Während Deutschlands Medien derzeit vor allem über die personellen Intrigen und Verwicklungen bei der Bildung einer neuen großen Koalition in Berlin berichten, warten die europäischen Partner ungeduldig auf eine handlungsfähige Bundesregierung. Schließlich war für den EU-Gipfel am 22. und 23. März eigentlich angekündigt, die Diskussion um die weiter überfällige Reform der Eurozone voran zu treiben.
Zurzeit überdeckt zwar der robuste Aufschwung die fundamentalen Strukturprobleme der Eurozone. Aber fast alle Experten äußern Zweifel, ob die bisherigen Reformen wirklich ausreichen, um eine neue Eurokrise zu vermeiden.
Ein Paket von Vorschlägen, das zumindest aus dem Hintergrund die Debatte beeinflussen wird, ist der zuletzt weit diskutierte „Euroreport“ einer Gruppe von 14 hochrangigen deutschen und französischen Ökonomen (englische Langversion hier, deutsche Kurzversion hier). Das Papier selber hat den Anspruch, ein Kompromisspapier zu sein, das Einwände und Argumente sowohl der französischen als auch der deutschen Seite einbezogen hat, ebenso wie die Positionen eher konservativer als auch eher linker Ökonomen.
Die Volkswirte fordern dabei eine Kombination aus „Risikoteilung“ und „Risikovermeidung“. Kurz zusammengefasst stehen dabei die folgenden Maßnahmen im Mittelpunkt:
- Vollendung der Bankenunion: Die Bankbilanzen sollen um faule Kredite bereinigt und insolvente Banken abgewickelt werden. Zudem wird eine Vereinheitlichung der Aufsichtskriterien und die Einführung einer gemeinsamen Einlagenversicherung angestrebt, mit der Möglichkeit, dass in schweren Krisen der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) Hilfskredite gibt. Weitere Elemente sind die Förderung von grenzüberschreitenden Bankfusionen und eine Stärkung des „Bail-Ins“ privater Bankgläubiger im Abwicklungsfall.
- Vollendung der Kapitalmarktunion
- Reform des Umgangs mit Staatsanleihen im Bankensektor: Neue Regeln sollen Anreize schaffen, dass Banken nicht mehr große Mengen von Staatsanleihen einzelner Länder halten. Auch sollen sogenannte European Safe Bonds (ESBies) eingeführt werden. Dabei handelt es sich um strukturierte Kreditprodukte aus einem Portfolio von Anleihen der Eurostaaten, die Finanzinvestoren eine Alternative zu nationalen Staatsanleihen bieten, ohne dass dabei aber wie bei Eurobonds eine Solidarhaftung der Mitgliedstaaten entsteht.
- Reform der Fiskalregeln: Die Fiskalpolitik soll sich künftig an Ausgabepfaden orientieren. Bei Überschießen der Ausgabepfade müssen zusätzliche Ausgaben mit nachgeordneten Staatsanleihen finanziert werden. Nationale Fiskalräte sollen bei der Ausgestaltung helfen und die Kompetenzverteilung zur Überwachung klarer zugeordnet werden.
- Vereinfachung bzw. teilweise Automatisierung der Restrukturierung von Staatsschulden: Die Abstimmungsregeln unter Gläubigern sollen so verändert werden, dass Umschuldungen einfacher werden. Nachgeordnete Staatsanleihen werden automatisch in ihrer Laufzeit verlängert, wenn ein Kredit vom ESM in Anspruch genommen wird.
- Reform des ESM, sodass dieser künftig ohne Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) Hilfsprogramme designen und diese federführend umsetzen kann.
- Fiskalkapazität für die Eurozone: Bei extrem starkem Anstieg der Arbeitslosigkeit sollen einzelne Staaten einmalig Hilfszahlungen aus einer Arbeitslosen-„Rückversicherung“ erhalten.
Viele Elemente des Pakets gehen in die richtige Richtung: Gegen eine Sanierung des – in einigen Ländern immer noch – kränkelnden Bankensektors ist wenig auszusetzen, ebenso wenig wie an der Idee, den ESM zu einem „Backstop“ für eine einheitliche Einlagensicherung zu erweitern. Auch gegen eine Stärkung der Kompetenzen des ESM ist wenig zu sagen.
Trotzdem sollte die Politik die Vorschläge keinesfalls unkritisch übernehmen. Denn in der Summe bleiben zu viele Fragen offen. Einiges spricht dafür, dass der Euroreport wichtige Probleme der Eurozonen-Architektur gar nicht erst angeht, und gleichzeitig sogar höchst unangenehme Nebenwirkungen mit sich bringen könnte.
Drei Hauptprobleme fallen dabei ins Auge: