohlen.

Da ist zunächst die Empfehlung, auf die sich dieser Piq unmittelbar bezieht: Eine detaillierte und differenzierte Analyse des chinesischen Papiers, veröffentlicht von Felix Wemheuer, Sinologe an der Universität Köln, in der Luxemburger Zeitung WOXX. Wemheuer arbeitet sehr genau die Stärken und Schwächen des chinesischen Papiers heraus.

Der zweite Artikel erschien am 18.03.2023 in der taz unter dem Titel „China ist in einem Dilemma“, geschrieben von China-Experte Cheng Li. Für Li leidet auch China unter diesem Krieg und ist durchaus an dessem Ende interessiert. Allerdings, so legt Li dar, hat China eher ein Interesse an einer multipolaren Weltordnung und von daher eben kein Interesse an einer zu weitgehenden Schwächung Russlands bei einer gleichzeitig starken erneuten Zunahme einer globalen Dominanz der USA. Zwischen diesen Polen sucht China nach Li’s Einschätzung nach einer politischen Lösung des jetzigen Krieges zwischen Russland und der Ukraine.

Am 21.03.2023 veröffentlichte die Frankfurter Rundschau ein Interview mit Wolfgang Ischinger, dem früheren Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. Überschrieben ist das Interview mit dem Titel „Wolfgang Ischinger: Für China ist es nützlich, wenn der Ukraine-Krieg andauert“. Dieser Titel klingt allerdings negativer als Ischinger dann im Interview klingt:

„Ich hielt und halte es für einen strategischen Fehler, Chinas Papier vom Tisch zu wischen. Unter den vorgelegten zwölf Punkten finde ich exakt einen, den der Westen tatsächlich ziemlich kategorisch ablehnen muss. Das ist der Punkt, in dem China sagt: Sanktionen sind so lange illegal, wie sie nicht vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mandatiert sind. Da beißt sich die Katze in den Schwanz, denn dann müsste Russland gegen sich selbst Sanktionen erlassen. In allen anderen elf Punkten ist meines Erachtens hinreichend viel Fleisch am Knochen, um in ein Gespräch mit der chinesischen Seite einzusteigen.“

Ischinger sieht zwei wesentliche Probleme auf Seiten des Westen. Zum einen hält er die EU bislang für unzureichend vorbereitet auf die Zeit nach einem Ende der Kampfhandlungen. Und in den USA sieht er einen Mangel an einem konstruktiven Umgang mit China.

Und schließlich möchte ich noch auf einen interessanten Text zu Clausewitz hinweisen – also zu dem nicht ganz unbekannten preußischen Kriegstheoretiker. Es ist ein Essay von Christian Th. Müller in der taz vom 23.03.2023: „Krieg in der Ukraine: Frag mal Clausewitz“. Müller ist außerplanmäßiger Professor für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam und hat sich sich in seiner bisherigen Forschungsarbeit intensiv mit Clausewitz und seiner Theorie zum Krieg befasst.

Auf dem Hintergrund der Theorie von Clausewitz analysiert Müller die derzeitige Debatte um den Ukraine-Krieg. Sein Hauptkritikpunkt: Für einen Krieg seien keineswegs die einzelnen Waffengattungen und Waffenlieferungen, die seit Beginn des Krieges im Zentrum der Debatten im Westen stehen, entscheidend, sondern entscheidend sei vielmehr das politische Ziel und die (sicherheits-)politische Strategie, die mit einem Krieg verbunden sind und den Krieg prägen. Für Müller mangelt es dem Westen aber genau daran. Er fasst seinen Essay mit den folgenden Sätzen zusammen:

„Das reicht sicherlich nicht aus, um Kriege zu gewinnen. Aber es bietet gute Voraussetzungen dafür, schwerwiegende strategische Fehler und deren nicht selten gravierenden Folgen zu vermeiden. Seine wohl wichtigste Erkenntnis ist aber die der umfassenden politischen Bedingtheit eines jeden Kriegs. Kriege sind dabei nicht nur politische Akte, sondern sie werden auch durch die ihnen zugrunde liegenden politischen Verhältnisse und Motive geprägt.

Der entscheidende Gesichtspunkt bei ihrer Betrachtung ist daher immer der politische. Ohne den Krieg zunächst politisch zu denken, die politischen Verhältnisse zu analysieren und die politischen Zwecke festzulegen, ist die Entwicklung einer Strategie, die zum gewünschten politischen Ergebnis führt, logischerweise nicht möglich.

Mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet dies, dass es höchste Zeit ist für eine umfassende Debatte darüber, wie dieser Krieg beendet und wie die sicherheitspolitische Ordnung in Osteuropa sowie das Verhältnis zu Russland künftig gestaltet werden soll.“

Müller geht zwar auf das chinesische 12-Punkte-Papier nicht ein. Aber in den von Müller benannten zentralen Punkten scheint das chinesische 12-Punkte-Papier sich von der westlichen Betrachtungsweise des Krieges deutlich abzusetzen: Es denkt diesen Krieg politisch, begreift ihn als „politischen Akt“. Auch die Argumentation von Ischinger unterstreicht diesen Unterschied. Demnach läge die Chance und die Stärke des chinesischen 12-Punkte-Papiers darin, den Krieg wieder als „politischen Akt“, den Krieg wieder in seiner politischen Dimension zu begreifen. Für die von vielen zu recht geforderte politisch-diplomatische Beendigung des Krieges wäre das eine fundamentale Voraussetzung: Wer den Krieg nicht politisch, nicht als „politischen Akt“ denken kann, kann ihn schlecht politisch-diplomatisch beenden.

