Fremde Federn

Globale Steuerstandards, heterogene Herden, Krugmanismus

Diese Woche unter anderem in den Fremden Federn: Was der Kurswechsel der USA für die internationalen Steuerverhandlungen bedeutet, welche Chancen und Risiken die Aufnahme von Sekundärzielen in Freihandelsverträge bieten und wie der Biden-Plan entstanden ist.

Foto: Jojo Bombardo via Flickr (CC BY-ND 2.0)

In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.

Wie es zum $6 Billionen Biden Plan kam

piqer:
Christian Odendahl

Paul Krugman ist der vielleicht bekannteste lebende Ökonom der Welt, nicht zuletzt wegen seiner New York Times Kolumne und dem dortigen Blog. Doch wer seinen Werdegang von den Anfängen der 80er Jahre bis heute nachverfolgt, kann auch viel besser verstehen, wie es zu dem gigantischen Biden Plan kam. Dieser Plan hat drei Teile: ein Covid Erholungsprogramm (1900 Mrd $), ein Infrastrukturprogramm (2000 Mrd $) und ein noch nicht veröffentlichtes Bildungsprogramm (2000 Mrd $).

Dafür muss man allerdings in der Lage sein, die Ökonomik als Wissenschaft zu analysieren, die wirtschaftshistorischen Zusammenhänge seit dem 2. Weltkrieg einzuordnen und die politische Ökonomie des modernen Amerika zu deuten. Enter: Adam Tooze, britisch-deutsch-amerikanischer Wirtschaftshistoriker, der wie kein zweiter solche großen Bögen ziehen und verständlich zu Papier bringen kann. Mit diesem brillanten Essay über Krugman im London Review of Books hat er sich meines Erachtens aber selbst nochmal übertroffen.

Er zeigt, wie Krugman aus dem Mainstream der Ökonomik kam, nobelpreisträchtige Forschung publizierte und noch Ende der 90er dachte, große Krisen wäre etwas für andere. Auch war er kein Freund der amerikanischen (protektionistischen) Linken. Doch mit der Asienkrise 1999 ff. und der globalen Finanzkrise – die Krugman selbst nicht kommen sah, deren Konsequenzen er aber sehr schnell und besser als viele andere einzuordnen wusste – änderte sich sein Blick auf die Welt.

Once you lost your faith in the state as a tool of reformist intervention, once you truly reckoned with the omnipresence of class power, what choices remained but fatalism or a demand for a revolutionary politics? Between those alternatives, respectively unappetising and unrealistic, there was perhaps a third option. America had, after all, been here before. FDR’s [US Präsident Franklin D. Roosevelt] New Deal too had been hemmed in. It had delivered far less than promised, until the floodgates were finally opened by the Second World War. The Great Depression, Krugman wrote, ‘ended largely thanks to a guy named Adolf Hitler‘.

Wie Donald Trump’s Steuersenkungen dort hinein passen, warum die Demokraten die Republikaner als Kooperationspartner aufgegeben haben und ob die Klassengegensätze noch eine bedeutende Rolle spielen, alles das wird pointiert analysiert. Wir in Europa werden eine ähnliche Diskussion führen, da die Amerikaner nun vorgelegt haben. Wer diese Diskussion dann verstehen will, sollte diesen Essay gelesen haben.

Freier Handel oder fairer Handel?

piqer:
Jürgen Klute

Die englischsprachige Bezeichnung für Freihandelsabkommen heißt „Free Trade Agreement“, abgekürzt: FTA. Diese Abkürzung lädt zu einem Wortspiel ein: „Fair Trade Agreement“ statt „Free Trade Agreement“. Von linken und grünen Abgeordneten des Europäischen Parlaments wird diese Umdeutung in Debatten um die EU-Handelspolitik schon länger genutzt. Denn klar ist: Ohne Handel funktioniert Wirtschaft nicht. Aber ebenso klar ist, dass reiner Freihandel ohne jede Rücksicht auf soziale und ökologische Auswirkungen desaströse Folgen für Mensch und Natur hat. Nach langen Verhandlungen hat sich die Europäische Union seit 2014 dazu entschieden, zukünftig Kapitel in Handelsabkommen aufzunehmen, in denen sozial- und Umweltstandards geregelt werden. Dabei geht es vor allem um Arbeitsnormen der ILO, um Menschenrechte und um die 2015 vereinbarten 17 internationalen Nachhaltigkeitsziele der UNO.

