Fremde Federn

Wohnungsbaupolitik, geistiges Eigentum, Abrechnungshof

Diese Woche unter anderem in den Fremden Federn: Wie scheinbar kleine Innovationen die Menschheitsgeschichte verändern, warum das Verfassungsgericht die EU ins Wanken bringen könnte und was Deutschland von Portugal lernen kann.

Foto: Jojo Bombardo via Flickr (CC BY-ND 2.0)

In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.

Wachstum, Krieg und Frieden mit Kartoffeln

piqer:
Thomas Wahl

Der Beitrag macht deutlich, wie entscheidend eine ausreichende und sichere Ernährungsbasis bzw. Mangel und Hunger für die Entwicklung ganzer Gesellschaften ist. Man kann sagen, mit der Kartoffel begann der Aufstieg Europas zur weltweiten Dominanz:

Im späten 16. Jahrhundert brachten Spanier die Kartoffel aus der südamerikanischen Anden-Region (vermutlich aus dem heutigen Peru) nach Europa, wo sie sich schnell in vielen Regionen verbreitete. Für die Landbevölkerung änderte sich damit das Leben radikal. Eine vierköpfige Familie brauchte im Vergleich zu vorher, als sie sich mit Rüben, Getreide und Reis über Wasser halten musste, nur noch ein Drittel des Landes, um von den Ackerfrüchten satt zu werden. In Kombination mit Milchprodukten lieferten Kartoffeln zudem alle Vitamine, die ein Mensch zum Leben braucht.

Die Folgen waren gewaltig. In vielen nordeuropäischen Ländern explodierten die Bevölkerungszahlen. Die höhere Produktivität der Landwirtschaft führte zu höherer Bevölkerungsdichte, zu wachsenden Städten und größerer Gesundheit. So nahm auch die Körpergröße der Menschen zu.

Die Kartoffel legte die Basis für die Industrielle Revolution. Denn ohne bessere Ernten wäre die Arbeitsteilung nicht möglich gewesen. Vermutlich minderte sie auch die Ungleichheit. Weil sich ihr Anbau selbst auf kleinen Fläche lohnte, konnten auch Arme ihre Ernährung stabilisieren. Die Kartoffel beflügelte indirekt aber auch die Massenauswanderung. Nach Weizen-Missernten hatten Bauern auf Kartoffeln umgestellt, die Kälte vertrugen und auch auf schlechten Böden gediehen.

Die Kehrseite einer tendenziellen Monokultur der Ernährung zeigte sich u. a. in Irland, wo der Kartoffelanbau besonders ausgeprägt war. Dort hatte die Kraut- und Knollenfäule die Kartoffeln befallen. Von 1845 an führten Missernten zu schweren Hungersnöten.

Rund eine Million Iren starben, eine weitere Million wanderte aus, überwiegend nach England und Nordamerika.

Bei der Analyse der Ausbreitung der Kartoffel fanden Forscher aber noch einen weiteren Effekt: In den Regionen, in denen sie angebaut werden konnten, sank die Zahl militärischer Konflikte.

In Quadranten, deren Klima den Anbau von Kartoffeln erlaubt, sank nach 1700 die Zahl der Konflikte dramatisch. Kartoffel-Anbaugebiete erzeugten 26 Prozent weniger Scharmützel und Schlachten. Der Rückgang der Konflikte begann sofort und hielt über lange Zeit.

Um sicher auf den Kartoffelanbau als Ursache schließen zu können, prüften die Wissenschaftler alternative Erklärungen.

So wäre es möglich, dass Herrscher über Kartoffelgebiete die Konflikte nicht klein halten, sondern in andere, erdapfelarme Regionen auslagern. Doch selbst wenn darauf kontrolliert wird, bleibt der Zusammenhang robust. Die Ökonomen überprüften außerdem, ob andere neu eingeführte Ackerfrüchte wie Süßkartoffeln oder Mais ebenfalls Konflikte reduzierten und kamen zum Ergebnis: Nur die Kartoffel vermochte das.

