In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.
Warum Kapitalismus nicht glücklich macht
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Theresa Bäuerlein
Dieses Interview mit dem schwedischen Ökonom Carl Cederstrom ist ein Aha-Erlebnis. Denn es bringt auf eine Weise, die ich so einfach und so klar bisher noch nicht gelesen habe, auf den Punkt, warum die gängige Vorstellung von Glück in unserer Zeit (und in unserem Teil der Welt) keine absolute Wahrheit ist, sondern ein Produkt eben dieser Zeit: die Vorstellung also, dass Glück eine individuelle Angelenheit ist, und in individueller Erfüllung und Ausschöpfung des eigenen Potenzials gefunden wird.
Das geht laut Cederstrom auf die Gegenkultur der 60er und 70er zurück. Was damals vielleicht noch eine noble Idee war – die Idee von persönlicher Befreiung und einem authentischen Leben – ist laut Cederström von Unternehmen und Werbung vereinnahmt worden und hat zu unserer jetzigen Konsumkultur geführt.
I think we do end up in a situation where people feel constantly anxious, alienated, and where bonds between people are being broken down, and any sense of solidarity is being crushed. I think a meaningful sense of happiness would need to be a collective one. For a very long time, we’ve looked at ideas of collective happiness as ugly or creepy or totalitarian, but they need not be. I believe we desperately need to reimagine what collective happiness might look like in 2018.
Fridays for Future und die Lausitz: „Beide Seiten wünschen sich, dass die Politik endlich handelt“
piqer:
Alexandra Endres
Dies ist eine ungewöhnliche Gesprächsrunde. Gar nicht so sehr wegen ihrer Zusammensetzung – die Auswahl der Gäste bildet unterschiedliche Standpunkte ab, wie auch in anderen Talkshows üblich –, sondern deshalb, weil die Leute, die hier miteinander diskutieren, in aller Ruhe ihre Argumente darlegen können, und weil es dem Moderator spürbar (und erklärtermaßen) ein Anliegen ist, ein besseres gegenseitiges Verständnis und einen echten Austausch zu ermöglichen. Es geht also nicht um Provokation und Knalleffekte, sondern darum, eine gemeinsame Basis zu finden und darauf aufzubauen. Ich finde das ziemlich wohltuend.
Das Format heißt StudioM, das steht für Studio Monitor, und zu sehen ist die Sendung auf YouTube. Im Studio moderiert Monitor-Chef Georg Restle, bei ihm sitzt Fridays-for-Future-Aktivistin Leonie Bremer, und nach und nach werden die anderen Gäste zugeschaltet. So interviewt Restle Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, den Leag-Elektrotechniker Lars Katzmarek aus der Lausitz und den Soziologen Fritz Reusswig vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung.
Besonders interessant finde ich persönlich die Passagen, in denen es um die Position der Leute in der Lausitz zur Klimapolitik geht, und die dann mit den Forderungen von Fridays for Future abgeglichen werden. An einer Stelle sagt Leonie Bremmer:
Beide Seiten fordern eigentlich nur: Politik, macht was. Gebt uns einen Plan. (…) Genau das ist doch das, warum wir zusammen diese Krise bewältigen müssen und können.
Offenbar liegen die beiden Lager gar nicht so weit auseinander, wie es zuweilen den Anschein hat. Die Idee liegt nahe: Könnte man das nicht produktiv nutzen? Den Soziologen Fritz Reusswig fragt Restle am Ende, ob man die Klimadebatte nicht auch nutzen könne, um die Gesellschaft zu einen statt zu spalten. Der antwortet:
Das halte ich für die richtige Hoffnung. Daran müssen wir arbeiten.
Die Klimakrise im Mittleren Westen wird den US-Wahlkampf beeinflussen
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Daniela Becker
Iowa gilt als eine der Kornkammern der USA. Die dortige Agrarindustrie ist für erhebliche Mengen Treibhausgasemissionen verantwortlich, gleichzeitig sind Menschen im Mittleren Westen massiv von zunehmenden Extremwettern betroffen. Das führt dazu, dass erstmals die Klimakrise eine Rolle im US-Wahlkampf spielen wird, so die These dieses Longread in der Time.