In einem Beitrag für den Deutschlandfunk zieht Caspar Dohmen eine Zwischenbilanz über die bisherigen Erfolge dieser Neuausrichtung der EU-Handelspolitik. Der Schwerpunkt des Beitrags liegt auf dem 2020 in Kraft getretenen EU-Handelsabkommens mit Vietnam. Es ist das erste Abkommen, in dem die verändertet Ausrichtung der EU-Handelspolitik zur vollen Anwendung kommt.

Dohmen lässt unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen. Darunter auch kritische Stimmen aus den EU-Partnerländern, die keineswegs durchgehend von der Einbindung sozialer und ökologischer Standards in die Abkommen begeistert sind, wie der Ökonom Gabriel Felbermayr vom Kieler Institut für Weltwirtschaft anmerkt:

„Wo haben wir in Europa da ein Recht einzugreifen und wo beginnt der Protektionismus? Denn man gibt gerne mal vor, Arbeitnehmer in den Entwicklungsländern schützen zu wollen. Aber die Entwicklungsländer sagen dann gerne, ihr schützt ja nicht unsere Arbeitnehmer, denn die werden möglicherweise arbeitslos durch strengere Standards, sondern ihr schützt vor allem Eure eigenen Arbeitnehmer und dann haben wir plötzlich in diesen Freihandelsabkommen recht protektionistische Elemente.“

Am Beispiel des Handelsabkommen mit Vietnam zeigt Dohmen die Konsequenzen solcher Regelungen: Sie erfordern eine ganze Reihe von Gesetzgebungen auf Seiten der Vertragsländer, um die vereinbarten Sozial- und Umweltstandards umzusetzen.

Im Blick auf Arbeitnehmerrechte scheint sich in Vietnam durch das EU-Handelsabkommen durchaus etwas zu entwickeln – aus Sicht von Gewerkschafterinnen und Sozialdemokratinnen im Europaparlament. Aus Grüner Perspektive wird hingegen eingewandt, dass sich im Bereich allgemeiner Menschenrechte und des Umweltschutzes bisher kaum etwas bewegt hat. Hier zeigt sich dann ein weiteres Problem: nämlich das der Kontrolle der Umsetzung der in dem Abkommen vereinbarten Standards.

Dohmen zeigt in seinem Beitrag, dass sich – wenn auch nur im Schneckentempo – durchaus positive Veränderungen in der internationalen Handelspolitik beobachten lassen. Der Beitrag deutet aber auch Grenzen dieses politischen Instrumentariums an. Allein über faire Handelsabkommen lassen sich Menschen- und Arbeitnehmerrechte sowie Umweltschutz nicht umsetzen. Wie Dohmen zum Abschluss anmerkt, braucht es dazu mehr – unter anderem auch ein Lieferkettengesetz, da der Großteil des globalen Handels sich entlang der Liefer- bzw. Wertschöpfungsketten im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung bewegt.

Kommt die globale Steuerrevolution?

piqer:
Thomas Wahl

Fast zu schön, um wahr zu sein. Das lang erhoffte „Friedensangebot“ der USA für eine weitreichende Reform der globalen Unternehmensbesteuerung liegt nun vor. Der amerikanische Staat braucht offensichtlich Geld für seine großen Reformpakete, ebenso andere Länder für die Post-Pandemie-Periode. Ein gewisser Optimismus breitet sich aus, man spricht schon von einer globalen Steuerrevolution.

Im Ringen um die Jahrhundertreform geht es um die Frage, wo und wie viele Steuern amerikanische Technologiegiganten wie Amazon, Apple und die Google-Muttergesellschaft Alphabet auf ihre astronomisch hohen Gewinne in Zukunft zahlen. Aber es geht dabei auch um die Steuerzahlungen deutscher Industrieriesen wie Siemens und Volkswagen.

