Deutsche Bank-Chef John Cryan hat sein Institut als „grundsolide“ („rock solid“) beschrieben. Das ist in etwa das, was man von einem Chef mit der Hand am Ruder erwartet – aber es wirkt auch ein bisschen so wie ein Politiker, der enthusiastisch über seine hohen moralischen Standards redet. In anderen Worten: So etwas kann ein Grund zur Sorge sein. Die Bank ist in Schwierigkeiten geraten, während der gesamte Sektor sich aus der Finanzkrise kämpft. Die Deutsche Bank ist mit einer anhaltenden Unsicherheit über künftige Probleme und Strafzahlungen konfrontiert.
Die jüngsten Komplikationen sind auch mit einer Innovation verbunden, die eingeführt wurde, um ein weiteres Chaos an den Märkten wie 2007/08 zu vermeiden: Den Contingent Convertible Bonds, besser bekannt unter dem Namen CoCo-Bonds.
Cryans Idee für die Deutsche Bank war es, die Aktivitäten stärker zu fokussieren. Im Oktober kündigte er die Schließung von Filialen und Stellenstreichungen an. Cryan will ebenfalls versuchen, „schlechtes Verhalten“ zu bekämpfen, die Bilanz zu stärken und Abteilungen zu verkaufen.
Die Marktreaktion war sehr verhalten. Die Aktien der Deutschen Bank verloren zwei Drittel ihres Wertes, von fast 28 Euro pro Aktie auf knapp über 13 Euro Anfang letzter Woche. Das bedeutet, dass die Aktien der Bank nur noch einen Wert von 35% aller Aktiva der Bank haben. Die Investoren sind besorgt. Die Bank kündigte am Freitag einen Schuldenrückkauf an, was die Stimmung an den Aktienmärkten heben und das Vertrauen in die Schuldentragfähigkeit der Bank wiederherstellen sollte.
Aber inmitten der Marktsorgen über die Strategie und die Rechtskosten haben die CoCo-Schulden der Deutschen Bank der Story einen neuen Kniff gegeben. Die Schulden-Ratings der Bank sind herabgestuft worden, weil die Rückzahlungen laut Standard & Poor´s gefährdet sind.
Die Macht der CoCos
Diese neue Form der Verschuldung wurde einst als ein Weg angesehen, dass „Too Big to Fail“-Problem in den Griff zu bekommen, das die Finanzkrise gezeichnet hatte, als große Banken so stark in die Wirtschaft eingebunden waren, dass ihr Kollaps massive, unvorhersehbare Folgen gehabt hätte.
CoCos funktionieren wie folgt: Sie werden als Anleihe ausgegeben, was bedeutet, dass die Bank verspricht, dem Investor eine feste Rate für eine festgelegte Zeitspanne zu zahlen. Der große Unterschied zu traditionellen Anleihen ist, dass die Zinszahlungen der CoCos gestoppt oder sie in Aktien umgewandelt werden können, wenn die Bank in Schwierigkeiten gerät.
Typischerweise bedeutet das, dass wenn das Kernkapital einer Bank – das Geld, das sie zur Verfügung hat, um Marktturbulenzen zu überstehen – unter einen bestimmten Prozentsatz ihrer gesamten Bilanzsumme fällt, die CoCo-Bonds in Aktien umgewandelt werden.
Nach der Finanzkrise wurden die CoCos bei Regulatoren beliebt, die Probleme damit hatten, die Frage des Umgangs mit systemrelevanten Banken zu lösen. Die damals verfügbaren Lösungen waren alle nicht sonderlich attraktiv.
Man hätte eine Bank Pleite gehen lassen und danach auf die Zähne beißen können, wie es mit Lehman Brothers geschehen ist. Als Alternative dazu konnten die Steuerzahler als Investor letzter Instanz auftreten und die Bank rauspauken. Das ist mit der Royal Bank of Scotland geschehen.
CoCos wurden als Teil eines dritten Weges angesehen. Anstelle des Staates, der die Bilanz auffüllt, könnten die Verluste einigen der Anleihenbesitzer aufgebürdet werden. Effektiv würde dies als eine Art Stoßdämpfer für die Bank wirken. Die Investoren müssten mehr Risiko in Kauf nehmen, allerdings bekommen sie dafür auch eine höhere Rendite – es sah aus wie ein glücklicher Kompromiss in einer Zeit, in der die Zinsen für andere Schuldscheine auf historischen Tiefstständen waren.