Across the state, Democratic presidential hopefuls have heard from business owners whose storefronts have flooded, mothers concerned about contaminated drinking water, and farmers who have lost harvests to a cycle of flooding and drought in the state. “There is deep concern about climate change across Iowa,” says Michael Bennet, a U.S. Senator from Colorado currently running for the Democratic nomination.
Tatsächlich haben alle Kandidaten der Demokraten Klimapläne veröffentlicht, die Vorschläge zu Forschungsfinanzierung, der Unterstützung der Klimabemühungen anderer Länder bis hin zur Änderung der Genehmigungsregeln für neue Öl- und Gaspipelines enthalten.
Bemerkenswert sei, dass insbesondere bei den Landwirten, die in den USA bislang als besonders skeptisch gegenüber der Klimaforschung galten, die Stimmung umschwenkt.
Aaron Heley Lehman, president of the Iowa Farmers Union, says climate has become a regular topic of conversation among farmers. Greg Franck, a self-described “farm boy” who lives in the Des Moines area but has worked in agriculture, described a recent meeting he attended in southwest Iowa, where farmers gathered to hear advice from federal government scientists on how to adapt to the effects of climate change.
Die Transformationen zu gestalten, sei eine Chance, die einige demokratische KandidatInnen ergreifen.
Democrats have tapped into that conversation. At least 10 candidates have proposed to offer farmers an additional income stream if they implement climate-friendly practices. “What we’re seeing is a significant change in how the Democrats are engaging with farmers in rural America,” says Russell.
Die Postwachstums-Gesellschaft – ein Bericht von der „Forschungsfront“
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Thomas Wahl
„Soziopolis“ gibt hier in mehreren Artikeln (Splitter 1 bis 5) einen Bericht über die Abschlusskonferenz der DFG-Kollegforscher*innengruppe „Postwachstumsgesellschaften“ und der zweiten Regionalkonferenz der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Jena. Die Vielfalt der Themen ist beeindruckend und anregend, ebenso die Prominenz der Vortragenden oder Diskutanten. Ich möchte hier beispielhaft nur kurz auf die Diskussion mit Wolfgang Streeck zum Thema „nationale Scholle“ vs. suprastaatliche Integration eingehen:
Wir sollten, so seine Empfehlung, auf eine immer umfassendere ökonomische Integration („Hyper Globalization“) verzichten und uns stattdessen auf den Erhalt beziehungsweise die Wiedergewinnung effektiver demokratischer Politik im nationalstaatlichen Rahmen konzentrieren. Da nur Staaten, und nicht etwa Unternehmen, demokratischer Kontrolle unterworfen werden könnten, und auch nur Staaten in der Lage seien, durch die Erhebung von Steuern für die Bereitstellung öffentlicher Güter zu sorgen und demokratische Politik zu ermöglichen, sei das Duo von Nationalstaat und Demokratie de facto alternativlos, sobald man einen auch nur minimal emphatischen Begriff von Demokratie präferiere.
In der jüngeren Zeit hat es keine Union souveräner Staaten zu einer mächtigeren Herrschaft gegeben, zahlreiche Bestrebungen zur Desintegration sehr wohl. Dass er damit „normative Missbilligung“ erntete, glaube ich sofort. Obwohl man in der Wissenschaft nicht mit Werturteilen streiten sollte.
Auch die Frage und Diskussion, warum Individuen und ganze Gesellschaften überhaupt nach ständigem Wachstum, Beschleunigung und Destabilisierung streben, fand ich interessant. Das
Bedürfnis nach Resonanz – Rosa nennt es die „Vergrößerung der Weltreichweite“ – sei nicht nur die Triebkraft von Beschleunigung, Entgrenzung und Destabilisierung, sondern liege auch dem Projekt eines „guten Lebens“ zugrunde.
Zumindest für mich ein neuer, unkonventioneller Gedanke in der Soziologie.
