Soziale Klimapolitik

Von Klimagutscheinen, Ungleichheit und Holidays4Future

Es wird leider oft vergessen, dass Klimaschutz präventive Sozialpolitik ist – denn ohne Klimaschutz sind es die Ärmsten, die noch schlechter gestellt werden. Kurz gesagt: Sozial ist, was Klimaschutz schafft. Ein Beitrag von Katharina Bohnenberger.

Ein neuer klimapolitischer Ansatz wäre, geringere persönliche Emissionen mit zusätzlicher Freizeit zu belohnen – dann bliebe auch genug Zeit, um mit dem Zug statt mit dem Flugzeug in den Urlaub zu reisen. Bild: Pixabay

Im Angesicht der Klimakrise und der Fridays-for-Future-Proteste hat das Netzwerk Plurale Ökonomik unter #Economists4Future dazu aufgerufen, Impulse für neues ökonomisches Denken zu setzen und bislang wenig beachtete Aspekte der Klimaschutzdebatte in den Fokus zu rücken.

In dieser Debattenreihe erscheint wöchentlich ein ausgewählter Beitrag, der sich kritisch-konstruktiv mit aktuellen Leerstellen und Herausforderungen in der Klimaökonomik auseinandersetzt. Dabei geht es beispielsweise um den Umgang mit Unsicherheiten und Komplexität sowie um Existenzgrundlagen und soziale Konflikte. Alle bisher im Rahmen der Serie erschienenen Beiträge finden Sie hier.

Momentan findet in der Klimapolitik eine Verzögerungstaktik unter dem Vorwand „sozialer“ Gestaltung der Klimapolitik statt. Beispielsweise reichen die Maßnahmen des Klimapaketes der deutschen Bundesregierung bei weitem nicht aus, um auch nur in die Nähe der Klimaziele von mindestens minus 55 Prozent Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber dem Niveau von 1990 zu kommen. Einige Interessensgruppen versuchen diese Klimaziele nun noch weiter zu verwässern. Häufig nutzen sie dafür auch Argumente, die untermauern sollen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen unsozial seien.

Zugegeben, mit der Erhöhung der Pendlerpauschale, der Absenkung der Mehrwertsteuer für Bahntickets und einer Prämie für Elektroautos hat sich die Koalition zielsicher aus all den verfügbaren Maßnahmen diejenigen ausgesucht, die klimapolitisch minimal wirksam und sozialpolitisch maximal unglücklich sind. Denn sie führen zu mehr anstatt weniger Verkehr und bieten vor allem hochmobilen und einkommensstarken Bevölkerungsschichten Vorteile.

Noch unsozialer wäre es jedoch, eine noch uneffektivere Klimapolitik zu machen. Der Grund dafür liegt in einem Zusammenhang von Ungleichheit und Klimawandel, den der englische Wissenschaftler Ian Gough im Journal of Social Policy unter dem Begriff „Dreifache (Un-)gerechtigkeit“ erläutert: Der ärmere Teil der Bevölkerung

  • trägt am wenigsten zum Klimawandel bei,
  • leidet am meisten unter seinen Folgen und
  • muss – wenn Klimaschutzmaßnahmen schlecht gestaltet werden – den größten Anpassungsaufwand tragen.

Letzterer Punkt wird momentan in der deutschen Kilmaschutz-Debatte heiß debattiert. Die Debatte beschränkt sich jedoch meist auf die Frage, wer die Transformationskosten trägt und ob weniger Transformationsanstrengungen nicht sozial gerechter wären.

Kostenpflichtiger Inhalt

Bitte melden Sie sich an, um weiterzulesen

Noch kein Abo?