Die Summen, um die sich das globale Ringen dreht, sind gewaltig. Knapp 140 Staaten verhandeln seit fast einem Jahrzehnt – bisher erfolglos. Die von der OECD organisierten Gespräche drohten, zu scheitern.

Frankreich, Großbritannien und andere Staaten hatten angekündigt, amerikanische Technologiekonzerne mit einseitigen Sondersteuern zu belegen, wenn es keine multilaterale Einigung gebe. Die Regierung des damaligen amerikanischen Präsidenten Donald Trump wiederum drohte Vergeltung durch Strafzölle auf europäische Autoexporte in die Vereinigten Staaten an, falls die Digitalsteuer wirklich erhoben werde.

Nun das große Aufatmen. Der entscheidende Durchbruch, die neuen Regeln treffen laut amerikanischem Vorschlag nicht nur führende Technologie-Konzerne, sondern auch große und besonders gewinnstarke Unternehmen aus anderen Wirtschaftszweigen. Das heißt unter anderem, Steuern würden in Zukunft stärker als bisher den Ländern zugute kommen, in denen die Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen verkaufen – und weniger den Heimatstaaten der Konzerne.

Für Deutschland hätte eine breit angelegte Neuverteilung, wie sie Washington anstrebt, womöglich Konsequenzen: „Sie könnte auch deutsche Industriekonzerne miteinbeziehen“, sagt Wolfgang Schön, Direktor des Münchner Max- Planck-Instituts für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen. Es wäre also denkbar, dass der deutsche Staat Einnahmen verliert, weil etwa ein Konzern wie Siemens einen Großteil seiner Produkte nicht im Heimatmarkt absetzt, sondern im Ausland – und in Zukunft auch die Steuerzahlungen stärker dorthin fließen werden.

Bestandteil des amerikanischen Papiers ist zusätzlich ein Vorschlag zur Einführung einer „robusten globalen Mindestbesteuerung“ auf Unternehmensgewinne.

„Wir wollen das Wettrennen um die niedrigste Besteuerung multinationaler Unternehmen beenden“, … Das hatte die amerikanische Finanzministerin Janet Yellen bereits vor einigen Tagen angekündigt. Washington peilt dabei einen überraschend hohen Mindeststeuersatz von 21 Prozent an. Bisher war in den Verhandlungen über eine viel niedrigere Untergrenze diskutiert worden.

Verlierer könnten kleine Länder wie Irland oder auch Ungarn sein. Irland etwa, mit seinem extrem niedrigen Unternehmensteuersatz von nur 12,5%, ist Standort für das internationale Geschäft vieler amerikanischer Konzerne. Dieses Steuersparmodell würde obsolet. Die NZZ sieht das daher nicht nur für die Schweiz auch als problematisch:

Mit «Fairness» haben die OECD-Diskussionen um eine globale Mindestbesteuerung aber wenig zu tun. Vielmehr geht es um eine Absprache der grossen Länder zur Eliminierung eines Wettbewerbsvorteils der kleineren Standorte.

Bleibt die Frage, ob es darüber nicht zu einer Spaltung der EU kommt. Offen ist auch, wie durchgreifend die Reformen sein werden:

Ja, es werde eine Vereinbarung geben. Zu groß sei inzwischen der Erfolgsdruck auf die Politiker geworden, erwartet Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts. … „Es ist weiterhin möglich, dass wir nur einen gesichtswahrenden Minimalkompromiss bekommen, der am Status quo unterm Strich nicht viel ändert.“ Die internationale Unternehmensbesteuerung ist hochkomplex, und noch sind viele wichtige Parameter unklar. „Die Bemessungsgrundlage zum Beispiel“, sagt Fuest. „Wenn der Mindeststeuersatz effektiv nur auf einen kleinen Teil der Gewinne angewandt werden sollte, macht er keinen großen Unterschied.“

Eine weitere Unsicherheit ist das Verhalten Chinas in dieser Problematik. Nicht wenige ertragreiche Tech-Konzerne kommen von dort. Andererseits ist das exportstarke China mächtig genug, um seine Interessen in dem neuen Verteilungsschlüssel für die globale Besteuerung zu wahren.