Nach diesem Prozedere wird die EU-Kommission gebildet
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Jürgen Klute
Die Bildung der EU-Kommission ist vielen Wähler*innen nur schwer nachvollziehbar. Das dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, dass die EU vielen als eine unvollständige Demokratie gilt.
Anlässlich der Anhörung der EU-Kommissions-Kanditat*innen durch das Europäische Parlament (EP) seit Anfang Oktober hat Beatriz Rios auf dem europäischen Nachrichtenportal Euractiv das Anhörungsverfahren der Kandidat*innen in gut nachvollziehbarer Weise nachgezeichnet.
Das EP wählt die Kommssar*innen zwar nicht direkt, aber, das wird in dem Artikel von Beatriz Rios deutlich, das EP entscheidet letztendlich über die Kommission. Zuvor unterzieht das Parlament die Kandidat*innen einer ausführlichen Befragung, in der die fachliche Qualität und die persönliche Integrität der Bewerber*innen überprüft wird. Beatriz Rios beschreibt Schritt für Schritt, wie dieses Anhörungsverfahren abläuft.
Aus bundesrepublikanischer Sicht ist das vielleicht etwas ungewohnt. Aber die EU ist nicht nach dem gleichen demokratischen Konzept aufgebaut wie die Bundesrepublik. Die EU ist eher eine Gremiendemokratie bestehend aus den drei Insitutionen EP, EU-Rat, und EU-Kommission, die unterschiedliche Aufgaben haben. Die Bildung der Kommission erfolgt arbeitsteilig zwischen EU-Rat und EP: Der EU-Rat nominiert die Kandidat*innen, das EP entscheidet über die Nominierungen.
Die Zusammensetzung der Kommission wiederum folgt nach dem Schweizer Modell der Konkordanzdemokratie, die nicht wie das Modell der Konkurrenzdemokratie auf der Vormacht einer Mehrheit gegenüber einer Minderheit aufbaut, sondern auf einer möglichst breiten Repräsentation aller gesellschaftlichen Kräfte im Exekutivorgan, wie eben im Schweizer Bundesrat.
Das ist keineswegs unemokratisch, wie immer mal wieder behauptet wird, sondern schlicht eine andere From von Demokratie, die dem Sinn und dem Ziel der EU besser entspricht als eine Konkurrenzdemokratie und die vor allem die EU vor Populismus schützt – jedenfalls in der Kommission.
Die Berliner Lobby-Republik – ein Praxisbericht
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Marcus von Jordan
Der „Volle-Halle„-Klimafighter Kai Schächtele hat mich auf diesen Text gebracht. Kai schreibt bei facebook:
Der inzwischen parteilose Bundestagsabgeordnete Marco Bülow – aus der SPD ausgetreten nach intellektuellem Ermüdungsbruch – beschreibt in diesem Papier am Beispiel eines Gesetzes zur CO2-Abscheidung, wie in unserer Demokratie Macht und Einflussnahme verteilt sind. Das Papier hat 29 Seiten und erfordert etwas mehr Zeit als einen gepfefferten Tweet. Aber hinterher weiß man dann, warum in den westlichen Demokratien die Dinge stehen, wie sie stehen. Was hier beschrieben ist, passiert überall, wo große Unternehmen erfolgreich ihre kurzfristigen Interessen durchsetzen. Die Klimakrise ist nicht unser größtes Problem – sie ist das Resultat unseres größten Problems.
Da ich immer wieder in dieses indifferente Thema „Lobbyismus“ gerate und immer wieder merke, wie jeder (auch ich) sich darunter vorstellt, was eben zu seiner Wahrnehmung des Politikbetriebs passt, habe ich das hier sofort durchgelesen und das solltet ihr unbedingt auch tun.
Bülow erklärt sehr deutlich und knapp die aktuelle Problematik und verschweigt nicht, dass es kompliziert ist. Seine abschließenden Vorschläge zur Verbesserung der sehr misslichen Lage sind aber erstaunlich klar und mindestens teilweise scheinen sie leicht umsetzbar.
Würde man versuchen die Summe aller notwendigen, politischen Maßnahmen in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen, ich wüsste nicht, was weiter oben auf der Liste stehen sollte.
