Fremde Federn

Exportüberschuss, Krypto-Regulierung, EU-Austrittsabkommen

Diese Woche unter anderem in den Fremden Federn: Wie sich das Coronavirus auch ohne einen Impfstoff bekämpfen ließe, welcher wenig beachtete internationale Vertrag die Energiewende ausbremst und was das britische Binnenmarktgesetz für die Brexit-Verhandlungen bedeutet.

Foto: Jojo Bombardo via Flickr (CC BY-ND 2.0)

In den „Fremden Federn“ stellen wir einmal pro Woche in Kooperation mit dem Kuratorendienst piqd eine Auswahl von lesenswerten journalistischen Fundstücken mit wirtschaftspolitischem Bezug zusammen. piqd versteht sich als eine „Programmzeitung für guten Journalismus“ – was relevant ist, bestimmen keine reichweitenoptimierten Algorithmen, sondern ausschließlich ausgewählte Fachjournalisten, Wissenschaftler und andere Experten.

Die Facetten des deutschen Exportüberschusses

piqer:
Thomas Wahl

Die deutsche Leistungsbilanz ist Gegenstand ausgiebigen Streits und ideologischer Kämpfe – oft ziemlich eindimensional:

Die erste Gruppe erklärt den Überschuss vor allem mit einer hohen Wettbewerbsfähigkeit der Exportunternehmen; der Überschuss erscheint als Zeichen der Stärke der deutschen Wirtschaft.

So dachte man schon im Zeitalter des Merkantilismus. Heute weiß man aber dazu noch:

Mit der Leistungsbilanz ändert sich üblicherweise auch die Bilanz der internationalen Kapitalbewegungen: Ein Leistungsbilanzüberschuss geht gewöhnlich mit einem Kapitalbilanzdefizit einher. Konkret bedeutet dies, dass gleichzeitig mit einem Leistungsbilanzüberschuss ein Export heimischer Ersparnis beobachtet wird.

Einen solchen Export von Ersparnis kann man beobachten, wenn es nicht genug privatwirtschaftliche oder staatliche Anlagemöglichkeiten im Inland gibt. Was dann kein Zeichen wirtschaftlicher Stärke wäre. Welcher der Faktoren dominiert, steht allerdings nicht klar fest. Was die Möglichkeiten einer rein nationalen Steuerung der Überschüsse stark relativiert.

Die Deutsche Bundesbank versucht dem ganzen in einem Diskussionspapier auf den Grund zu gehen. Demnach haben sich die Ersparnisse bis 2010 zwar deutlich erhöht, aber seit dem nicht mehr zugenommen. Im Gegensatz zum Überschuss bei der Leistungsbilanz. Es braucht also weitere Erklärungen:

Als wichtige Ursachen nennen Ruppert und Stähler „eine restriktive Fiskalpolitik in Deutschland (in Kombination mit einer vergleichsweise expansiven Politik im Rest der Welt), ein Rückgang der Investitionen im deutschen Unternehmenssektor und verbesserte ökonomische Bedingungen in Schwellenländern, die die dortige Nachfrage nach deutschen Gütern, aber auch dortige Anlagemöglichkeiten ausbaute.“

Also auch die Wettbewerbsfähigkeit unserer Produkte ist nicht die einzige Erklärung. Simulationen der Bundesbank mit volkswirtschaftlichen Modellen zeigen zudem, dass Maßnahmen wie z. B. eine expansivere Finanzpolitik oder Deregulierungen in der Dienstleistungsbranche nur sehr geringe Effekte auf die Entwicklung der Leistungsbilanz haben.

Der Vorwurf an die Bundesregierung, diese ginge nicht konsequent genug gegen die Exportüberhänge vor, erweist sich daher als nicht gut begründet.

„So dämpfen eine Aufwertung des Euros oder ein Wachstumseinbruch in China den deutschen Leistungsbilanzsaldo spürbar“, schreibt die Bundesbank. „Angesichts dessen dürften für eine merkliche Rückführung des Überschusses rein nationale Maßnahmen in plausiblen Größenordnungen nicht ausreichen.“ Eine substantielle Verringerung des Überschusses setze auch Änderungen im internationalen Umfeld voraus.