Und so wurden die CoCos einbezogen, während die verschiedenen Bankenaufsichtsbehörden weltweit neue Regeln dafür entwarfen, wie eine Bankbilanz aussehen sollte. Seit April 2013 haben die Banken CoCos im Wert von 91 Milliarden Euro ausgegeben. Die Deutsche Bank allein hat davon 1,75 Milliarden Euro in ihrer Bilanz.
Should I CoCo?
Den CoCos werden also erhebliche Vorteile zugesprochen. In einem stressigen Umfeld würden die Besitzer von CoCos den Schlag abkriegen und – zumindest theoretisch – die anderen Investoren nicht sofort in scheu werden und ihr Geld abziehen oder die Rückzahlung von Schulden verlangen. Regierungen müssten nicht mehr Geld in kriselnde Banken stecken. Und jede neue Methode, die Finanzen von Banken zu stärken, gibt Investoren das Vertrauen, um weiter zu investieren.
Trotz des Enthusiasmus gibt es einige mögliche Probleme. Das erste besteht darin, dass Banken mit CoCos sehr leicht schummeln können. Einige Kommentatoren meinen, dass der beste Weg, Banken sicherer zu machen, darin bestünde, von ihnen zu verlangen, mehr Eigenkapital vorzuhalten. Wenn CoCos in der Bankbilanz als Teil des Eigenkapitals behandelt werden, besteht die Möglichkeit, die Bilanz so aussehen zu lassen, als wenn es eine Steigerung des Eigenkapitals gegeben hätte, obwohl das eigentlich gar nicht der Fall ist.
CoCos können auch eine höhere Risikobereitschaft fördern. Sie geben Banken einen zusätzlichen Puffer, wenn etwas schiefläuft. Stellen Sie sich die Polster vor, die im American Football verwendet werden. Sie erlauben es den Spielern, Tackle auszuführen, die die Knochen erschüttern. Manager könnten denken, dass sie einen riskanteren Kurs einschlagen könnten, weil die CoCos ihnen einen etwas höheren Schutz gegen eine schlechte Wette geben.
Die CoCos haben ihren Praxistest erst noch vor sich
Und zum Schluss haben wir noch die CoCo-„Todesspirale“. Sie tritt ein, wenn der Preis der Aktien einer Bank fällt und CoCos von Anleihen zu Aktien umgewandelt werden. Das würde die Zahl der verfügbaren Aktien erhöhen, was theoretisch jede einzelne Aktie wertloser macht. Außerdem würde der gesamte Prozess höchstwahrscheinlich ein negatives Signal an den Markt geben, das zu weiteren Kursverlusten führt. Das ist genau die Angst, die die Stimmung unter den CoCo-Investoren der Deutschen Bank hat abstürzen lassen.
Natürlich steht hier über allem, dass CoCos noch nicht getestet worden sind. Sie hören sich als politischer Vorschlag gut an, aber es ist eine vollkommen andere Sache, was in der Praxis funktioniert. In den drei Jahren, in denen es einen Markt für CoCos gibt, hat es noch kein Großereignis gegeben, bei dem sie tatsächlich von Anleihen zu Aktien umgewandelt worden wären. Es gibt immer noch viele Diskussionen darüber, wie die Umwandlung konkret ablaufen soll. Und es gibt anhaltende Bedenken über die Ansteckungseffekte, wenn eine große CoCo-Umwandlung wirklich stattfinden sollte.
Während die Deutsche Bank versucht, ihre Investoren davon zu überzeugen, dass sie tatsächlich „grundsolide“ ist, kann uns diese Geschichte helfen, die Probleme zu verstehen, die in der neuen finanziellen Infrastruktur lauern, die in der Folge der Finanzkrise von 2008 errichtet wurde. CoCo-Bonds sind ein wichtiger Teil dieser neuen Infrastruktur – aber es ist nicht klar, ob sie die von vielen Experten erhofften effektiven Stoßdämpfer sind.
Zum Autor:
Andre Spicer ist Professor für Organizational Behavior an der Cass Business School der City University London.
Dieser Artikel wurde zuerst von The Conversation auf englisch veröffentlicht und von der Makronom-Redaktion unter Zustimmung von The Conversation ins Deutsche übersetzt.