Kleines Zitat noch als Teaser:
„Nicht selten habe ich von Unternehmen Papiere erhalten, die mir das zuständige Ministerium verweigert hatte – und das, obwohl ich gewählter Abgeordneter einer Regierungsfraktion war.“
Das Märchen vom Klassenkampf der „anywheres“ gegen die „somewheres“
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Ruprecht Polenz
Rechtspopulisten, aber auch Linke, Liberale und Vertreter der „bürgerlichen Mitte“ haben einen neuen Klassenkampf entdeckt. Was Marx die Besitzer von Produktionsmitteln waren, sind ihnen die neuen, globalisierten Eliten, die sog. „Anywheres“, überall auf der Welt zuhause, aber letztlich heimatlos. Ihnen stehen antagonistisch die „Somewheres“ gegenüber, fest mit der Heimat verbunden, deren Schicksal sie deshalb viel mehr bewegt als Menschen, die einfach von Land zu Land ziehen können.
So dienen globalisierte Eliten inzwischen häufig als Feindbild in einer nach rechts rückenden Gesellschaft. Die „einfachen Menschen“, so wird allenthalben betont, würden ihnen mit Hass und Verachtung begegnen, denn sie hätten ein natürliches Bedürfnis nach nationaler Heimat. Erfolge der völkisch-nationalistischen AfD beruhten, so wird gesagt, auch auf diesem Gegensatz.
In seinem Essay räumt der Historiker Bodo Mrozek mit diesem Konstrukt auf. Er weist eine weitgehende Transnationalisierung der Lebensstile breiter Schichten nach (Musik, Essen, Reisen) und hält fest:
„Die Ängste und Sorgen der AfD-Wähler ernst nehmen, wie so oft gefordert wird, das hieße daher in allererster Linie, ihre Wahlentscheidung als das zu akzeptieren, was sie ist: nämlich die Zustimmung mündiger Bürgerinnen und Bürger zu einem politischen Programm. Einem Programm, das nahezu monothematisch auf Migrationsfeindlichkeit und in zahlreichen Äußerungen auch auf brutalem Rassismus beruht – und Akzeptanz in allen Schichten und Bildungsmilieus findet.“
Die Vielen und die Wenigen in der Demokratie
piqer:
Thomas Wahl
Wer zahlt für wen in der Demokratie, diese Frage stellt Peter Sloterdijk. Und beantwortet sie erwartbar provokativ.
Er sieht den Begriff der „Demokratie“ als ein Pseudonym für mannigfaltige „oligokratische“ Strukturen, die zusammen das System „moderner politisch vermittelter Daseinsvorsorge“ bilden. Das reicht vom Lobbyismus der Großunternehmen über die versottenden Volksparteien, den Spitzen der Behörden bis in die „Schaumkronen massenmedialer Prominenz“. Auch die akademischen Linkspopulisten sind tendenziell oligokratisch organisiert. Und das obwohl sie meinen, in ihren Konzepten die „Sprachlosen und Ausgegrenzten“ der Gesellschaft zu vertreten. Auch diese akademisch lauten Wenigen drängen den sprachlosen Vielen meist „ungefragt ihre Dienste auf, und dies so gut wie nie zu deren Vorteil.“
In Wahrheit ist es ein Grossteil der vielen, der von der Kreativität der wenigen profitiert, wenn auch um den Preis zunehmender Ungleichheit. Infolgedessen enthüllt sich die aktuelle «Demokratie» mehr und mehr als ein System, in dem die oligoi ihren Vorteil gegenüber den polloi ausbauen – wenn auch auf ganz andere Weise, als die älteren Ausbeutungstheorien es unterstellten. Aufs Ganze gesehen sind es die vielen, die von den innovativen Impulsen der wenigen in historisch beispielloser Weise Vorteile ziehen.
Dabei steht der Staat und sein Fiskus im Zentrum moderner Gemeinwesen – und immer fehlt ihm Geld. Aber das Volk ist zufrieden, solange es meint, die zusätzlichen Mittel kommen von den betuchten Wenigen.