Dem würde ich mich anschließen. Wunder sind da wahrscheinlich nicht zu erwarten. Aber gerade erstarkt der Euro ja wieder.

Interview mit BM Heil: Aussagen zu Kurzarbeitergeld, mobile Arbeit, Werkverträge, Lieferkettengesetz

piqer:
Ole Wintermann

Corona hat Millionen von Beschäftigten plötzlich die Möglichkeit eröffnet, im Homeoffice oder anderweitig mobil zu arbeiten. Wie soll es nach Corona weitergehen und welche Vorstellungen zur Regelung der mobilen Arbeit hat der Gesetzgeber? Darüber sprach Tobias Peter vom Redaktionsnetzwerk Deutschland mit Bundesarbeitsminister Heil. Es hat den Anschein, dass sowohl Arbeitgeber als auch Gesetzgeber kein ausgeprägtes Interesse daran haben, dass die Beschäftigten die neu gewonnenen Freiheiten auf Dauer nach eigenen Vorstellungen nutzen können.

Heil sind die Nöte der Veranstaltungsbranche eigenen Angaben zufolge bekannt. Er verweist aber auch zugleich auf die vergleichbaren Probleme bei den Autozulieferern und sieht die Finanzierung von Kurzarbeit als entsprechend adäquates Werkzeug zur Vermeidung von Massenarbeitslosigkeit. Er sieht sich darin aufgrund positiver Rückmeldungen aus der Industrie bestätigt und geht davon aus, dass Kurzarbeitergeld in der Summe und auf Dauer weniger gesellschaftliche Kosten nach sich zieht als Massenarbeitslosigkeit.

Der zusätzliche Finanzbedarf der Bundesagentur in Höhe von 10 Mrd. € sowie die Gefahr des Missbrauchs des Kurzarbeitergeldes und das Entstehen sogenannter „Zombiefirmen“ sind für ihn keine relevanten Problemfelder.

Das Bundesministerium wird, so Heil, noch in diesem Herbst einen Gesetzentwurf zur Regelung von Homeoffice und mobiler Arbeit vorlegen,

„… das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern neue Freiheiten ermöglicht, sie aber auch vor einer vollständigen Entgrenzung der Arbeit ins Privatleben schützt… Niemand darf genötigt werden, rund um die Uhr für den Arbeitgeber verfügbar zu sein.“

Weitere Themen sind die Missstände in der Fleischindustrie (Tönnies) mit ihren Werkverträgen und der Leiharbeit, denen Heil weiterhin klar den Kampf ansagt, sowie die Vorlage des geplanten Lieferkettengesetzes, um die Unternehmen zu verpflichten, auch am Beginn der Wertschöpfungskette auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten.

Könnten wir das Coronavirus noch stoppen, bevor es eine Impfung gibt?

piqer:
Silke Jäger

Matthias F. Schneider sagt: Ja. Das Virus könnte niedergeschlagen werden. Das würde zwar einige Wochen ziemlich anstrengend sein, aber anschließend müsste man nicht mehr mit einem ständigen Auf und Ab der Infektionszahlen zurechtkommen und laufe nicht mehr dauernd Gefahr, mit einem nur schwer kontrollierbaren, weil exponenziell verlaufenden, Infektionsgeschehen umgehen zu müssen.

Was sich nach acht Monaten Leben mit einer Pandemie ein bisschen nach Science Fiction anhört, meint der Leiter der medizinischen und biologischen Physik an der TU Dortmund ernst. Schneider beschäftigt sich in seiner Abteilung auch mit der Ausbreitungsdynamik von Viren. In diesem Gastbeitrag erläutert er, welche acht Aspekte eine Rolle spielen, wenn man sich vom Leben mit dem Corona-Infektionsrisiko befreien wollte.

