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„Konsumboom“ geht anders

Die privaten Konsumausgaben sind 2015 so stark gestiegen wie zuletzt vor 15 Jahren. Diese Zahlen sollten aber mit Vorsicht genossen werden: Denn tatsächlich haben die Gesamtdeutschen noch nie so wenig ihres Einkommens für den Konsum ausgegeben wie im letzten Jahr.

Passend zum gestrigen Weltverbrauchertag meldete das Statistische Bundesamt (Destatis) das „stärkste Wachstum der privaten Konsumausgaben seit dem Jahr 2000“. So hätten die preisbereinigten privaten Konsumausgaben in Deutschland im Jahr 2015 um 1,9 % im Vergleich zum Vorjahr zugelegt. Grund genug, für zahlreiche Medien mal wieder den deutschen „Konsumboom“ zu feiern.

Deutschland_Privater Konsum
Private Konsumausgaben im Vergleich zum Vorjahr (real, in %). Quelle: Destatis

Allerdings wäre es ratsam, das stärkste Konsumplus seit 15 Jahren nicht zu überinterpretieren. Denn es gibt auch diese statistische Wahrheit: Die Gesamtdeutschen haben noch nie so wenig ihres Einkommens für den privaten Konsum ausgegeben wie im letzten Jahr. Sichtbar wird das an der Konsumquote:

Private Konsumausgaben in Deutschland, gleitende Vierquartalssummen in % des…

Deutschland_Konsumquote
Quellen: Destatis, weitwinkelsubjektiv.com

Üblicherweise sinkt die Konsumquote auf dem Höhepunkt eines Aufschwungs am meisten. Im Abschwung steigt der Konsumanteil am Gesamteinkommen in der Regel, weil die Investitionen sich dann verlangsamen.

Wenn der mickrige Aufschwung, der gerade zu Ende zu gehen scheint, überproportional auf Kosten der Nachfrage geht, dann braucht sich niemand wundern, wenn die Unternehmen ihre (dank der EZB-Geldpolitik und des gesunkenen Ölpreises) steigenden Gewinnmargen dann doch nicht für Investitionen in einen neuen Kapitalstock aus Maschinen, Anlagen und Wirtschaftsgebäuden nutzen. Somit könnten sich die deflationären Tendenzen im Euro-Raum wieder verstärken.

Noch dürfen wir aber immerhin hoffen, dass die steigenden Flüchtlingsausgaben der öffentlichen Haushalte die Wirtschaft stützen werden. Nur wird das leider alleine nicht ausreichen, um die Privatinvestitionen ordentlich zu beschleunigen.

 

Zum Autor:

André Kühnlenz ist Redakteur beim Wirtschaftsblatt in Wien. Außerdem bloggt er auf weitwinkelsubjektiv.com.