Wem gehört Deutschland?
piqer:
Sven Prange
Zugegeben, diese Frage ist so allgemein und vereinfachend blöd gestellt, dass man danach fast nichts mehr erwartet. Dennoch hat die ARD hier ein, nicht immer ganz feinsinnig ausziseliertes, aber nicht uninteressantes Bilder-Potpourri als Antwort zusammengetragen. Und zwar, weil Jan Lorenzen hier gemacht hat, was bei volkswirtschaftlich-politischen Medienbeiträgen meist nicht passiert: Er sucht sich seine Antworten per Deutschland-Reise zu echten Menschen. Und das, ohne allzu platt und klischeebeladen zu werden (auch wenn es recht am Anfang des Films einen Grenzübertritt in dieser Sache gibt; davon nicht abschrecken lassen).
Dabei startet Lorenzen, indem er aus einem deutschen Allgemeinplatz einen Konjunktiv formt: Mit der Demokratie sei die beste Regierungsform gefunden, das war lange der Grundkonsens in der Bundesrepublik. Zwar ist die Zustimmung zur Idee der Demokratie immer noch hoch, doch die Zufriedenheit mit den politischen Verhältnissen in Deutschland bröckelt. Dabei trifft Lorenzen nicht nur auf dem Bildschirm gemeinhin Unbekannte, beschreibt die Ohnmacht von Stadtvätern gegenüber Konzernen und von Arbeitern gegenüber Kapitalinteressen (und liefert dabei immer wieder Spuren zu Erklärungen von Phänomenen außerhalb wirtschaftlicher Zusammenhänge). Er entlockt mitunter auch auf dem Bildschirm Bekannten Unbekanntes. Etwa wenn der ehemalige Innenminister Thomas de Maizière sagt:
„Sehen Sie, die Automobilindustrie ist eine große Branche in Deutschland. Sie hat großen Einfluss. Wenn Sie sagt, ein gewisser Grenzwert gefährde Arbeitsplätze in Deutschland, dann ist das etwas, was Politiker und Regierende sich anhören müssen.“
Er sagt dann noch weitere Sätze, an deren Ende man sich nicht so sicher ist, ob er sagen möchte, dass sie dann auch hören müssten. Wer die Subtilität nicht versteht, dem gibt der Film im weiteren Verlauf noch deutlichere Antworten.
@jwschoop @peteraltmaier und das alte Wachstumsdenken – die #RheinlandRunde ist schon weiter
piqer:
Gunnar Sohn
„Eigentlich wenig überraschend, dass in einem Land, in dem Konsumverzicht gepredigt wird, die Wirtschaft nicht mehr wächst“, schreibt @jwschoop ein wenig monokausal auf Twitter und erntet für diese Weisheit direkt einen Retweet des Bundeswirtschaftsministers. Ich werte den Exkurs von J. Wolfgang Schoop mal als kleinen Seitenhieb auf all jene, die sich Gedanken machen über die Auswirkungen unseres Lebensstils auf die Ökologie. Zudem ist die Twitter-Prosa des Absolventen der Uni Bonn ein Indikator für die heraufziehenden Debatten über Schuldfragen beim Abstieg von Volkswirtschaften mit der DNA aus Zeiten des Industriekapitalismus.
Aber selbst unter den Mainstream-Ökonomen wachsen die Zweifel am althergebrachten Wachstumsdenken. So widersprechen die Wirtschaftsforschungsinstitute bei der Vorlage ihres Herbstgutachten sogar der kindlichen Auffassung von FDP-Chef Christian Lindner, der den Klimaschutz nur mit der besten und neuesten Technik und ohne Verzicht erreichen wolle. „Wenn wir das Innovationstempo der vergangenen Jahre beibehalten, verfehlen wir die Klimaziele mit Sicherheit“, stellte Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) nach einem Bericht des Tagesspiegels klar. So zu tun, als könne man wirksamen Klimaschutz nur mit Innovationen erreichen, sei „sehr gefährlich“, weil dadurch der Druck für sofortige Neuerungen ausbleibe, so Holtemöller weiter.