Die Inzidenz des Steuerzahlens

piqer:
Thomas Wahl

Das Wort ‚Inzidenz‘ hören wir aktuell jeden Tag in den Medien, wenn es um die Corona-Fallzahlen geht. Dass Ökonomen diesen Begriff schon lange für etwas anderes verwenden, wusste ich auch nicht.

Es geht darum, wer eine Steuer am Ende tatsächlich bezahlt – und das ist nicht immer unbedingt derjenige, der sie ans Finanzamt überweisen muss. … Die Inzidenzanalyse ist also wichtig, um zu verstehen, welche Folgen eine Steuererhöhung wirklich hat.

Nehmen wir die Mehrwertsteuer. Sie wird zwar vom Händler überwiesen. Aber die wirtschaftliche Last der Steuer trägt zum großen Teil der Verbraucher.

Momentan wird über die Reform der Grundsteuer und deren Folgen für Mieter diskutiert. Ob das unterm Strich zu einer Steuererhöhung oder einer -senkung führt, hängt vom Verhalten der Kommunen ab.

Zwar bestimmen die Länder, wie die Grundsteuer grundsätzlich berechnet wird. Doch die Gemeinden entscheiden selbst, was sie aus dem rohen Steuerbetrag am Ende machen: Soll das Wohnen in der Gemeinde insgesamt billiger oder teurer sein? Diese Frage wird in den kommenden Jahren von Gemeinderäten überall in Deutschland beantwortet.

Wir wissen: Überwiesen wird die Grundsteuer vom Hauseigentümer. Aber wenn er das Haus vermietet, darf/kann er die Grundsteuer auf die Nebenkosten aufschlagen. Wer trägt also am Ende die finanzielle Last? Die Ökonomen Max Löffler (Universität Maastricht) und Sebastian Siegloch (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung) haben für die Vergangenheit in Deutschland mal analysiert, wie sich nach einer Grundsteuer-Erhöhung die Warmmieten änderten (jeweils im Vergleich zum Trend in ähnlichen Städten).

Das Ergebnis: Anfangs ändert sich gar nicht so viel. Zwei Jahre lang steigen die Mieten nur sehr gebremst. Nur ein Drittel der Steuererhöhung kommt bei den Mietern an. Doch das ändert sich im dritten Jahr. Dann werden die Mieten so angepasst, dass im deutschen Durchschnitt die komplette Steuererhöhung den Mietern zur Last fällt. … Es liegt – wie so oft auf dem Immobilienmarkt – am Wohnungsangebot. Die Forscher können zeigen: Wenn die Grundsteuer steigt, werden am Ort weniger neue Häuser gebaut. Weil das Angebot beschränkt bleibt, können die Immobilienbesitzer tatsächlich höhere Mieten verlangen.

Es ist paradox und wie oft bei komplexen Zusammenhängen kontraintuitiv:

Besonders heftig ist der Mietaufschlag in kleinen Städten mit viel freiem Land. Dort können die Mieten sogar noch höher steigen, als die Steuer es erfordern würde. In Großstädten, in denen der Platz eng ist, schultern die Vermieter dagegen fast die komplette Steuererhöhung selbst.

Gerade in großen, dicht bebauten, aber gefragten Städten belasten die Vermieter ihre Mieter sowieso schon am Limit. Und neue Häuser werden eher selten gebaut – weshalb u.a. die Mieten in den Städten ja so hoch sind. Damit haben die Vermieter wenig Chancen auf Erhöhungen der Kaltmiete wegen der Steuererhöhungen.

Aus der Inzidenz der Grundsteuer können sich noch weitere Probleme ergeben:

Wenn die Erhöhungen am Ende im Durchschnitt voll beim Mieter landen, dann trifft die Grundsteuer im bundesdeutschen Durchschnitt ärmere Leute mehr als reiche. Denn der Steuerbetrag ist unabhängig vom Einkommen der Betroffenen.

Die Steuererhöhung wirkt dann also regressiv. Was sicher nicht das ist, was der Staat bzw. die Kommunen wollen. Je nach dem, ob man Finanzierungslücken schließen muss oder Investoren und Neubürger anlocken will. Also, Bürger und Gemeinderäte, aufpassen beim Festlegen der Grundsteuer-Hebesätze.

