Studie

Die makroökonomischen Auswirkungen sozialer Sicherungssysteme

Ein wesentlicher Bestandteil der derzeit weltweit verabschiedeten Hilfs- und Konjunkturpakete ist es, etablierte Systeme der sozialen Sicherung auszuweiten. Aber haben sie auch konjunkturstützende Effekte und wie effizient sie im Vergleich zu anderen Maßnahmen? Ein Beitrag von Sebastian Gechert, Christoph Paetz und Paloma Villanueva.

Die Corona-Pandemie trifft die Weltwirtschaft in einem Ausmaß, welches vermutlich alle anderen Wirtschaftskrisen der Nachkriegszeit, einschließlich der Großen Finanzkrise von 2008, in den Schatten stellt. Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal des Jahres bereits um 2,2% geschrumpft. In den Monaten März und April haben knapp 751.000 Unternehmen zusammengenommen über 10 Millionen Kurzarbeiter*innen angezeigt. Es besteht zudem die Gefahr, dass sich die Ungleichheiten auf dem deutschen Arbeitsmarkt durch die Corona-Pandemie zusätzlich verschärfen. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass Geringverdiener stärkere negative Auswirkungen auf das Haushaltseinkommen erfahren als Besserverdiener.

Ein wesentlicher Bestandteil der derzeit weltweit verabschiedeten Hilfs- und Konjunkturpakete ist es, etablierte Systeme der sozialen Sicherung auszuweiten. Darunter fallen die Krankenversicherung, die Grundsicherung, Arbeitslosenversicherungssysteme, öffentliche Rentensysteme sowie weitere Sozialleistungen. So wurden z.B. in Deutschland bereits die Bezugsmöglichkeiten für Kurzarbeitergeld gelockert, der Verdienstausfall von Familien wegen der Kinderbetreuung in Zeiten der Schließung der Bildungseinrichtungen kompensiert, direkte Transfers im Rahmen der Soforthilfe an betroffene Kleinselbstständige und Freiberufler ausgezahlt, der Bezug des Kinderzuschlags erleichtert, die Bedürftigkeitsprüfung für den ALG2-Bezug gelockert und substantielle Mittel für die Beschaffung medizinischen Materials bereitgestellt.

In erster Linie sollen diese Maßnahmen Menschen vor Armut oder mangelnder Versorgung bewahren. Fraglich ist allerdings, inwiefern sie auch konjunkturstützende Effekte haben und wie effizient sie im Vergleich zu anderen Maßnahmen, etwa der Senkung von Sozialversicherungsbeiträgen wirken, die spiegelbildlich die Einnahmeseite des sozialen Sicherungssystems darstellen und ähnlich einer Steuersenkung grundsätzlich auch zur Konjunkturstimulierung beitragen könnte.

Dieser Beitrag vergleicht die Multiplikatoreffekte zusätzlicher Sozialausgaben mit einer Senkung der Sozialversicherungsbeiträge. Er fasst unsere Ergebnisse einer umfangreicheren und technischeren Studie zusammen, die kürzlich erschienen ist. Darin haben wir unter anderem eine neue Zeitreihe der Sozialgesetzgebung Deutschlands über den Zeitraum 1970 bis 2018 erstellt. Die Zeitreihe dokumentiert den Zeitpunkt, den voraussichtlichen Umfang (in Milliarden Euro) und den Anlass größerer Gesetzesänderungen im Bereich der gesetzlichen Rente, der Gesundheitsversorgung, der Langzeitpflege, der Arbeitslosigkeit, der Grundsicherung und weiterer Sozialleistungen auf Bundesebene. Sowohl Änderungen bei den Leistungen als auch bei den Beiträgen werden erfasst.

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