Manche seiner Punkte sind ziemlich abstrakt. Zum Beispiel, wenn es darum geht, nach welchem physikalischen Prinzip sich Viren in Gesellschaften ausbreiten. Damit lässt sich aber besser nachvollziehen, warum eine Situation, wie wir sie im Moment haben, nicht unterschätzt werden sollte. Selbst wenn wir nicht vor einer Phase stünden, in der sich unser Kontaktverhalten durch die dunkle Jahreszeit ändert, birgt ein relativ großes Virusreservoir, wie wir es zurzeit haben, ein nicht gerade kleines Risiko. Wie sich aus so einer Situation relativ schnell eine schwer kontrollierbare entwickeln könnte, lässt sich besser mit dem Prinzip des Phasenübergangs verstehen.

Andere seiner Punkte sind sehr konkret. Er schlägt ein anderes Verfahren vor, um regionale Ausbrüche zu monitoren und Maßnahmen anzupassen. Das jetzige (50 bestätigte Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in den letzten sieben Tagen) bietet nicht genügend Anreize, die Infektionszahlen auf Null zu drücken. Das ließe sich mit einem anderen Maßstab besser hinkriegen.

Auch wenn ich nicht sicher bin, ob alle acht Punkte der Behörden-Realität standhalten, empfinde ich diesen Text als wichtigen Debattenbeitrag. Denn die Frage, warum die Strategie „Eindämmen“ statt „Niederschlagen“ gewählt wurde, habe ich mir zu Anfang der Pandemie dauernd gestellt. Und irgendwann – bis zu diesem Text – (aus Frust) nicht mehr so häufig.

Wie ein kaum bekannter Vertrag die Energiewende europaweit blockiert

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Daniela Becker

Die Niederlande würden lieber heute als morgen aus der Steinkohle aussteigen. Aber das geht frühestens 2030, denn die Regierung fürchtet, von Energiekonzernen auf horrenden Schadenersatz verklagt zu werden. Die Furcht ist berechtigt.

Grund ist der „Energy-Charta-Treaty“ (ECT), ein internationaler Vertrag, der Energiekonzernen das Recht einräumt, private Schiedsgerichte anzurufen. Sinn des Vertrages war es einst, Investitionen in Länder des ehemaligen Ostblocks zu schützen, deren Justiz noch nicht richtig funktionierte. Auf Basis des ECT konnten ausländische Energiekonzerne, die sich „unfair behandelt“ fühlten, Regierungen vor internationalen Schiedsgerichten verklagen.

Auch Deutschland hat den „Energy-Charta-Treaty“ Anfang der neunziger Jahre ratifiziert – und musste seither schon unangenehme Erfahrungen damit machen. So berief sich Vattenfall aufgrund des Atomausstiegs auf den Energiecharta-Vertrag. Inzwischen nutzen Energiekonzerne den ECT, sich den aus Klimaschutzmaßnahmen dringend notwendigen Umbau des Energiesystems vergolden zu lassen.

Oder wie Sandra Beckermann, Mitglied des niederländischen Parlaments, es formuliert:

„Diese Firmen untergraben die demokratisch getroffenen Entscheidungen des niederländischen Volkes indem sie diese Klagen einreichen.“

Sie verlangsamen und blockieren den Kohleausstieg und ziehen durch die Schadenersatzsummen natürlich auch dringend benötigte Gelder für den Ausbau der Erneuerbaren und der Klimawandelfolgen-Anpassungen ab.

Die Prozesse finden nicht vor einem ordentlichen Gericht unter öffentlicher und journalistischer Begleitung statt, sondern in einer Paralleljustiz, meist hinter verschlossenen Türen, meist in Washington, beim Schiedsgericht der Weltbank.

Drei Schiedsrichter entscheiden, einen stellt der Kläger, einen der Angeklagte, auf einen müssen sich beide Seiten einigen. Bislang wurden die 51 ECT-Mitgliedsländer zu rund 46 Milliarden Euro Schadensersatz verurteilt – mindestens, denn längst nicht alle Fälle sind öffentlich bekannt.

