Wochenrückblick

Was diese Woche wichtig war

Die Folgen des Putschversuchs erschüttern die Türkei, die EZB hält die Füße still und der IWF bleibt sich treu – die wichtigsten wirtschaftspolitischen Ereignisse der Woche kompakt zusammengefasst.

Türkei

Nach dem gescheiterten Putschversuch vom letzten Freitag hat Präsident Erdogan den Ausnahmezustand verhängt. Er gibt dem Präsidenten und dem Kabinett die Möglichkeit, neue Gesetze ohne Beteiligung des Parlaments zu verabschieden, Grundrechte und Freiheiten können eingeschränkt oder aufgehoben werden. Auch die Europäische Menschenrechtskonvention wurde ausgesetzt. Tausende Soldaten, Polizisten und Beamte wurden wegen einer angeblichen Beteiligung an dem Umsturzversuch festgenommen. Zehntausende weitere Staatsbedienstete, darunter Richter, Staatsanwälte, Hochschuldozenten und Lehrer wurden entlassen oder versetzt.

Auch an den Finanzmärkten hinterließ der Putsch Spuren. Der Istanbuler Aktienindex ISE 100 verlor über 10%, die türkische Landeswährung Lira sank gegenüber dem US-Dollar zwischenzeitlich auf ein neues Allzeittief. Auch die Kurse türkischer Staatsanleihen gaben kräftig nach, die Renditen gingen entsprechend stark nach oben. Die Zentralbank hat derweil mit ihrer fünften Zinssenkung in Folge auf die Turbulenzen reagiert. Der Satz für Übernachtkredite sank von 9 auf 8,75%. Die Ratingagentur S&P stufte die Türkei noch weiter in den Ramsch-Bereich herab. Auch die anderen Ratingagenturen kündigten an, die türkische Kreditwürdigkeit außerplanmäßig zu überprüfen (mehr zu den wirtschaftlichen Folgen des Putsches finden Sie hier).

Veränderungen gegenüber dem 14.7.16 in %. *gemessen anhand einer Staatsanleihe mit einer 10,2-jährigen Restlaufzeit (WKN: A18YUK). Quellen: finanzen.net, investing.com, comdirekt.de, eigene Berechnungen, Stand: 23.7.16

Deutschland

Das Brexit-Referendum hat auch die Konjunkturerwartungen professioneller Anleger deutlich gesenkt. Der ZEW-Index sank auf den niedrigsten Stand seit fast vier Jahren.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von cdn.tradingeconomics.com zu laden.

Inhalt laden

Dieser Pessimismus spiegelt sich in einem weiteren umfragebasierten Konjunkturindikator allerdings nicht wider. Der vorläufige Markit-Composite-Einkaufsmanagerindex (Flash PMI) stieg im Juli auf den höchsten Stand seit einem halben Jahr (mehr zu den Flash PMIs für Großbritannien und die Eurozone finden Sie weiter unten).

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von cdn.tradingeconomics.com zu laden.

Inhalt laden

Eurozone und Europa

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bei ihrer jüngsten Zinssitzung keine weiteren Änderungen ihrer Geldpolitik beschlossen. Sowohl die Leitzinsen als auch das Volumen der monatlichen Anleihenkäufe blieben unverändert. Die Zentralbank wolle erst abwarten, wie sich die europäische Konjunktur nach dem Brexit-Votum entwickle, so EZB-Präsident Mario Draghi auf der anschließenden Pressekonferenz.

Gemischte Nachrichten für die EZB lieferten zwei quartalsmäßig von der Zentralbank erhobene Umfragen. Laut dem aktuellen Bank Lending Survey (BLS) rechnen die Banken im Euroraum im Schnitt weiterhin mit einer steigenden Kreditnachfrage und planen keine Verschärfung ihrer Kreditvergaberichtlinien. Aus dem Survey of Professional Forecasters (SPF) geht hervor dagegen hervor, dass die befragten Analysten ihre Inflationserwartungen für die Jahre 2017 und 2018 im Vergleich zum 1. Quartal leicht nach unten korrigiert haben. Die langfristigen Inflationserwartungen liegen unverändert bei 1,8%.

SPF_EZB_langfristige Inflationserwartungen
Langfristige Inflationserwartungen laut SPF. Quelle: EZB

Auch die italienische Bankenkrise hat den EZB-Rat beschäftigt. Laut Draghi sei der hohe Anteil notleidender Kredite ein Problem für die Profitabilität der Banken. Deshalb sollte möglichst bald ein Markt geschaffen werden, auf dem solche Papiere verkauft werden könnten, ohne dass es zu Notverkäufen kommen muss. Am kommenden Freitag wird die Europäische Bankenaufsicht (EBA) die Ergebnisse ihres neuesten Banken-Stresstests veröffentlichen. Draghi gab auch zu verstehen, dass die bestehenden Bail-in-Regeln seiner Meinung nach die nötige Flexibilität hätten, um unter „außergewöhnlichen Umständen“ eine Rekapitalisierung mit Steuergeldern zu erlauben.

