Der britische Schatzkanzler George Osborne hat seine Haushaltspläne für das kommende Jahr vorgestellt. Man sollte sie nicht so ernst nehmen – denn eigentlich geht es Osborne nur darum, sich für die Nachfolge von David Cameron in Stellung zu bringen, kommentiert Simon Wren-Lewis.
Am Mittwoch hat Schatzkanzler George Osborne im britischen Unterhaus die Haushaltspläne seiner Regierung vorgestellt. Die Pläne sehen unter anderem Einsparungen in Höhe von 3,5 Milliarden Pfund (ca. 4,5 Milliarden Euro) bis zum Jahr 2020 sowie Steuererleichterungen für Unternehmen vor. Dazu ein Kommentar von Oxford-Ökonom Simon Wren-Lewis:
Alle, die in den Haushaltsplänen nach irgendeiner Form von ökonomischer Logik suchen, werden vergeblich suchen. Das Budget hat ein Ziel, und wirklich nur eins: die Wahl von Schatzkanzler George Osborne zum Nachfolger David Camerons. Der Londoner Bürgermeister Boris Johnson hat sich für einen Austritt Großbritanniens aus der EU stark gemacht – eine Position, die auch von der Mehrheit der Konservativen Partei vertreten wird, die über den neuen Parteichef bestimmt. Somit steht Osborne jetzt ein echter Kampf bevor.
Die Zeiten, in denen Osborne die Rolle des prüden Schatzkanzlers spielen konnte, sind vorbei
Vor langer, langer Zeit konnte Osborne möglicherweise die Rolle des prüden Schatzkanzlers spielen – aber diese Zeiten sind vorbei. Die Reduzierung des Haushaltsdefizits hat weder für die Medien, noch für die konservativen Abgeordneten und Parteimitglieder die hohe Priorität früherer Tage.
Jetzt müssen es Steuersenkungen sein, die am meisten dem oberen Viertel der Einkommensverteilung nützen, sowie die Reduzierung der Unternehmenssteuern. (Wie ich in einem Artikel im The Independent bereits geschrieben habe, lässt die Abwärtsrevision des erwarteten britischen Produktivitätswachstums durch das Office for Budget Responsibility (OBR) vermuten, dass die durch diese Senkungen beabsichtigte Extradynamik sich auch weiterhin hartnäckig weigert, sich einzustellen.)
Das ist der Grund, warum ein Haushaltsplan, dessen Hauptnachricht die Verschlechterung des Ausblicks für die britische Wirtschaft ist und dessen Kernstück ein (lächerliches) Ziel für einen Haushaltsüberschuss zu einem festgelegten Zeitpunkt ist, letztlich einzig und allein darin besteht, Steuern zu senken (abgesehen von der neuen Zucker-Steuer, die begrüßenswert und längst überfällig ist).
Dieses Ziel wird durch eine Kombination aus weiteren Kürzungen beim Wohlfahrtsstaat und bei anderen Ausgaben erreicht. Ja, es gibt auch jede Menge kreative Buchführung. Aber wenn sich das herausstellt, wird die Antwort dieser Regierung sein, dass die öffentlichen Ausgaben unbezahlbar und weitere Kürzungen nötig sind.
Die Steuern senken und das Haushaltsdefizit als Entschuldigung nehmen – für die Konservativen hat sich das als Erfolgsrezept erwiesen und Osborne hat sich entschieden, diese Kuh so lange zu melken, wie die Medien ihn damit davonkommen lassen.
Mehr vom Altbekannten
Eine weitere gute Faustformel für die Analyse dieses Schatzkanzlers ist es – abgesehen davon, dass es ihm immer um Politik geht – jede seiner Phrasen dahingehend zu interpretieren, dass sie zeigen, an welcher Stelle er sich für verwundbar hält.
Er benutzte den Terminus „langfristiger Wirtschaftsplan“, um Entscheidungen zu überdecken, die lediglich kurzfristige politische Ziele hatten. Deshalb heißt der aktuelle Slogan „putting the next generation first“, weil alles, was Osborne bisher getan hat, genau das Gegenteil bewirkt.