Dieser sehenswerte Frontal21-Beitrag arbeitet in nur zehn Minuten sehr gut heraus, wie der ECT europaweit die Energiewende massiv blockiert. Besonders interessant ist, dass innerhalb der Organisation die Stellvertreterin des ECT-Generalsekretärs 2019 versucht hat, die Missstände und die Agitation gegen Klimaschutzmaßnahmen zu thematisieren. Ihr Report wurde als „illegitim“ bezeichnet, ihr wurden „falsche Anschuldigungen“ und „Ideologie“ vorgeworfen und sie wurde gekündigt.

Einzelne Länder wie Italien haben den ECT gekündigt, um Klimaschutzmaßnahmen durchsetzen zu können. Problem: Die Kündigungsfrist des ECT beträgt 20 Jahre. Dies ließe sich nur verhindern, wenn alle EU-Länder gemeinsam aussteigen. Das ist aber extrem unwahrscheinlich. Und den ECT klimafreundlich zu reformieren, scheint aussichtslos, weil die Fossillobby massiv interveniert.

Wie der Fall Wirecard zeigt, dass Menschen eine Identität jenseits der Arbeit brauchen

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Theresa Bücker

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Philine Erfurt Sandhu erklärt in einer Kolumne im Handelsblatt anhand des Wirecard-Skandals, welcher Systemfehler der Arbeitswelt dazu führen kann, dass Kontrollmechanismen versagen. Ihre These: Wenn Menschen zu sehr mit ihrer Arbeitsumgebung, mit ihrem Job verschmelzen und vorrangig eine Arbeitsidentität haben, aber wenig daneben, verlieren sie den kritischen Bezug zu ihrem Job, werden zu Ja-Sagern und reflektieren seltener, was sie tun. Daher müsse eine Arbeitskultur, die auch das eigene Unternehmen vor Fehlern schützen möchte, die innere Unabhängigkeit ihrer Mitarbeiter*innen fördern – ganz besonders im Top-Management. Einen Ansatz dafür beschreibt die Autorin im Text.

Was macht das neue britische Gesetz mit dem EU-Austrittsabkommen?

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Silke Jäger

Das hat gesessen! Die Regierung Johnson entwirft ein Gesetz, das Teile des EU-Austrittsvertrags unterläuft: das britische Binnenmarkt-Gesetz. Der Nord-Irland-Minister im britischen Kabinett gibt es im Parlament offen zu: „Dieses Gesetz setzt sehr begrenzt und spezifisch Teile des Austrittsabkommens außer Kraft.“ Die meisten Medien berichten ebenfalls in dieser Weise. Das Schlüsselwort ist begrenzt.

Doch wenn man sich das Ganze genau ansieht, muss man feststellen: So spezifisch und begrenzt wie gern dargestellt wird, wirkt dieses Gesetz gar nicht. Denn es zielt direkt auf Artikel 10 des Irland-Protokolls ab, das ein wichtiger Teil des Austrittsvertrags ist. Und in Artikel 10 wird definiert, dass manche Regelungen, die auf die besondere Situation in Nordirland ausgerichtet sind, für ganz Großbritannien gelten. Nämlich die, die den Binnenmarkt schützen. Dazu gehören nicht nur die vier Pfeiler – freier Verkehr von Menschen, Waren, Dienstleistungen und Kapital -, sondern weitere Instrumente wie Wettbewerbsgesetze, öffentliches Auftragswesen und staatliche Hilfen für Unternehmen.

Bei den Verhandlungen über die zukünftigen Handelsbeziehungen gab es zuletzt ziemlich viel Streit über den letzten Punkt, die staatlichen Hilfen. Denn da möchte Großbritannien möglichst freie Hand haben, um die eigenen Unternehmen im Weltmarkt besser unterstützen zu können. Doch genau das passt nicht zu dem, was die EU mit ihren Mitgliedsstaaten vereinbart hat. Wer vom Binnenmarkt profitieren will, muss möglichst gleiche Ausgangsvoraussetzungen für den Handel schaffen. Und wenn Großbritannien das will, muss es sich diesen Instrumenten verpflichten. Ein Dilemma für „Global Britain“.

