„Die stärkste Kritik an der sozialistischen Planung und dem sozialistischen Staat“, so beschrieb Margaret Thatcher Friedrich von Hayeks Buch The Road to Serfdom (Der Weg zur Knechtschaft). Es erschien im März 1944 während der Tätigkeit des österreichischen Ökonomen an der London School of Economics (LSE) und erfreut sich unter Anhängern der freien Marktwirtschaft seit jeher großer Beliebtheit.
Zu Hayeks Bewunderern gehörte Winston Churchill, der als Premierminister 1,6 Tonnen kostbares, kriegsrationiertes britisches Regierungspapier freigab, damit zusätzliche Exemplare gedruckt werden konnten. Kürzlich twitterte Elon Musk ein Foto von The Road to Serfdom mit der Bildunterschrift „Great book by Hayek“ an seine 174 Millionen Follower und brachte das Werk damit einer neuen Generation nahe.
Andererseits wird der Österreicher von der politischen Linken oft als intellektuelles Schreckgespenst betrachtet, als Befürworter von ungezügelter Gier, minimaler sozialer Verantwortung und wachsender Ungleichheit.
Wer also war Hayek und warum ist The Road to Serfdom so wichtig?
Wie das Laissez-faire in Ungnade fiel
Hayek wurde 1899 in eine großbürgerliche Wiener Familie hineingeboren und promovierte 1921 in Jura und 1923 in Politikwissenschaft an der städtischen Universität. 1928 machte er sich erstmals einen Namen in der Wirtschaftswissenschaft, als er für seinen Arbeitgeber, ein Forschungsinstitut, einen Bericht veröffentlichte, in dem er den Zusammenbruch der Wall Street im Jahr 1929 vorhersagte (wobei einige Kritiker argumentieren, dass dies eine Übertreibung sei).
Hayek war 18 Jahre lang an der LSE tätig (1932-1950), bevor er an die Universität von Chicago wechselte (1950-1962). Dort arbeitete er an der Seite von Milton Friedman, einem weiteren bahnbrechenden Verfechter der Prinzipien der freien Marktwirtschaft. Solche Ansichten waren zu dieser Zeit völlig unmodern. Der sozialdemokratische Konsens war durch die Zeit des Raubrittertums im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert geprägt. Schlüsselindustrien wie Eisenbahn und Öl wurden von Kartellen und Monopolen beherrscht, was zu massiven Wohlstandsunterschieden führte.
Dann kamen der Wall-Street-Crash und die große Depression, die einen Vertrauensverlust in Ökonomen und das ökonomische Denken auslösten. Dem Kapitalismus der freien Marktwirtschaft wurde ein Großteil der Schuld zugeschoben. Der Sozialismus wurde als realistische und sogar wünschenswerte Alternative angeboten.
Prominente Kollegen Hayeks an der LSE, darunter der Politikwissenschaftler Harold Laski und der Soziologe Karl Mannheim, hielten eine sozialistische Planung im Vereinigten Königreich für unvermeidlich. Die Labour-Partei warnte 1942 in einem Pamphlet ausdrücklich vor einer „Rückkehr zur ungeplanten Wettbewerbswelt der Zwischenkriegsjahre, in der einige wenige Privilegierte auf Kosten des Gemeinwohls unterhalten wurden“.
Hayek war damit nicht einverstanden. Er war der Meinung, dass diese Welle des „Kollektivismus“ zu einem repressiven Regime führen würde, das mit dem Nazi-Deutschlands vergleichbar wäre. In The Road to Serfdom akzeptierte er die Notwendigkeit, den Laissez-faire-Ansatz der klassischen Ökonomie zu überwinden. Er plädierte jedoch für eine „Planung für den Wettbewerb“ und nicht für die „Planung gegen den Wettbewerb“ der Sozialisten. Er lehnte den Staat als alleinigen Anbieter von Waren und Dienstleistungen ab, war aber der Ansicht, dass er eine Rolle bei der Förderung eines wettbewerbsorientierten Umfelds spielen sollte.
In einem zentralen Abschnitt des Buches beschrieb Hayek die Schwierigkeiten, mit denen die demokratische Entscheidungsfindung bei zentraler Planung konfrontiert wäre. Er war der Ansicht, dass dies zu einem politischen Stillstand führen und skrupellosen Personen die Möglichkeit geben würde, zu den wichtigsten Entscheidungsträgern zu werden. Hayeks Ziel war es, zu zeigen, dass die britische Intelligenzia auf dem Holzweg war. Sozialistische Planung, so glaubte er, würde die Bürger zu den eingeschränkten Freiheiten zurückführen, die die Leibeigenen im Feudalismus hatten.