Der Slogan soll keinen abrupten Wandel signalisieren, sondern davon ablenken, dass es lediglich mehr vom Altbekannten gibt. Klimawandel? Osborne hat darin versagt, die Mineralölsteuern zu erhöhen und noch einiges andere getan. Öffentliche Investitionen? Wie ich im Independent schreibe, zeigen uns die OBR-Zahlen, dass er plant, die öffentlichen Netto-Investitionen um 25% unter dem Niveau der vorherigen Legislaturperiode zu halten. Diese Rhetorik könnte für Osborne ausreichen, um sich die Stimmen der (überwiegend alten) Mitglieder der Konservativen Partei zu sichern – aber die nächste Generation wird ihm dafür nicht dankbar sein.
Zum Autor:
Simon Wren-Lewis ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Oxford University und Fellow am Merton College. Außerdem betreibt Wren-Lewis den Blog Mainly Macro, wo dieser Beitrag zuerst auf Englisch erschienen ist.
Die Bezeichnung QE-Programm (Quantitative Easing) ist nicht die offizielle Bezeichnung des Programms der EZB, sondern bezeichnet lediglich eine geldpolitische Methode, bei der die Zentralbank Schuldtitel kauft, um das Niveau der Marktzinsen nach unten zu drücken. Das QE-Programm heißt im offiziellen EZB-Sprachgebrauch Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme, APP) und wurde Anfang 2015 beschlossen. Das APP bestand zunächst aus drei Einzelprogrammen zum Ankauf
gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP 3, Start Oktober 2014),
forderungsbesicherter Wertpapiere (ABSPP, Start November 2014) und
von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (PSPP, Start März 2015).
Im Juni 2016 kam das Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (CSPP) hinzu.
Eine genauere Beschreibung der einzelnen Programme finden Sie am Ende dieses Beitrags.
Die EZB hat für die einzelnen Programme keine konkreten Kaufvolumina, sondern lediglich monatliche Zielmarken für das gesamte APP festgelegt.
März 2015 bis März 2016: 60 Milliarden Euro
April 2016 bis März 2017: 80 Milliarden Euro
April 2017 bis Dezember 2017: 60 Milliarden Euro
Januar 2018 bis September 2018: 30 Milliarden Euro
Was kauft die EZB genau?
Der Blick auf die pro Monat aufgekauften Wertpapiere zeigt, dass die EZB durchaus die Zusammensetzung ihrer Käufe variiert hat und im Rahmen der einzelnen Programme unterschiedlich aktiv war. Auch lag das monatliche Kaufvolumen nicht immer präzise bei den angekündigten 60 bzw. 80 Milliarden Euro – allerdings hat die EZB während der jeweiligen Phasen im Durchschnitt doch ziemlich exakt das angekündigte Volumen gekauft.
Die unterschiedliche Gewichtung der Unterprogramme wird im folgenden Chart noch etwas deutlicher. Dieser zeigt, wie hoch der Anteil der jeweiligen Programme während der einzelnen Monate seit Start des APP im März 2015 war. Daraus wird ersichtlich, dass die EZB den Anteil der gekauften Staatsanleihen zuletzt wieder etwas reduziert hat (von in der Spitze über 90% auf zuletzt etwa 80%).
Worauf es zu achten gilt: Konkrete Umsetzung und Reinvestitionen fälliger Anleihen
In den kommenden Monaten gilt es also vor allem zu beobachten, wie die EZB die angekündigte Reduzierung ihres Aufkaufvolumens konkret umsetzt, weil sich dies auf die betroffenen Marktsegmente unterschiedlich auswirken wird. So hat die EZB wie oben gezeigt seit Start ihrer Aufkaufprogramme demonstriert, dass sie in der Lage und gewillt ist, die angekündigten Kaufvolumina auch tatsächlich umzusetzen. Das heißt, dass die gesamten APP-Bestände in ihrer Bilanz ungefähr dem im folgenden Chart skizzierten Verlauf (rote gestrichelte Linie) folgen und Ende September 2018 ein Gesamtvolumen von ca. 2,6 Billionen Euro erreichen dürften – die Frage ist eben lediglich, durch welche Wertpapiere die große weiße Lücke im Chart konkret gefüllt wird.
