Kommentar

Wie soll man der schwäbischen Hausfrau Makroökonomie erklären?

Es ist wahrlich nicht immer einfach, den simplifizierenden Argumenten der Austeritätspolitiker publikumswirksam entgegenzutreten. Aber Ökonomen sollten deshalb nicht den Fehler machen, sich auf deren Niveau herabzulassen. Ein Kommentar von Simon Wren-Lewis.

Das ist keine Volkswirtschaft. Foto: Pixabay

Matthew Bishop von der University of Sheffield hat in einem Beitrag ein paar Vorschläge gemacht, wie man die simplifizierende „Eine Volkswirtschaft funktioniert wie ein Haushalt“-Idee attackieren kann. Er schreibt richtigerweise, dass diese Analogie sehr mächtig ist – ohne sie hätten wir weder in Großbritannien noch im Rest von Europa in den letzten Jahren so viel Austeritätspolitik erlebt. Bishop führt den folgenden Disput zwischen Yanis Varoufakis und einem Zuschauer der britischen Talkshow Question Time an, um zu zeigen, dass Versuche, volkswirtschaftliche Zusammenhänge einfach zu erklären, ineffektiv sind:

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Am Ende des gezeigten Ausschnitts schwenkt die Kamera noch einmal auf den Fragesteller, der laut Bishops Meinung immer noch nicht wirklich überzeugt aussieht. Bishop leitet daraus ab, „dass man „politischen Bullshit“ nicht mit Fakten bekämpfen kann“. Vielmehr bestünde vielleicht die einzige Hoffnung darin, „Bullshit mit Bullshit zu bekämpfen“, wie es auch Jonathan Hopkin und Ben Rosamond vorgeschlagen haben (hier und hier).

Ich möchte dazu ein paar Anmerkungen machen, und zwar nach aufsteigender Wichtigkeit sortiert.

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Bishop argumentiert, dass Varoufakis wohl besser beraten gewesen wäre, wenn er der Metapher des Zuschauers nicht direkt widersprochen, sondern sie weiterentwickelt hätte. So hätte er beispielsweise sagen können, dass es auch für einen Privathaushalt sinnvoll sein kann, sich zu verschulden, um ein Auto zu kaufen, um damit zu einer besser bezahlten Arbeitsstelle fahren zu können. Oder dass Studenten Kredite aufnehmen, um damit ihr Studium zu finanzieren.

Ich denke, dass Bishop Recht damit hat, dass Ökonomen sinnvollerweise darauf verweisen können, dass auch Privathaushalte nicht immer ihre Budgets ausgleichen. Alle von ihm angeführten Beispiele helfen zu erklären, warum es für Regierungen durchaus Sinn macht, sich Geld zu leihen, um zu investieren.

Tatsächlich hätte er in dieser Hinsicht auch Vergleiche zwischen Regierungen und Unternehmen anführen können. Aus diesem Grund ist es für Ökonomen ziemlich leicht zu argumentieren, warum Regierungen sich jetzt mehr Geld für ihre Investitionen leihen sollten. Ich bin mir sicher, dass die meisten Ökonomen genau diese Analogien anführen würden: Die meisten versuchen schließlich, diesen Kram zu unterrichten.

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Allerdings bringen uns diese Analogien kaum bei dem Thema weiter, von dem der besagte Zuschauer glaubt, dass es ein Problem darstellen würde. Dessen Analogie besteht darin, dass wir zu viel Geld für ein exzessives Besäufnis ausgegeben hätten und uns jetzt finanziell ausnüchtern müssten. Während die von Bishop genannten Beispiele zwar mit der simplifizierenden Idee aufräumen, dass sich Regierungen kein Geld leihen sollten, erklären sie allerdings nicht, warum

  • es prinzipiell okay ist, die Staatsschuldenquote konstant zu halten (Regierungen leben ewig) und
  • es für Regierungen Sinn macht, sich in einer Rezession deutlich mehr zu leihen (Stichwort: automatische Stabilisatoren), oder
  • warum sich Regierungen in einer Rezession sogar noch mal viel mehr Geld leihen sollten, wenn die Zinsen an der Nulllinie angekommen sind.