Eine mögliche Wirkungskette wäre als Erklärung folgende: Wachsende Produktivität führt zu wachsenden Ernten, es sinkt der Zwang zur Eroberung neuer Anbaugebiete. Zugleich sank mit steigenden Ernten der Druck auf  Bauern, sich als Soldat zu verdingen. Aber auch die Fürsten konnten über höhere besteuerbare Einkommen disponieren.

Andererseits sorgten reiche Kartoffelernten dafür, dass Armeen leichter versorgt werden konnten, und senkten damit die Schwelle für Konflikte. Nicht diskutiert wird vom Forscherteam überdies die Frage, warum Kartoffelregionen nicht vermehrt zum Angriffsziel wurden.

Steven Pinker liefert, so der Autor des Artikels, in seinem Buch “The better angels of our nature: why violence has declined” (auf Deutsch “Gewalt: Eine neue Geschichte der Menschheit”) eine etwas andere Erklärung.

Er argumentierte, dass Gewalt generell zurückgegangen ist, unter anderem wegen wachsenden Handels. Handel wiederum ist die Folge der Arbeitsteilung, die durch die Kartoffel als besonders produktive Bodenfrucht erleichtert wurde. Die Kartoffel bleibt wichtig, die Wirkungsketten unterscheiden sich in den Deutungen.

Wie auch immer und bei allen offenen Fragen – das Beispiel der Kartoffel zeigt, wie eine scheinbar kleine Innovation sehr große und nicht vorhergesehene Wirkungen entfalten kann, in dem sie weitere Veränderungen ermöglicht und nach sich zieht. Und so bleibt die Zukunft prinzipiell offen.

EuGH vs. Bundesverfassungsgericht

piqer:
Jürgen Klute

Meine heutige Empfehlung ist nur eine kurze Nachricht. Aber die hat es in sich. Es geht um die schon länger andauernde Konkurrenz zwischen Bundesverfassungsgericht (BVG) und Europäischem Gerichtshof (EuGH).

Wenn es um die Frage zum Verhältnis von europäischem Recht und mitgliedsstaatlichem Recht geht, kommen vielen wahrscheinlich Polen und Ungarn als erste Mitgliedsländer in den Sinn. Dass die Bundesrepublik in dieser Frage ein ähnlich problematischer Kandidat ist, ist kaum bekannt.

In den Fokus ist das allerdings geraten, als das BVG die Anleihenaufkäufe der EZB für teilweise nicht vereinbar mit deutschem Recht erklärte. Die polnische und die ungarische Regierung haben diese Entscheidung mit Interesse zur Kenntnis genommen. Und wie Euractiv berichtet, hat die Entscheidung auch in anderen EU-Ländern zu Diskussion über das Verhältnis von EU-Recht zu mitgliedsstaatlichem Recht geführt.

Aufgrund seiner dominanten Rolle in der EU könnte eine Weigerung Deutschlands, dass EU-Recht als dem mitgliedsstaatlichen Recht übergeordnet anzuerkennen, zu einer Erosion der EU führen. Deshalb hat die EU-Kommission als Antwort auf die Entscheidung des BVG ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik gestartet.

Dieses Verfahren ist nun, wie Euractiv berichtet, seitens der EU-Kommission eingestellt worden. Grund dafür ist die Zusicherung der Bundesregierung, das EU-Recht als mitgliedsstaatlichem Recht übergeordnet anzuerkennen, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu wahren.

Das klingt gut und sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Nur: Zur Rechtsstaatlichkeit gehört die Unabhängigkeit der Justiz, also auch des BVG. Die Bundesregierung kann also dem BVG gar keine Weisungen erteilen. Denn dann wäre die Rechtsstaatlichkeit nicht mehr gegeben – zumindest nicht mehr in vollem Umfang. Wie in Polen und Ungarn.

