US-Zinswende

Warum die Dollar-Aufwertung schon bald zu Ende sein könnte

Am Mittwoch wird die US-Notenbank aller Voraussicht nach zum ersten Mal seit fast zehn Jahren ihre Zinsen erhöhen. Die allermeisten Analysten rechnen in der Folge mit einer weiteren Aufwertung des US-Dollars. Die Erfahrungen der Vergangenheit sprechen aber dagegen.

Beliebt wie lange nicht: US-Dollar. Bild: Pixabay.

Wenn es an den Finanzmärkten eine Gewissheit gibt, dann die, dass es keine Gewissheit gibt. Darin besteht ja überhaupt der Sinn der Märkte: Finanzmärkte sind eine Wette auf die Zukunft und wenn die fest steht, kommt keine Wette zustande, weil niemand dagegen wetten will. Aber manchmal gibt es diese Momente, wo eigentlich alle mit einer Entwicklung rechnen und niemand vom Gegenteil ausgeht. Momentan ist das die Erwartung an einen steigenden US-Dollar. Hier exemplarisch die Prognosen für die Entwicklung des Dollar gegenüber dem Euro von elf großen Banken:

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Grafik: Wall Street Journal.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die US-Notenbank Fed schickt sich an, am Mittwoch erstmals seit 2006 wieder einen Zinserhöhungszyklus zu starten. Fraglich ist nur noch, wann und nicht ob das geschieht. Auf der anderen Seite stehen mit der Europäischen Zentralbank der Bank of Japan zwei ebenso wichtige Notenbanken, deren Kurs in die gegenteilige Richtung zeigt.

Es besteht die Furcht, dass eine weitere Aufwertung des Dollar eine schwere Krise in den Schwellenländern auslösen könnte.

Die erwartete Entwicklung ist also folgende: Durch die Zinserhöhung werden Investitionen in den Dollar-Raum lukrativer, was zu einem steigenden US-Dollar führen sollte. Die Furcht vieler Analysten ist, dass sich die bereits bestehenden Turbulenzen in einigen Schwellenländern durch die Dollarstärke noch weiter ausweiten werden, weil Investoren ihr Geld von dort abziehen. Zudem haben viele Unternehmen und Staaten ihre Kredite in Dollar abgeschlossen – die dann im Wert ansteigen und in einigen Fällen nicht mehr zu bedienen wären.

Der Internationalen Währungsfonds (IWF), die OECD und die Weltbank haben deshalb bereits mehrfach vor einer vorschnellen Zinserhöhung durch die Fed gewarnt. Wie groß dieses Problem tatsächlich ist, lässt sich übrigens nicht so leicht ermitteln, weil viele Finanzströme in die Schwellenländer nur sehr schwer nachzuvollziehen sind. (Wer mehr dazu erfahren möchte, dem sei dieser Aufsatz von Carmen Reinhardt empfohlen.)

Aber ist eine weiter stark an Wert gewinnender US-Dollar überhaupt ausgemachte Sache? Keinesfalls, meint jedenfalls Anatole Kaletsky, Chefökonom beim privaten Forschungsinstitut Gavekal. Sein Argument: Bei den letzten beiden vergleichbaren Zinserhöhungen durch die Fed stieg der US-Dollar nur im Vorfeld der Erhöhung – und fiel, nachdem die Erhöhung tatsächlich vollzogen worden war.

Das wird beim Blick auf die folgende Grafik deutlich. Die dunkle Linie zeigt den handelsgewichteten Kurs des US-Dollar. Die blaue Linie zeigt den US-Leitzins.

*Die Fed Funds Rate wird seit 2008 mit einer Ober- und einer Untergrenze angegeben. In der Grafik wurde die Untergrenze verwendet. Quelle: FRED.
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Die erste Zinserhöhungsphase beginnt im Februar 1994. Im Vorfeld der Zinserhöhung gewann der Dollar zunächst an Wert (gut 5% seit 1992). Nachdem die Erhöhung vollzogen war, brauchte er rund drei Jahre, um den Wert vor der Erhöhung wieder zu erreichen. Erst wesentlich später ging es dann rasant bergauf.

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Der zweite Zinserhöhungszyklus ab dem Juni 2004 ließ den Dollar ebenfalls nur kurzzeitig steigen – auf lange Sicht verlor er aber sogar deutlich an Wert.

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Die nun anstehende dritte Phase wurde bereits seit 2014 von der Fed angekündigt. Seitdem hat der Dollar handelsgewichtet mehr als 10% dazugewonnen.

Bei den vergangenen Zinserhöhungszyklen haben die Devisenmärkte offenbar die alte Börsenweisheit „Buy on the rumors, sell on the facts“ beherzigt. Wenn sich die Geschichte also wiederholt, hieße das: Der US-Dollar hat seinen kräftigsten Aufwertungsschub schon hinter sich – und die Schwellenländer die schlimmste Schockwelle bereits überstanden.