Hayek und der Konservatismus
The Road to Serfdom war vor allem in den USA sehr beliebt. Dazu trug bei, dass Reader’s Digest 1945 eine gekürzte Ausgabe veröffentlichte, die Hayek einem nichtakademischen Publikum von etwa 9 Millionen Haushalten bekannt machte. Er wurde von den Konservativen aufgegriffen, die Franklin D. Roosevelts interventionistischen New Deal ablehnten und den Verlust persönlicher Freiheiten und ein Abdriften in den Totalitarismus befürchteten.
Hayek war jedoch besorgt, dass seine Ideen zu sehr vereinfacht und falsch interpretiert würden. Er warnte vor „der sehr gefährlichen Tendenz, den Begriff ‚Sozialismus‘ für fast jede Art von Staat zu verwenden, die man für dumm hält oder die einem nicht gefällt“. Mitte der 1950er Jahre hatte er sich von den amerikanischen und europäischen Konservativen distanziert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgten die meisten westlichen Länder jedoch einen eher keynesianischen Ansatz. Dieser nach dem größten intellektuellen Rivalen Hayeks, John Maynard Keynes, benannte Ansatz sah vor, dass die Staatsausgaben zur Beeinflussung von Faktoren wie Beschäftigung und Wirtschaftswachstum eingesetzt werden.
Hayeks Arbeit wurde bis in die 1970er Jahre weitgehend ignoriert, eine Zeit, in der Großbritannien in Stagflation und Arbeitskämpfen versank. Er wurde dann zur Inspiration für Margaret Thatchers Politikmix aus Deregulierung, Privatisierung und niedrigeren Steuern. Da die USA ebenfalls mit innenpolitischen Herausforderungen konfrontiert waren, folgte der damalige US-Präsident Ronald Reagan diesem Beispiel.
Was die Kritiker sagen
Dies dürfte wohl der Höhepunkt von Hayeks Einfluss gewesen sein. In den letzten Jahren war er hingegen von einigen Seiten heftiger Kritik ausgesetzt. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler John Komlos argumentiert in seinem 2016 erschienenen Buch Another Road to Serfdom überzeugend:
Hayek hat nicht erkannt, dass jede Machtkonzentration eine Bedrohung für die Freiheit darstellt. Der freie Markt, den er befürwortete, ermöglichte die Konzentration von Macht in den Händen einer mächtigen Elite.
Eine solche übermäßige Konzentration hatte im Vorfeld der globalen Finanzkrise von 2008 im Finanzsektor zu einem „too big to fail“-Umfeld geführt, und viele machten die Hayeksche Deregulierung dafür verantwortlich.
In jüngerer Zeit wurde die Steuersenkungspolitik während der kurzen Amtszeit von Liz Truss als britische Premierministerin von Denkfabriken vorangetrieben, die sich als Bewahrer der Hayekschen Flamme betrachten. Auch die libertäre Vision des argentinischen Präsidenten Javier Milei von einem minimalistischen Staat soll durch Hayek beeinflusst sein.
Allerdings ist es auch leicht, in die Falle zu tappen, Hayek zu stark zu vereinfachen. Es ist zum Beispiel erwähnenswert, dass auch er in der Road to Serfdom eine wesentliche Rolle für den Staat vorsah. Seiner Ansicht nach sollte der Staat ein Mindesteinkommen für alle bereitstellen. Außerdem vertrat er die Ansicht, dass „ein umfassendes System sozialer Dienstleistungen mit der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs völlig vereinbar ist“. Selbst Keynes beglückwünschte ihn zu seiner Veröffentlichung mit den Worten: „Moralisch und philosophisch stimme ich praktisch mit dem gesamten Text überein.“
Kurzum: Auch wenn man wohl mit Fug und Recht sagen kann, dass die Welt unter den Fehlern in Hayeks Ideen zu leiden hatte, ist es wichtig, ihn von seinen Anhängern zu unterscheiden. Er war gewiss kein Etatist, aber seine Ideen davon, wie eine Wirtschaft am besten zu führen ist, waren nicht so kompromisslos, wie viele uns glauben machen wollen.
Zum Autor:
Conor O’Kane ist Senior Lecturer in Economics an der Bournemouth University.
Hinweis:
Dieser Artikel wurde zuerst von The Conversation in englischer Sprache veröffentlicht und von der Makronom-Redaktion unter Zustimmung von The Conversation und des Autors ins Deutsche übersetzt.