Am 25. Oktober 2018 Urteilte der EuGH, dass die zur evangelischen Kirche gehörende Diakonie bei normalen Arbeitstätigkeiten christliche Bewerberinnen nicht prinzipiell bevorzugen dürfen, weil das gegen die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie verstößt. Daraufhin hat die Diakonie eine Klage gegen diese Entscheidung beim BVG eingereicht mit der Begründung, die EU dürfe sich nicht in das deutsche kirchliche Arbeitsrecht einmischen. Diese Angelegenheit ist noch nicht vom BVG entschieden. Mensch darf gespannt sein auf den Ausgang. Die Diakonie betreibt hier das gleich Geschäft wie die polnische und ungarische Regierung – also eine Erosion der EU. Die Bundesregierung hat der EU-Kommission zugesagt, dass es so etwas aus Deutschland aber nicht geben wird. Ob sich das BVG nun an diesem politischen Versprechen der Bundesregierung orientieren wird, werden die nächsten Monate zeigen. Sich daran zu orientieren steht dem BVG frei, aber in einem Rechtsstaat kann eine Regierung einem Gericht keine Vorgaben und Weisungen für seine Urteile erteilen.

Jetzt ist meine Leseempfehlung zwar länger als der empfohlene Artikel. Aber zur Einordnung dieser unscheinbaren Nachricht schien mir das nötig zu sein. M.E. können die polnische und die ungarische Regierung die EU zwar provozieren und streckenweise auch blockieren. Aber sie haben sie wohl kaum das Potential, die EU zur Implosion zu bringen. Deutschland hingegen hat das Potential, mit solchen Entscheidungen die EU ins Wanken zu bringen.

Portugal führt Recht auf Home Office ein

piqer:
Ole Wintermann

Portugal ist nicht nur für seine hohe Impfquote, sondern innerhalb der New Work Community auch für seine (Co-Working-)Orte für digitale Nomaden bekannt. Angesichts dieser Erfahrung mit Menschen in mobiler Arbeit ist es nun auch nicht verwunderlich, dass der portugiesische Staat mit einem neuen Gesetz die Potenziale mobilen Arbeitens für einen sehr großen Teil der Beschäftigten eröffnet hat.

„Wir wollen die Vorteile des Homeoffices nutzen und die Nachteile beseitigen“,

so die Ministerin für Beschäftigung, Ana Mendes Godinho.

Eltern mit Kindern bis zum 8. Lebensjahr haben das nicht absprechbare Recht auf örtlich selbstbestimmtes Arbeiten. Extrakosten, die dadurch entstehen (PC), sind in jedem Fall vom Arbeitgeber zu tragen. Beschäftigte (egal, ob mobil oder nicht mobil arbeitend) dürfen nicht außerhalb der Kernarbeitszeiten vom Arbeitgeber bzw. von Führungskräften kontaktiert werden. Eine elektronische Überwachung des Beschäftigten zu Hause ist nicht zulässig.

Deutschland sollte nicht nur bei der Impfquote von Portugal lernen.

Bringt die Berliner Ampel eine bessere Wohnbaupolitik?

piqer:
Jürgen Klute

Diese Frage stellt Robert Temel und er bietet im Wiener Standard eine Antwort. Temel ist Architektur- und Stadtforscher, Publizist und Sprecher der Plattform Baukulturpolitik in Wien.

Der Bausektor ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor; er ist von zentraler Bedeutung für Stadtentwicklung und Lebensqualität, die Mietpreise haben eine hohe sozialpolitische Relevanz und schließlich ist der Bausektor auch für einen großen Teil der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich. Zu letzterem gibt der Artikel einen guten Überblick über die entsprechenden Kennzahlen.

Temel wirft einen kritisch-vergleichenden Blick auf die österreichische Wohnbaupolitik, die sehr stark geprägt ist durch mietpreissenkenden gemeinnützigen Wohnungsbau, und auf den deutschen Wohnungsbau, der deutlich marktorientierter ist. Die Marktorientierung in der Bundesrepublik führt zu deutlich höheren Mieten als in Österreich und deckt zugleich nicht den aktuellen Bedarf an Wohnungen.

Temel hat sich die entsprechenden Passagen im rot-gelb-grünen Koalitionsvertrag angeschaut unter der Frage, inwieweit sich der bundesdeutsche Wohnungsbau wieder stärker an der Gemeinnützigkeit orientieren wird. Und inwieweit der zukünftige Wohnungsbau der Ampelkoalition den Pariser Klima-Zielen entspricht.