Es gebe einen Zielkonflikt zwischen aktuellem Konsum und den Zukunftsmöglichkeiten. Es führe kein Weg daran vorbei, dass wir weniger Ressourcen verbrauchen müssen und Investitionen in Innovationen tätigen. Beides ginge nur über Konsumverzicht. Wir sollten schleunigst über neue Indikatoren in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nachdenken, um dieses neue Denken abzubilden. Die #RheinlandRunde ist schon weiter.
Von China lernen heißt Wissenschaft wertschätzen
piqer: Anja C. Wagner
Das Nature-Magazin feiert seinen 150. Geburtstag und blickt auf den historischen Aufstieg Chinas als Folge eines bedingungslosen Glaubens an die Bedeutung der Wissenschaft zurück.
Durch protestantische Missionare erkannten die Chines*innen recht früh die Bedeutung der Wissenschaften als Grundlage für die wachsende militärische und wirtschaftliche Macht des Westens. Sie gingen schnell dazu über, zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten ins Chinesische zu übersetzen, sodass in der Folge immer mehr Studierende ins Ausland gingen; zunächst nach Japan, später in die USA. Von dort kehrten die meisten wieder zurück in ihr Land, bauten die ersten eigenen Institute auf, um ihre wachsende Bevölkerung mit wissenschaftlichem Fortschritt ernähren zu können. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts tauchte der Satz „China durch Wissenschaft retten“ („kexue jiuguo“) häufig in populären Schriften auf.
Die Kulturrevolution in den 1960er Jahren setzte der wissenschaftlichen Forschung zwar temporär ein jähes Ende, es sei denn, sie wurde zugunsten der nationalen Verteidigung und der öffentlichen Gesundheitsversorgung genutzt. Erst mit Deng Xiaoping etablierte sich wieder eine verstärkte wissenschaftliche Infrastruktur, die zur Grundlage für den heutigen chinesischen Fortschrittsglauben wurde.
Poster und Public Displays feiern die wissenschaftliche Entwicklung. Science Fiction ist im Buchhandel das angesagteste Genre. In gut ausgestatteten Laboren und hochmodernen Feldstationen eilt China mit dem festen Glauben an seinen Status als wissenschaftliche Supermacht voran. Es gibt noch eine weitere Geschichte auf diesem Weg, die der Beziehungen zur Außenwelt, die das Land verändert haben. In den Gipfeln und Tälern dieser Geschichte offenbart sich eine Botschaft – die Zukunft erfordert den Internationalismus, der Chinas Aufstieg in den letzten 150 Jahren vorangetrieben hat.
Chinas Meinungsmacht, überall!
piqer:
Thomas Rehehäuser
In der FAZ beschreibt Hendrik Ankenbrand eine erschreckende Entwicklung in den USA. Ein Geschäftsführer eins NBA-Basketballclubs schreibt in einem Tweet:
„Kämpft für Freiheit. Steht an der Seite Hongkongs.“ (Fight For Freedom. Stand With Hong Kong.)
Dann folgt eine Welle der Empörung aus China, Rückzug des Team-Sponsors und weiterer Sponsoren, Ausschluss bei TV-Übertragungen, Berichte im Fernsehen. Der zwischenzeitliche Rausschmiss des Geschäftsführers durch den Inhaber brachte keine Mäßigung, reumütige Tweets des ehemaligen Geschäftsführers bleiben ebenfalls ohne Erfolg.
Chinas wirtschaftliche Macht macht Meinung. Es ist erschreckend zu lesen, wie sehr die öffentliche Wahrnehmung des Themas Hongkong hier öffentlich gelenkt wird. Die zentrale Machtstruktur in China (Politik, Wirtschaft, Presse) zeigt sich in seiner geballten Kraft.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir in Deutschland dies ebenfalls so deutlich spüren werden (erste Botschaften gab es bereits). Aber viele lernen jetzt schon: China öffentlich zu kritisieren, ist nicht angesagt. Wir schweigen lieber oder sagen, was wir glauben, dass China gefällt.