Wohnungspolitik und Klimawandel

Jenseits des Baubooms

Wohl nirgendwo werden soziale und ökologische Dimensionen so stark gegeneinander ausgespielt wie in der Wohnungsfrage. Ein Beitrag von Anton Brokow-Loga.

Bild: Pixabay

Was folgt aus der Klimakrise für unsere Wirtschaft(sweisen) und das Denken darüber? Im Angesicht der Fridays-for-Future-Proteste hat sich aus dem Netzwerk Plurale Ökonomik eine neue Initiative herausgebildet: Economists for Future. Mit der gleichnamigen Debattenreihe werden zentrale Fragen einer zukunftsfähigen Wirtschaft in den Fokus gerückt. Im Zentrum stehen nicht nur kritische Auseinandersetzungen mit dem Status Quo der Wirtschaftswissenschaften, sondern auch mögliche Wege und angemessene Antworten auf die dringlichen Herausforderungen. Dabei werden verschiedene Orientierungspunkte für einen tiefgreifenden Strukturwandels diskutiert. 

Wöchentlich erscheint wieder ein ausgewählter Beitrag, der sich kritisch-konstruktiv mit aktuellen Leerstellen und Herausforderungen in der Ökonomik und Wirtschaftspolitik auseinandersetzt. Die dritte Runde legt ihren Schwerpunkt auf Themen für die anstehende Bundestagswahl im September. Hierzu werden unterschiedliche Aspekte und Maßnahmen für eine sozial-ökologische 1,5-Grad-Politik beleuchtet. 

Alle Beiträge, die bisher im Rahmen der Economists-for-Future-Serie erschienen sind, finden Sie hier.

Die letzten anderthalb Jahre boten genug Gelegenheit, die eigenen vier Wände ausgiebig kennenzulernen, schwankte doch die Corona-Politik maßgeblich zwischen #stayathome und #staythefuckathome. Verkannt wurde dabei jedoch die bittere Wahrheit, dass kaum etwas gesellschaftlich so ungleich verteilt ist wie eben jener Wohnraum, in den sich alle doch bitte gleichermaßen zurückziehen sollten. Die einen haben es warm und komfortabel, die anderen wohnen in beengten und unsicheren Verhältnissen. Dass der Wohnraum, zu dem Menschen Zugang haben, massive Auswirkungen auf ihre physische und mentale Gesundheit hat, wurde in der Pandemie deutlich wie nie: Menschen mit u.a. wenig Wohnfläche trifft das Coronavirus am stärksten.

Ebenfalls massive Auswirkungen hat die Art und Weise unseres Wohnens auf die Gesundheit unseres Planeten. Etwa 14% der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland stammen aus dem Gebäudesektor (Stand 2018). Bezieht man die weiteren Emissionen der Industrie und Energiewirtschaft mit ein, die bei Herstellung und Transport von Baustoffen, für Strom und Fernwärme entstehen, liegt der Anteil mit 40% fast dreimal so hoch. Mehr noch: Zu den ökologischen Folgekosten gehören auch die weiterhin steigende Flächenversiegelung, das Schwinden von Versickerungsflächen und vieles mehr.

Die Transformation des Wohn- und Gebäudesektors hat also eine Schlüsselfunktion inne, wenn für das Einhalten des 1,5 Grad Ziels Klimaneutralität in Deutschland bis 2035 erreicht werden muss. Während die zwischen 1990 und 2014 deutlich eingesparten Treibhausgase im Gebäudesektor hoffnungsfroh stimmten, zeigt eine aktuelle Studie des Wuppertal Instituts, dass seitdem kein abnehmender Trend mehr erkennbar ist. Dies hat unter anderem auch damit zu tun, dass technische Lösungen an ihre Grenzen kommen. Es geht daher zwar weiterhin auch darum, Gebäude energetisch zu sanieren und alte Heizungen auszutauschen – doch längst müsste klar sein, dass technologische Ansätze mit politischer Handlungsbereitschaft gepaart werden müssen. Eine grundlegende Transformation des Wohnens und Bauens verlangt von uns, soziale und ökologische Probleme als miteinander verknüpft anzuerkennen und neue Ideen zu denken und umzusetzen.

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