Temels Fazit:

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Ein großer Wurf sieht anders aus, wenn man vom Thema Gemeinnützigkeit absieht. Aber letztlich geht es weniger um große Ankündigungen, sondern darum, das Pariser Übereinkommen zu erfüllen. Wenn man aus der Vergangenheit auf die Zukunft schließt, muss man da pessimistisch sein. Aber vielleicht schaffen SPD, Grüne und FDP nun etwas, das in Deutschland (und Österreich) bisher nicht möglich schien.

Mein Fazit: Ein informativer Artikel, der sich zu lesen lohnt.

Wie NFTs das Konzept geistigen Eigentums neu erfinden

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René Walter

Wie jeder Mensch versuche auch ich, die sich abzeichnende Welt der Blockchain und NFTs zu verstehen. Leicht fällt das nicht. Texte der Web3-Szene sind voller neuem Tech-Jargon und die Logik der Technologie ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, wenn es überhaupt eine Logik hinter der Technologie gibt. Auch ist der Wert von NFTs mindestens umstritten. Bedeuten NFTs für die einen die Rettung des Kunstmarkts vor Relevanzverlust, machen Kritiker Screenshots der Artworks und signalisieren demonstrativ ihre „Right-Clicker-Mentality„, mit denen die Arbeiten auf dem Rechner gespeichert werden, um das (angebliche) Eigentumsrecht der Datenbankeintragsinhaber zu subversieren.

So lud Geoffrey Huntley angeblich vor anderthalb Wochen sämtliche Medieninhalte der Ethereum- und Solana-Blockchains herunter, die mit NFTs gekoppelt waren, packte diese in ein gigantisches ZIP-File und bot es per Torrent auf der Website TheNFTBay zum Download an. Stolze 20 Terabyte veranschlagt das File und bevor Sie die Leitung zum glühen bringen: Die NFT-Bay ist ein Fake, „the Torrent really is effectively empty“. Besonders elegant ist die NFT-Kritik von Nicodotgay, der das Bild eines rechtsklickenden Users aus 10000 NFT-Artworks zu einem Mosaik zusammensetzte. Nicht jede Crypto-Kritik ist so clever und subversiv.

Ich halte die Crypto-Welt vor allem interessant aufgrund der Smart Contracts durch programmierbare Blockchains und die sich durch die Technologie verändernde Haltung zu geistigem Eigentum und Urheberrechten. Das Versprechen der Crypto-Welt ist nichts geringeres als eine sozialistisch-anarchistisch organisierte Entertainmentbranche, deren Produkte geistigen Eigentum nicht mehr einzelnen Firmen oder Urhebern gehört, sondern „dezentralisierten, unabhängigen Organisationen“ (DAO). Zusammen mit den Möglichkeiten von programmierbaren Verträgen zeichnen sich hier völlig neue Ansätze für den Umgang mit geistigem Eigentum ab.

The Verge hat nun einen langen Artikel über genau diesen Aspekt der Blockchain-Welt und ich bin mir sicher, dass, auch wenn ich nur sehr wenig mit algorithmisch erzeugten Cartoon-Affen-Artworks, die angeblich hunderttausende Dollar wert sein sollen, anfangen kann, diese schon bald als zu vielgehypten Entertainment-Franchises heranwachsen könnten. Die Bored Apes sind die Angry Birds der 2020er-Jahre und sie bringen mit programmierbaren Verträgen eigene Markt-Mechanismen mit sich, die das Potenzial haben, Besitzrechte an sich neu zu verhandeln.

Abrechnung mit dem Rechnungshof

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Eric Bonse

Der Europäische Rechnungshof in Luxemburg soll dafür sorgen, dass im EU-Budget alles mit rechten Dingen zugeht und kein Geld verschwendet wird. Dabei scheint es diese ebenso ehrwürdige wie wichtige Institution mit ihrem eigenen Budget nicht so genau zu nehmen.

Schon 2018 musste ein Mitglied des Rechnungshofs, der Belgier Karel Pinxten, vorzeitig seinen Hut nehmen – er hatte 500.000 Euro zu viel an Spesen kassiert. Nun steht auch noch der deutsche CDU-Politiker Klaus-Heiner Lehne unter Betrugsverdacht.