Wir können es versuchen und diese Ideen so einfach wie möglich kommunizieren, wie ich es selbst schon oft versucht habe – und Vorschläge, wie ich das besser machen kann, sind immer herzlich willkommen. Aber es ist unglaublich schwierig, dies in ein oder zwei Minuten während einer Talkshow zu machen. Es ist so dermaßen schwierig, dass die meisten Ökonomen es selbst solange nicht verstanden hatten, bis Keynes seine General Theory veröffentlichte.

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Bishop behauptet auch, dass Ökonomen zu sehr damit beschäftigt wären, korrekt zu sein und simple Analogien verachten würden. Ich finde das unfair, zumindest ein bisschen: Bei einem öffentlichen Auftritt besteht immer die Angst vor dem, was deine Fachkollegen danach darüber sagen werden. Wie Chris Dillow schreibt, sind sich Ökonomen auch darüber im Klaren, dass Analogien, die man in einem gewissen Kontext verwendet hat, einem in anderen Zusammenhängen um die Ohren fliegen können.

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Bishop schreibt: „Wenn sich Physiker über jeden kaputtgelacht hätten, der versucht zu verstehen, was im CERN [die Europäische Organisation für Kernforschung] passiert, oder Sprachwissenschaftlicher sich über jeden Grammatikfehler amüsieren würden, der ihren Freunden passiert, wenn sie ihr Spanisch für den Urlaub trainieren, dann würde bald jeder aufhören, an diesen Dingen zu partizipieren. Das gilt auch für professionelle Ökonomen: Es geht nicht darum, die Ökonomie „richtig“ zu verstehen, sondern vielmehr darum, mit den Menschen in einer Sprache zu reden, die die Grenzen ihres Wissens respektiert, auf eine Weise, die letztlich zu einer bedeutungsvollen Konversation führt. Nur wenn wir unsere Schlachten sorgfältiger wählen, können wir hoffen, den Krieg der ökonomischen Ideen zu gewinnen, egal ob mit „Bullshit“ oder anders.“

Der große Unterschied zwischen Ökonomen und CERN-Wissenschaftlern besteht aber nicht darin, dass Ökonomen weniger respektvoll mit den Fehlern anderer Menschen umgehen. Er besteht darin,

  • dass Nuklearwissenschaftler keine Politiker um sich herumhaben, die ständig falsche Metaphern über ihr Gebiet verbreiten, als wären es Fakten,
  • große Teile der Medienlandschaft dasselbe tun und
  • der Rest der Medien zu ahnungslos ist, um diese Unwahrheiten anzugreifen.
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Deshalb glaube ich, dass für eine evidenzbasierte Disziplin wie die Ökonomie die Antwort „Ökonomen wissen, dass die Volkswirtschaft in vielerlei Hinsicht nicht wie ein Privathaushalt funktioniert, und jetzt erkläre ich dir, warum“ letztlich nicht arrogant oder respektlos ist. Stellen Sie sich vor, man hätte einen Star-Physiker wie Brian Cox bei Question Time gefragt: „Warum tun wir so, als wenn sich die Erde bewegen würde? Es ist doch offensichtlich, dass sich alles um die Erde herumbewegt!“ Wir würden nicht mal mit der Wimper zucken, wenn Cox erwidert hätte: „Nein, Wissenschaftler wissen, dass das nicht stimmt und dir das nur so vorkommt, weil…“

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Die Austeritätspolitik lehrt uns, dass der Respekt gegenüber der Wissenschaft heutzutage sehr gering ist. Das gleiche zeigt uns auch die Leugnung des Klimawandels. In den USA ist die öffentliche Meinung zum Klimawandel entlang der politischen Linien extrem gespalten, obwohl unter Wissenschaftlern zu dem Thema nahezu Einstimmigkeit besteht. Das sollte uns zu denken geben, und nicht, wie die Klimawandel-Wissenschaftler besser mit der Öffentlichkeit kommunizieren können, egal wie erstrebenswert das für sich genommen wäre. Eine Welt, in der sich Wissenschaftler mit ignoranten Polemikern auf Augenhöhe messen müssen, ist keine gesunde Welt.

 

Zum Autor:

Simon Wren-Lewis ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Oxford University und Fellow am Merton College. Außerdem betreibt Wren-Lewis den Blog Mainly Macro, wo dieser Beitrag zuerst auf Englisch erschienen ist.