In diesem gut 10-minütigen Video erklärt David Allen Green von der Financial Times, warum das britische Binnenmarkt-Gesetz nicht nur begrenzt und spezifisch den Austrittsvertrag außer Kraft setzt, was der Schachzug aus London für die EU bedeutet und was innenpolitisch. Er sagt, der Präzedenzfall bei diesem Gesetzesentwurf liegt nicht nur darin, dass eine Regierung ihre selbst ausgehandelten Verträge bricht, sondern dass sie gänzlich das Rechtsstaatsprinzip infrage stellt. Dadurch wird nicht nur Vertrauen in die Verhandlungen zerstört, sondern das sendet auch ein Signal an alle, die sich verhalten, als stünden sie über dem Gesetz.

Dieses Signal wird in den Köpfen derjenigen bleiben, die den Brexit als große Chance begreifen, reicher zu werden. Selbst wenn dieser Gesetzesentwurf niemals Gesetz wird (was sehr wahrscheinlich ist).

Das Europäische Parlament legt einen Gesetzesentwurf für eine Regulierung digitaler Währungen vor

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Jürgen Klute

Die Blockchain-Technologie verändert nicht nur das Internet, sie verändert auch unser Geld – etwas salopp formuliert. Die Blockchain-Technologie ist die Grundlage für digitale Währungen – auch crypto currencies genannt. Die bekannteste digitale Währung ist die Bitcoin. Laut Wikipedia-Eintrag „Liste von Kryptowährungen“ verzeichnet die Website coinmarketcap.com ca. 6.000 Kryptowährungen (Stand 4. August 2020).

Die Blockchain-Technologie und digitale Währungen sind hoch innovativ. Sie konfrontieren allerdings Politik und Wirtschaft – vor allem die Geldpolitik und die Finanzmärkte – mit völlig neuen regulativen und praktischen Herausforderungen.

Digitale Währungen erlauben einerseits ein bequemes und sicheres Bezahlen im Internet. Andererseits sind sie aber auch Instrumente, die anfällig für Missbrauch sind: Stichworte Geldwäsche und illegaler Handel. Die bekannte Bitcoin hat in den letzten Jahren außerdem gezeigt, dass digitale Währungen zu einem stark risikobehaftetem Spekulationsobjekt werden können.

Poltisch brisant sind digitale Währungen, weil sie neben dem staatlichen Geldmonopol existieren und sich nur schwer regulieren lassen. Die klassischen Finanzmärkte sind im Zuge der EU-Krise einigermaßen re-reguliert worden (über die Qualität lässt sich streiten, nur hier ist nicht der Ort für diesen Streit). Digitale Währungen unterliegen bisher aber nicht diesen Regulierungen. Die Europäische Union will sich nun der Herausforderung einer Regulierung dieses erst wenige Jahre alten Teils der Finanzmärkte stellen. Die EU-Kommission plant die Veröffentlichung eines Gesetzesvorschlags in Kürze.

Am 10. August 2020 hat der Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) des Europäischen Parlaments seinerseits einen legislativen Initiativbericht angenommen und veröffentlicht. Sven Giegold, der seit 2009 dem EP und dem ECON angehört und Wirtschafts- und Finanzpolitischer Sprecher der Grünen im EP ist, hat in einem ausführlichen Bericht auf seiner persönlichen Webseite die Position des Europäischen Parlaments zur Regulierung digitaler Währungen skizziert. Dort findet sich weiterhin der Link auf den Bericht des ECON und ein Link auf den zuvor erwähnten und mittlerweile geleakten Gesetzesentwurf der EU-Kommission zum gleichen Thema.

Wer diesen aus meiner Sicht hoch spannenden und innovativen europäischen Gesetzgebungsprozess verfolgen will, der findet in dem Bericht von Sven Giegold einen sehr guten Einstieg ins Thema, mit dessen regulativer Handhabung sich die einzelnen Mitgliedsländer der EU als vollkommen überfordert erweisen.