Lehne übe sein Amt als Chef des Rechnungshofs nicht wie vorgeschrieben in Luxemburg, sondern vornehmlich in seiner Heimatstadt Düsseldorf aus, lautet ein Vorwurf. Zudem soll er von großzügigen Wohnbeihilfen, üppigen Spesen und allzu laschen Dienstwagen-Regeln profitiert haben, wie der französische Investigativ-Journalist Jean Quatremer in „Libération“ berichtet.

Der Artikel schlug nicht nur in Luxemburg und Brüssel, sondern auch in Wien hohe Wellen. Denn auch der österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn soll sich nicht immer an die EU-Regeln gehalten haben. Das könnte Folgen haben – wer die Hintergründe kennen möchte, muss diesen Artikel lesen.

Warum wir es nicht mögen, wenn Menschen von guten Taten profitieren

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Theresa Bäuerlein

Dieser Text ist schon ein paar Jahre alt (er ist von 2014), aber er ist immer noch lesenswert. Weil das Thema relevant bleibt – oder vielleicht sogar jetzt besonders relevant ist. Es geht um die Frage, ob eine gute Tat weniger wert ist, wenn man auch davon profitiert. Auf 2021 übertragen zum Beispiel: Wenn man sich gegen Covid-19 impfen lässt, hilft man damit besonders gefährdeten Personen, weil man etwas dafür tut, dass sich das Virus weniger verbreitet. Aber man schützt auch sich selbst. Ist es deswegen eine egoistische Handlung? (Wer diesen Vergleich komisch findet: Mir wurde genau das vor ein paar Tagen von einem Impfgegner vorgeworfen.)

Die Frage ist weniger absurd, als sie manchen scheinen mag, denn tatsächlich bewerten Menschen Handlungen, die anderen helfen, als viel weniger positiv, wenn man selbst davon profitiert. Der US-Unternehmer Dan Pallotta etwa hat in den 90er Jahren eine halbe Milliarde Dollar unter anderem für die Aids-Hilfe gesammelt. Als bekannt wurde, dass sein eigenes Jahreseinkommen um die 400.000 Dollar betrug, war das ein Skandal, der ihn seinen guten Ruf kostete. Sein bitteres Fazit:

 Sie wollen 50 Millionen Dollar mit dem Verkauf gewalttätiger Videospiele an Kinder verdienen? Nur zu (…) Aber wenn Sie eine halbe Million Dollar damit verdienen wollen, Kinder von Malaria zu heilen? Sie sind ein Parasit.“

Das ist nicht nur irrational, sagt Pallotta, sondern auch aktiv schädlich. Wir belohnen Wohltätigkeitsorganisationen dafür, wenn sie keinen Profit machen, selbst wenn das für die, denen sie helfen, schlechter ist.

Warum sollte es Ihnen etwas ausmachen, wenn 80% Ihrer Spende in schicke Partys fließen, wenn das Endergebnis für die gute Sache besser ist? Und wie viele brillante Menschen enden als Banker und nicht als Fundraiser, weil wir es abfällig betrachten, wenn Wohltätigkeitsorganisationen viel Geld zahlen?

Das ist der „tainted altruism“-Effekt. Dahinter steckt die Auffassung, dass manche Handlungen besonders „rein“ motiviert sein müssen.

Wir betrachten einige Dinge als heilig (z. B. Großzügigkeit) und andere als profan (z. B. Geld) und sind verunsichert, wenn die Grenze zwischen ihnen verschwimmt. Die Unterhändler bei den Friedensverhandlungen im Nahen Osten haben schon vor langer Zeit gelernt, dass das Angebot von Geld für einen Kompromiss bei territorialen Ansprüchen die Sturheit der Menschen erhöht, nicht verringert. Für sie ist Land heilig, und der Gedanke, es gegen Geld zu tauschen, ist eine Beleidigung.

Keine Frage: Großzügigkeit und mitfühlendes Handeln ohne eigenen Profit sind wertvoll. Aber vielleicht wäre es gut, manchmal weniger streng zu denken.