Unsere Gesellschaft ist keine Herde. Auch nicht in der Pandemie

piqer:
Alexandra Endres

Habe ich hier schon einmal auf die Interviewreihe „Worüber denken Sie gerade nach?“ verwiesen? Ich bin nicht sicher. Falls nicht: Spätestens jetzt ist ein guter Moment, denn die aktuelle Folge verdient meiner Meinung nach einen piq.

Für die Serie befragt Elisabeth von Thadden für die ZEIT (Disclaimer: für deren Online-Ausgabe ich selbst auch schreibe) verschiedene Forscherinnen und Forscher aus den Geistes- und Sozialwissenschaften zur Corona-Pandemie. Denn:

Wir wollen die Virologen mit der Deutung der Lage nicht alleinlassen.

Gesprächspartner in der aktuellen Folge ist der Soziologe Jens Beckert, Leiter des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln. Er beklagt, dass es in Deutschland viel zu wenige empirische Daten gebe, um die soziale Ungleichheit im Land zu erfassen, abzubilden und zu verstehen. Das bedeutet: Die Politik kann ihre Strategie gegen das Coronavirus nicht auf die sozialen Umstände abstimmen, unter denen das Virus sich ausbreitet. Ein fatales Versäumnis.

Unsere Gesellschaft ist keine einheitliche Herde,

sagt Beckert, und dass, wenn man die sozialen Unterschiede bedacht hätte, beispielsweise bestimmte Gruppen präventiv viel besser hätte schützen können, etwa durch gezielte Informationen, Masken, Tests oder besonders schnelles Impfen.

Jens Beckert: Die politische Pandemiebekämpfung ist auch deshalb so mutlos, weil sie über diese sozial unterschiedlichen Faktoren fast nichts weiß. Das Wort wird von der Virologie geführt. Dieser virologisch bestimmte Diskurs aber enthebt uns der präzisen Frage danach, wo wie genau gehandelt werden könnte. (…) So entstehen vor allem Impressionen, Meinungen, Vorurteile. Und ungenaue, zumal verspätete Inzidenzzahlen sind als Daten für politisches Handeln eben nicht hinreichend.

Beckert sagt auch etwas dazu, wie die Pandemie das Land verändern könnte. Auch darüber werde viel zu wenig diskutiert, findet er.

Über gewollte und erwünschte Wandlungsprozesse wird kaum geredet, und kaum jemand sieht, dass sich Raum für Neues öffnet. In den USA war die neue Regierung offenbar gut vorbereitet … (…) Die Bundesrepublik hingegen steckt nach den langen Jahren der großen Koalition noch im Mehltau des ewigen Irgendwie-weiter-so fest.

Beton – eine der größten Umweltbedrohungen unserer Zeit

piqer:
Gabriel Koraus

Dass die Herstellung von Zement und Beton extrem umweltschädlich ist, hat sich ja mittlerweile schon zu der einen oder dem anderen herumgesprochen. Der Abbau von Sand aus Flüssen und Meeren geschieht auf hochproblematische und zerstörerische Art und Weise (und ist doch alternativlos, da Wüstensand zu glatt geschliffen ist, um sich fest verbinden zu lassen) und die Fabrikation selbst ist ebenfalls extrem Energie- Wasser- und CO2-intensiv, sowie zudem mit vielen schädlichen Emissionen einhergehend.

Dass aber Beton auch durch seine schiere Beständigkeit ein Riesenproblem darstellt, erschließt sich mitunter erst auf den zweiten Blick: klar, das Zeug ist streng genommen extrem persistent und schwer bis gar nicht natürlich abbaubar. Das Kolosseum in Rom mag als diesbezügliches Exempel herhalten.

„Our blue and green world is becoming greyer by the second. By one calculation, we may have already passed the point where concrete outweighs the combined carbon mass of every tree, bush and shrub on the planet. Our built environment is, in these terms, outgrowing the natural one. Unlike the natural world, however, it does not actually grow. Instead, its chief quality is to harden and then degrade, extremely slowly.“

„All the plastic produced over the past 60 years amounts to 8bn tonnes. The cement industry pumps out more than that every two years.“

Gerade die negativen Konsequenzen, welche extensive Bodenversiegelung für Grundwasserpegel, Artenvielfalt und Mikroklima bedeutet, fallen einem vielleicht nicht als erstes ein, wenn über aktuelle Umweltbedrohungen nachgedacht wird.

