Analyse

Wieso Universitäten das Wirtschaftswachstum steigern

Eine 78 Länder umfassende Studie zeigt, dass Universitätsneugründungen einen stark positiven Einfluss auf das Wachstum in einer Region haben – und das liegt nicht (nur) an einem erhöhten Bierkonsum oder mehr Nachtklubbesuchen.

Hauptgebäude der ETH Zürich. Foto: Pixabay

Im Jahr 1900 war weltweit nur einer von 100 jungen Menschen in einer Universität eingeschrieben. Im Laufe des 20. Jahrhunderts war es schon einer von fünf. Unsere Untersuchung zeigt, dass diese enorme Expansion des höheren Bildungssektors nicht nur das Ergebnis eines steigenden Reichtums war – sie hat auch dazu beigetragen, das Wirtschaftswachstum zu steigern.

Wir haben auf Grundlage der UNESCO World Higher Education Database (WHED) neue Daten zusammengestellt, die detaillierte Informationen über die Orte von 15.000 Universitäten in 1.500 subnationalen Regionen verteilt auf 78 Ländern während des Zeitraums von 1950 bis 2010 beinhalten. Im Durschnitt hat die Verdopplung der Zahl von Universitäten in einer Region dazu geführt, dass sich das Einkommen dieser Region anschließend um über 4% gesteigert hat. Zudem sorgten Spillover-Effekte dafür, dass sich auch in anderen Regionen desselben Landes das Wachstum gesteigert hat – es wurde also ein Wachstums-Multiplikator geschaffen.

Der Universitätsboom begann vor 1.000 Jahren in Bologna

Die erste moderne Universität wurde im Jahr 1088 in Bologna gegründet. Sie war eine Innovation gegenüber den religionsbasierten Instituten, die es zuvor gab: Eine Gemeinschaft mit administrativer Autonomie, Studiengängen, öffentlich anerkannten Abschlüssen und Forschungszielen.

Seitdem haben sich Universitäten weltweit in ziemlich derselben Form ausgebreitet. Wirtschaftshistoriker meinen, dass diese Universitäten durch die Entwicklung von Rechtsinstituten eine treibende Kraft hinter der kommerziellen Revolution waren. Auch die Industrielle Revolution haben Universitäten durch die Schaffung und Verbreitung von Wissen enorm vorangetrieben.

Das globale Wachstum von Universitäten während der letzten 1.000 Jahre

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Die markierten Daten zeigen, wann sich die Zahl der Universitäten auf der Welt verdoppelt hat. Quelle: WHED

Es gibt reichlich Beweise dafür, dass sich höhere Bildung für den Einzelnen auszahlt, weil die Gehälter von Hochschulabsolventen viel höher sind als die von Nicht-Hochschulabsolventen. Es ist aber viel schwieriger, die Verbindung zwischen Humankapital und Wirtschaftswachstum zu beweisen, weil es hier zahlreiche Faktoren zu überprüfen gilt, aber in der Literatur findet sich dennoch in der Regel ein positiver Zusammenhang.

Wir haben uns subnationale Daten auf regionaler Ebene (insbesondere in den US-Staaten) angeschaut und herausgefunden, dass ein Anstieg der Zahl der Universitäten das zukünftige Bruttoinlandsprodukt pro Kopf deutlich steigert. Dieses Ergebnis hält auch der Überprüfung anhand von Faktoren wie Bevölkerungszahlen und der Geografie stand.

Forschungsorientierte Universitäten in technisch fortgeschrittenen Volkswirtschaften bringen mehr Wachstumseffekte

Außerdem erhöhen Universitäten nicht nur den Output in der eigenen Region, sondern auch in benachbarten Gebieten. Die Verdopplung der Zahl der Universitäten in einer Region steigert das Einkommen dieser Region um 4% und das landesweite Einkommen um 0,5%. Natürlich sind nicht alle Universitäten gleich – sie unterscheiden sich hinsichtlich der Qualität und Größe. Beispielsweise haben wir herausgefunden, dass forschungsorientierte Universitäten in technisch fortgeschrittenen Volkswirtschaften offenbar deutlich mehr Wachstumseffekte bringen.

Politiker interessieren sich nicht nur für die möglichen Vorteile von Universitäten, sondern auch für die Kosten, die mit dem Bau und der Erhaltung verbunden sind. Für Großbritannien schätzen wir, dass eine zusätzliche Universität in jeder der zehn Regionen zu einer Erhöhung des Nationaleinkommens um 0,7% führen würde (das sind 11,3 Milliarden Pfund auf Basis der Zahlen von 2010). Das ist mehr als die jährlichen Kosten, die wir aufgrund der durchschnittlichen jährlichen Universitätsausgaben auf ungefähr 1,6 Milliarden Pfund schätzen. Der große Unterschied zwischen Nutzen und Kosten legt also nahe, dass mehr Universitäten erhebliche Vorteile bringen würden.

Wie genau beeinflussen Universitäten das Wachstum?

Zyniker könnten behaupten, dass Universitäten das Wachstum einfach auf mechanische Weise erhöhen: Mehr Menschen ziehen in die Region und konsumieren dort mehr „lebensnotwendige Güter“ – Wohnungen, Bier und Nachtklubs fallen einem als erstes ein. Aber unsere Ergebnisse bleiben sogar stabil, wenn wir sie um das Bevölkerungswachstum bereinigen.

Die Größenordnung dieses Effekts ist jedoch viel zu groß für eine reine Erklärung über die Nachfrageseite. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Universitäts-Effekt offenbar in Verbindung mit einem höheren Angebot gutausgebildeter Absolventen steht, die die Produktivität in den Firmen erhöhen, in denen sie beschäftigt sind. Außerdem steigern Universitäten die Innovationskraft (gemessen an den Anstiegen bei Patenten).

Über eine längere Zeitschiene haben wir auch herausgefunden, dass eine starke Universitäts-Präsenz in einer Region pro-demokratische Einstellungen fördert. Das interessante an diesem Ergebnis ist, dass es sogar dann gilt, wenn wir es um den individuellen Bildungsgrad bereinigen, was nahelegt, dass es eine Art von externem Effekt durch die Verbreitung von Ideen quer durch die anliegenden Gebiete gibt.

Internationale Daten seit den 1950er Jahren zeigen, dass Universitäten wichtig für das Wachstum sind. Und anhand des britischen Beispiels glauben wir, dass ihr Nutzen die Kosten überwiegt. Die britische Regierung hat kürzlich Maßnahmen angekündigt, um die Gründung neuer Universitäten zu erleichtern. Unter der Annahme, dass diese neuen Institutionen die gleiche Qualität wie die bereits bestehenden haben, legt unsere Analyse nahe, dass eine solche Politik gut für das Wirtschaftswachstum ist.

 

Zu den Autoren:

Anna Valero ist Doktorandin an der London School of Economics und Research Economist am Centre for Economic Performance. John Van Reenen ist Wirtschaftsprofessor am Centre for Economic Performance.

 

Hinweis:

Die englische Originalfassung des Textes ist zuerst erschienen auf dem EUROPP-Blog der London School of Ecnomics and Political Science (LSE). Die Übersetzung erfolgte mit Genehmigung von EUROPP.