Friedensforscher warnen vor Massenmigration

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Nick Reimer

Vor 30 Jahren kam zum letzten Mal die DDR-Regierung zusammen: Am 12. September 1990 stellte der Ministerrat knapp 5 Prozent der DDR-Staatsfläche unter Naturschutz. 30 Jahre ist es her, dass die Teilung Ost/West und der Kalte Krieg überwunden wurden.

In 30 Jahren ist Mitte des 21. Jahrhunderts. Forscher des „Institute for Economics and Peace“ haben untersucht, wie die Welt 2050 aussehen wird. Mit erschreckenden Ergebnissen: Klimawandel, Konflikte und Unruhen könnten Mitte des Jahrhunderts den Lebensraum von mehr als einer Milliarde Menschen bedrohen. Besonders bedrohte Hotspots sind demnach die afrikanische Sahelzone, weiter südlich liegende afrikanische Staaten wie Angola oder Madagaskar sowie der Nahe Osten von Syrien bis Pakistan.

Naturkatastrophen wie Stürme und Überflutungen einerseits, Wasserknappheit und eine unsichere Versorgung mit Lebensmitteln würden andererseits die Lebensgrundlagen bedrohen und die Menschen in die Flucht schlagen. Bereits 2040 könnten der Untersuchung zu Folge mehr als fünf Milliarden Menschen von hoher oder extrem hoher Wasserknappheit betroffen sein, etwa in Indien oder China. Die Forscher erklärten anhand etlicher Faktoren 31 Staaten als „nicht widerstandsfähig genug“, um die ökologischen und politischen Veränderungen der kommenden Jahrzehnte zu schultern. Die Einwohnerschaft dieser Staaten summiert sich derzeit auf eine Milliarde Menschen.

Derweil nimmt der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen immer weiter zu. Eine internationale Studie hat erstmals berechnet, wie stark sich seit den 1970er-Jahren die überschüssige Wärmeenergie jeweils in den Meeren, den Landmassen und der Lufthülle ansammelt. Demnach muss die Erde mittlerweile im Schnitt in jeder Sekunde pro Quadratmeter rund 0,9 Joule Energie zusätzlich schlucken. Über jedes Jahr bilanziert, ergibt das rund 14 Billionen Gigajoule Überschuss, mehr als das Zwanzigfache des Weltenergieverbrauchs.

Isabel Schayani am Feuer in Lesbos

piqer:
Dmitrij Kapitelman

„Ich ziehe jetzt mal die Maske runter… Ich sitze interessanterweise etwa 40 Meter vom Lidl entfernt. Vor der deutschen Supermarktkette Lidl. Rundherum sind Tausende von Menschen, die hungern.“ So beginnt die Schaltung vom ARD-Studio nach Lesbos. Wo Isabel Schayani mit einer geflüchteten Mutter und ihren drei Kindern am Feuerscheit sitzt. Im Dreck, am Straßenrand, „das Wohnzimmer“ wie Schayani bei allem Respekt konstatiert. Was folgt, ist nicht weniger als Zeitgeschichte. Das Dokument eines Europas, das Asylsuchenden die Wahl zwischen Straße und Lager auf unbestimmte Zeit lässt. Um abzuschrecken. Den Unerwünschten offenbar vorher die Schnürsenkel abnehmend, damit sie sich nicht umbringen. Auch, nein besonders den traumatisierten Kindern.

Ich habe selten eine Reporterin als so glaubwürdig, menschlich und gleichzeitig sachlich empfunden wie Isabel Schayani. Alleine schon diese Interviewsituation: Sich bei aller Pandemie mit in den Dreck zu setzen, um auf Augenhöhe mit den Menschen zu sprechen.

Denkwürdig auch das Ende des Gesprächs. Als Schayani berichtet, wie sie die Flüchtlinge damit konfrontiert hat, dass Europa das Recht habe, sie abzuweisen:

„Das verstehen wir. Aber warum behandelt ihr uns wie Tiere?“, laute dann die Antwort. „Da bin ich am Ende mit meinem Latein.“