Dies nun alles vor dem Hintergrund des enormen Entwicklungs-Nachholbedarfs so großer Länder wie China und Indien, nicht zu vergessen unzähliger Länder auf dem afrikanischen Subkontinent. So hat etwa China in den letzten 20 Jahren mehr Beton verbraucht, als die USA im gesamten 20. Jh. zusammen! Denn gerade die Bauindustrie war und ist ein verlässlicher Garant für wirtschaftliches Wachstum, weswegen in Japan etwa gefühlt jeder Zentimeter zubetoniert wird und China seine Baudienstleistungen im Rahmen gigantischer Wirtschaftskooperationen (siehe „Belt and Road“) nur zu gern exportiert.

Von welch existenzieller Bedeutung Beton für die Entwicklung und das Wachstum unserer Zivilisation war und ist, war mir zumindest so explizit noch nicht bewusst. Nach Buchdruck, Dampfmaschine, Elektrizität und Automobil kommt eben nicht nur Internet sondern auch Beton!

Nicht zu vergessen ist dabei schließlich, welche Bedeutung der Bausektor insgesamt bei der Aufrechterhaltung nepotistischer Beziehungssysteme und krimineller Strukturen spielt. Spätestens durch den „Lava-Jeto“-Skandal, in dessen Zentrum der Baukonzern Odebrecht stand, sind die Ausmaße der Kombination von Korruption, Umweltzerstörung und sozialer Ungerechtigkeit deutlich geworden. Beton „zementiert“ so in gewisser Weise defizitäre politische, ökonomische und soziale Verhältnisse, gerade in den ärmeren Ländern dieser Erde.

Plötzlich sehr reich. Was macht das mit mir?

piqer:
Benedikt Sarreiter

In diesem Text beschreibt eine Tech-Arbeiterin, wahrscheinlich Ende 20, wie der Börsengang ihres Arbeitgebers sie zur Millionärin machte. Durch den Verkauf ihrer Aktienanteile verfügt sie von einem Tag auf den anderen über ein Vermögen von über sechs Millionen Dollar. Was jetzt machen? Auf jeden Fall kauft sie sich keine Luxusartikel. Es geht erst mal um Körper, und zwar um die ihrer Hunde:

My dogs are also getting dentalwork — they need to have some rotting teeth extracted. I’m going to a place with a pet anesthesiologist, and it could cost around $10,000. I think if this windfall hadn’t happened, I would’ve still sprung for the operation. But would I have done it at the premier dental clinic for dogs? I probably would’ve explored my options more. The dogs are also going to see a cardiologist, and the cost is going to be in the thousands. So they’re seeing three doctors for dogs, which is more doctors than I’ve ever seen in my life.

Und dann um ihren eigenen:

I’ve always had a sense, since I was young, that I would have kids in a less traditional manner. In high school, I was diagnosed with a hormonal imbalance that makes it harder to get pregnant. Since then, freezing my eggs has been in the back of my mind. Before the IPO, I thought, I’ll wait until I’m older — it’s kind of a big to-do. That combined with the cost: The first round will be $15,000, and I’d want to do multiple rounds. But recently, I started to do the math and thought, Why wait if I can afford it now?

Auch ihr Dating-Verhalten ändert sich. Oder besser: Welcher Mann könnte für sie der richtige sein. Wie? Steht im Text. Dann auch die Frage: Brauche ich überhaupt einen Mann? Das Erstaunliche ist, dass weder sie noch eine ihrer Kolleg:innen mit der Kohle über die Stränge schlagen möchten und werden. Und mit über die Stränge schlagen, ist nicht gemeint, einen Ferrari kaufen, sondern eher ein Haus. Ihr bisheriges Leben war geprägt von Krisen, das bestimmt ihre Haltung. Besser ein Back-up, denn das Leben, wie es jetzt ist, kann schnell vorbei sein.