Zum Weiterlesen: Am 25.02.2023 habe ich einen Piq zu den russischen Reaktionen auf Chinas 12 Friedensvorschläge veröffentlicht.

Warum der Norden billigen Strom produziert, aber nichts davon hat

piqer:
Rico Grimm

Einen für alle innerdeutschen Energiedebatten wichtigen Text hat Petra Pinzler bei ZEIT Online geschrieben. Sie zeigt darin, wie der deutsche Strommarkt aufgebaut ist. Falls Ihr das für eine gähnend langweilige Frage haltet, kann ich das nicht verstehen. Denn der deutsche Strommarkt weist einige Merkwürdigkeiten auf, mit denen du auf jeder (etwas nerdigeren) Cocktailparty glänzen kannst:

1. Der billigste Strom Deutschlands entsteht im Norden. Dort, wo die ganzen Windräder stehen. Der teuerste im Süden. Dort, wo zu wenig Windräder stehen.

2. Weil es ein Markt ist, sollte dieser billigere Strom eigentlich die Preise überall im Land senken. Aber er kommt nicht immer im Süden des Landes, in Bayern und Baden-Württemberg, an. Es mangelt an Hochspannungsleitungen. Die Folge: Windräder im Norden werden heruntergeregelt. Noch eine Folge: Im Süden müssen manchmal Gaskraftwerke anspringen.

3. Weil am Strommarkt immer der teuerste Erzeuger den Preis setzt und Gaskraftwerke oft die teuersten sind, setzt der teure Süden auch die Preise für den billigen Norden.

4. Den Ausbau von Stromnetzen finanzieren die Stromkunden – aber nur diejenigen, die in der Region wohnen, in der das Netz gebaut wird. Das ist Folge einer politischen Entscheidung. Da der Süden wenig baut und der Norden viel, kann es passieren, dass ein Mensch aus Niedersachsen, umgeben von Windfarmen, mehr für seinen Strom zahlt als ein Mensch aus Bayern.

Was Armut mit unserem Gehirn macht

piqer:
Rico Grimm

Es ist nicht überall zu hören und auch nicht von jedem. Aber immer wieder schwingt in deutschen Debatten über Vermögen, Einkommen und Ungleichheit mit, dass arme Menschen vor allem selbst schuld seien an ihrer Armut. „Sollen sie sich halt mal mehr anstrengen“, so ungefähr.

Was niemand bei solchen leicht daher gesagten Sprüchen mitdenkt: Dass Armut selbst es schwerer macht, der Armut zu entkommen. Dafür gibt es ein ganzes Bündel an Gründen. Auf drei aus der psychologischen Ecke schaut in diesem sehr empfehlenswerten Newsletter Bent Freiwald. Er beschreibt, basierend auf Studien, was Armut mit dem Gehirn macht:

1. Armut stresst. Unter Stress lässt sich schlechter arbeiten, lernen, konzentrieren. Und in der Folge auch schlechter das Geld verdienen, das einem aus der Armut heraushelfen kann.

2. Armut lenkt ab. Wer wenig Geld hat, muss ständig aufs Geld achten. Und übersieht sogar die Dinge, die ihm helfen könnten.

3. Armut beeinträchtigt die Entwicklung des Gehirns. Wie viel Geld die Eltern haben, das lässt sich schon an der Gehirnentwicklung von Kindern zeigen.

Die traurige Seele des Metaverse

piqer:
Jannis Brühl

Viel zu selten gehen Journalisten „großen“ Geschichten noch einmal nach, lange nachdem sie die Schlagzeilen nicht mehr beherrschen. Deshalb habe ich mich so über diese lange Reportage von Paul Murray im New York Magazine gefreut. Er hat einen längeren Selbstversuch im Metaverse unternommen, als die breite Öffentlichkeit längst das Interesse an Mark Zuckerbergs ambitioniertem Mega-Virtual-Reality-Projekt verloren hatte. Das Ergebnis ist nicht nur besser als die Selbstversuchs-Artikel aus der Startphase von Metas VR-Welt „Horizon Worlds“ und anderer digitaler Welten. Der Artikel ist auch erzählerisch großartig und unfassbar witzig. Murray schafft es, aus der unausgereiften Technik sowie seinen schrägen Begegnungen mit Kindern, die nur für obszöne Voicechats im Metaverse sind, und allerlei Außenseitern aus ganz Amerika Comedy-Gold zu gewinnen.

Am Ende dreht sich die Story aber. Der Ire Murray ist auch im Metaverse, um der Einsamkeit seiner neuen Heimat USA zu entrinnen, wo er niemanden kennt. Es stellt sich heraus: Die Freaks aus dem Metaverse, die er trifft, sind mehr als lachhafte Avatare ohne Beine auf der Suche nach VR-Pornos. Sie sind auch: noch viel einsamer als er.

Lesenswert bis zum Schluss.