Es muss auch berücksichtigt werden, dass das APP noch lange über sein eigentliches Ende hinaus Wirkung entfalten wird. So hat die EZB bereits im Dezember 2015 angekündigt, die Einkünfte aus bis zur Fälligkeit gehaltenen Anleihen wieder zu reinvestieren und dieses Versprechen auf der Oktober-Ratssitzung noch einmal erneuert und präzisiert. Sollte also beispielsweise eine deutsche Staatsanleihe 2019 fällig und die EZB vom deutschen Staat ausbezahlt werden, wird sie – Stand heute – dieses Geld für den erneuten Erwerb einer (deutschen) Staatsanleihe nutzen. Ihre Bestände an Staatsanleihen werden sich somit nicht zwangsläufig verringern und ihre Präsenz auf den Märkten auch nicht sehr viel kleiner werden – sie schafft nur kein neues Geld, um Staatsanleihen zu erwerben.
QE-Käufe nach Ländern
Die EZB hat beim Start des PSPP (also des Staatsanleihen-Programms) angekündigt, dass sich das Kaufvolumen am Kapitalschlüssel der beteiligten Länder orientieren soll. Jedoch ist die EZB von diesem Ziel deutlich abgewichen: Sie hat mehr Staatsanleihen der großen Eurostaaten gekauft, als dies eigentlich nach dem Kapitalschlüssel angemessen gewesen wäre. So machen beispielsweise deutsche Staatsanleihen mittlerweile knapp 27% des aufgekauften Staatsanleihen-Portfolios aus, obwohl der deutsche Kapitalschlüssel nur bei knapp 18% liegt.
Diese „Bevorzugung“ der großen Staaten könnte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass es bei den kleineren Ländern schlicht nicht genug Anleihen gibt, damit die EZB ihr angepeiltes Kaufvolumen erreichen kann. Es wird sich zeigen, ob die EZB somit ihr Kaufverhalten ändern wird, wenn sie nur noch eine kleinere Summe an Staatsanleihen aufkaufen muss.
Bilanzsumme
Die im Rahmen des QE-Programms getätigten Käufe machen inzwischen fast die Hälfte der insgesamt knapp 4,4 Billionen Euro großen EZB-Bilanz aus. Wenn die EZB die Summe der monatlichen Anleihekäufe ab Januar senkt, ist in der kurzen Frist zu erwarten ist, dass sich die EZB-Bilanz zunächst etwas langsamer ausweiten wird. Um die tatsächliche expansive Wirkung der Geldpolitik zu beurteilen ist es aber auch notwendig zu beobachten, wie sich die übrigen Posten der Bilanz verändern, was aus heutiger Sicht aber nicht abschätzbar ist.
Glossar: Die Programme im Detail
Das erste Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (Covered Bond Purchase Programme, CBPP) wurde bereits 2009 von der EZB beschlossen, um nach der Finanzkrise den Markt für diese Papiere (z. B. Pfandbriefe) zu stabilisieren und Refinanzierungsproblemen der Banken entgegenzuwirken. Innerhalb eines Jahres wurden Wertpapiere im Gesamtvolumen von 60 Milliarden Euro angekauft. Ein zweites CBPP mit folgte dann von November 2011 bis Oktober 2012. Das aktuell laufende dritte CBPP wurde im Oktober 2014 verabschiedet.
Das Programm zum Ankauf forderungsbesicherter Wertpapiere (Asset Backed Securities Purchase Programme, ABSPP) wurde im September 2014 in Verbindung mit dem Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP 3) beschlossen. Dabei werden ABS-Papiere am Primär- und Sekundärmarkt aufgekauft.
Im Rahmen des Programms zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (Public Sector Purchase Programme, PSPP) werden seit März 2015 Wertpapiere des öffentlichen Sektors wie Staatsanleihen sowie Schuldtitel europäischer Institutionen und Agenturen gekauft. Für die Ankäufe im Rahmen des PSPP gibt es detaillierte Regeln. So dürfen Staatsanleihen beispielsweise wegen des Verbots der monetären Staatsfinanzierung nur am Sekundärmarkt erworben werden. Es dürfen nur Papiere mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr aufgekauft werden. Zudem will die EZB nicht mehr als 33% aller auf den Sekundärmärkten befindlichen Papiere aufkaufen.
Mit dem Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (Corporate Sector Purchase Programme, CSPP) werden seit Juni 2016 auch Anleihen von Unternehmen in der Eurozone erworben. Ausgeschlossen sind Kreditinstitute und Unternehmen, deren Anleihen von den Ratingagenturen nicht mindestens als „Investment Grade“ bewertet werden. Die Anleihen müssen Laufzeiten zwischen sechs Monaten und 30 Jahren haben und können sowohl am Primärmarkt als auch am Sekundärmarkt gekauft werden.