Zunehmende Ungleichheit
Wie etwa Jens Südekum zeigt, führte beispielsweise der Einsatz von Robotern in Deutschland bislang nicht zu flächendeckenden Jobverlusten. Allerdings beschleunigten Roboter den Strukturwandel und könnten somit zur Zunahme von Einkommensungleichheit führen: Denn der Einsatz von Robotern steigert die Produktivität und die Unternehmensgewinne, führt aber nicht zu einem Anstieg der Durchschnittslöhne. Hochqualifizierte Beschäftigte profitieren von dieser neuen Technologie, die breite Mehrheit der Facharbeiter in der Mitte des Qualifikations- und Lohnspektrums bisher allerdings nicht.
Dies wird auch durch eine Studie von Hermann Gartner und Heiko Stüber bestätigt: Seit den 1970er Jahren sind für Hochqualifizierte mehr Arbeitsplätze entstanden als verschwunden. Für Geringqualifizierte dagegen war es umgekehrt. Die technologische Entwicklung war also mit einer qualitativen Veränderung des Bedarfs an Arbeitskräften verbunden: „Während die Nachfrage nach hoch qualifizierten Arbeitskräften zugenommen hat, ist die nach gering qualifizierten gesunken“, so Gartner und Stüber.
Die gemessenen Verteilungseffekte waren bislang noch überschaubar, könnten sich aber künftig verstärken, zeigt Jens Südekum. „Digitalisierung und Automatisierung verschärfen die Einkommensungleichheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt“, diagnostizieren auch Melanie Arntz, Terry Gregory und Ulrich Zierahn. Sie zeigen, dass sehr gut (aus)gebildete und entlohnte Arbeitskräfte eher vom technologischen Wandel profitieren würden als mittel bis gering gebildete und bezahlte Arbeitskräfte.
So kann das digitale Wachstum auch laut Ferschli et al. (2019) die Ungleichheit von Vermögen verschärfen, da Technologiefirmen überwiegend finanzmarktorientiert und Finanzvermögen in Deutschland stark konzentriert sind. Dies könne man unter Anderem daran sehen, dass die Dividenden-Ausschüttungsquoten von TecDAX-Unternehmen mit etwa der dreifachen Rate steigen wie die von DAX-Unternehmen.
Währenddessen ist der Besitz von Finanzkapital in Deutschland bei den vermögenden Haushalten konzentriert. So besaß der medianvermögende Deutsche im Jahr 2017 mit durchschnittlich 16.900€ weniger als ein Drittel des durchschnittlichen Finanzvermögens von 56.800€. Dementsprechend sind noch mehr als bei anderen Unternehmungen Wohlhabende die Kapitaleigentümer der aktienmarktorientierten Technologiefirmen und profitieren stärker von deren Wachstum.
Auch führt eine kapitalintensivere Produktion zu einer geringeren relativen Nachfrage nach Arbeit. Dadurch sinken die Arbeitseinkommen im Verhältnis zu den Kapitaleinkommen. Da Kapitalbesitz bei den Wohlhabenden konzentriert ist, erhöht dieser Umstand die Einkommensungleichheit. Eine Kapitalintensivierung der Produktion lässt sich beispielsweise daran ablesen, dass die Lohnquote (der Anteil der Löhne am BIP) in Deutschland zwischen 1970 und 2014 um etwa 7% gesunken ist (Ponattu et al. 2018). Dass die Digitalisierung diesen Trend beflügelt, zeigt sich etwa daran, dass die „digitale Kapitalintensität“ (der reale Kapitalbestand an Hardware pro geleisteter Arbeitsstunde) sich zwischen 2000 und 2015 vervierfacht hat. Des Weiteren wächst die Beschäftigung in TecDAX-Unternehmen langsamer als in DAX-Unternehmen – und dies, obwohl die TecDAX-Unternehmen insgesamt stärker wachsen (Ferschli et al. 2019).
Gegenmaßnahmen zur Abfederung dieser negativen Folgen könnten unter anderem der Ausbau von Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie Instrumente der Verteilungspolitik und der Ausbau von Mitarbeiterbeteiligungen sein.
Quellen
- Benjamin Ferschli, Miriam Rehm, Matthias Schnetzer & Stella Zilian: Marktmacht, Finanzialisierung, Ungleichheit
- Dominic Ponattu, Andreas Sachs, Heidrun Weinelt & Alexander Sieling: Unternehmenskonzentration und Lohnquote in Deutschland
- Jens Südekum: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit
- Hermann Gartner & Heiko Stüber: Arbeitsplatzverluste werden durch neue Arbeitsplätze immer wieder ausgeglichen
- Melanie Arntz, Terry Gregory & Ulrich Zierahn: Digitalization and the future of work: macroeconomic consequences