Der Composite-Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Eurozone ist trotz des Brexit-Votums kaum zurückgegangen und liegt jetzt bei 59,2 Punkten (zuvor 53,1).

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von cdn.tradingeconomics.com zu laden.

Inhalt laden

Dagegen brach der PMI für Großbritannien stark ein und liegt jetzt deutlich unter der Schwelle von 50 Punkten, die Wachstum signalisiert.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von cdn.tradingeconomics.com zu laden.

Inhalt laden

Großbritannien wird im nächsten Jahr auf die Europäische Ratspräsidentschaft verzichten. Dies teilte die neue Premierministerin Theresa May EU-Ratspräsident Donald Tusk mit. Großbritannien hätte eigentlich am 1. Juli 2017 turnusgemäß den Vorsitz übernehmen sollen.

Quelle: Europäischer Rat

Die französische Regierung hat ihre umstrittene Arbeitsmarktreform durchgebracht. Das Paket ging ohne Abstimmung durchs Parlament – Premierminister Manuell Valls hatte eine Ausnahmeregelung in der Verfassung genutzt, um den Widerstand des linken Flügels seiner sozialistischen Partei zu umgehen. Unter anderem werden der Kündigungsschutz gelockert und Abstriche bei der 35-Stunden-Woche gemacht.

Die Europäische Union hat im Streit um chinesische Ausfuhrbeschränkungen die Welthandelsorganisation (WTO) eingeschaltet. Es geht laut Angaben der EU-Kommission um Exportzölle und Quotenregelungen für Rohstoffe wie Graphit, Kobalt, Chrom und Magnesium, die nach Auffassung Brüssels gegen die internationalen Handelsregeln verstoßen, weil sie Chinas Industrie wettbewerbswidrig Vorteile verschaffen würden. Jetzt muss die WTO zunächst formale Konsultationen zwischen der EU und China organisieren. Sollte es innerhalb von 60 Tagen nicht zu einer Lösung des Konflikts kommen, dürfen die Europäer ein Urteil über die Rechtmäßigkeit der chinesischen Politik verlangen.

Griechische Privatanleger sind mit einer Klage gegen den  Schuldenschnitt von 2012 vor dem Menschenrechtsgericht in Straßburg gescheitert. Die Richter entschieden, dass das Ziel, den griechischen Staat vor der Pleite zu bewahren, den Eingriff in die Eigentumsfreiheit gerechtfertigt habe und Investitionen in Staatsanleihen außerdem nie risikofrei seien. Die mehr als 6.000 Anleger hatten Staatsanleihen im Wert von 10.000 bis 1,5 Millionen Euro besessen.

USA

Donald Trump ist jetzt auch offiziell zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten ernannt worden. Ein letzter Versuch parteiinterner Gegner, die Nominierung des Milliardärs zu verhindern, scheiterte auf dem Parteikonvent in Cleveland. Die aktuellen Umfragen zeigen, dass Trump derzeit noch deutlich hinter der designierte demokratischen Kandidatin Hillary Clinton zurückliegt, auch wenn sein Rückstand zuletzt wieder etwas kleiner geworden ist (mehr dazu hier).

*Aktuelle landesweite Umfragen. **Derzeitige Verteilung der Wahlmännerstimmen auf Basis regionaler Umfragen. ***Wahrscheinlichkeiten für Wahlsieg abgeleitet aus Wettquoten bzw. Finanzmarkt-Zertifikaten. Quellen: RealClearPolitics, oddschecker.com, Iowa Electronic Markets, eigene Berechnungen, Stand: 20.7.16

China

Mit einer Lockerung der Genehmigungsverfahren will Chinas Regierung ausländische Investitionen in den regionalen Freihandelszonen fördern. Dafür soll ein neues Registrierungssystem sorgen, was Firmengründungen oder Joint Ventures erleichtern soll.

Japan

Das von der Regierung von Ministerpräsident Shinzo Abe bereits angekündigte Konjunkturpaket soll offenbar deutlich größer ausfallen als bisher angenommen. Medienberichten zufolge will Abe Anfang August ein Programm von umgerechnet 186 Milliarden US-Dollar auf den Weg bringen – das wäre doppelt so viel, wie zunächst erwartet worden war.

Weltwirtschaft

Der Internationale Währungsfonds hat seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft gesenkt – wie eigentlich immer in den letzten Jahren. Demnach soll die globale Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 3,1% steigen, im April hatte der IWF noch 3,2% erwartet. 2017 sollen es dann 3,4% werden (April-Prognose: 3,5%). IWF-Chefvolkswirt Maurice Obstfeld begründete die gesenkten Prognosen vorranging mit der durch das Brexit-Votum ausgelösten Unsicherheit. Am stärksten wurde dementsprechend auch die Wachstumsprognose für Großbritannien nach unten korrigiert.

Finanzmärkte

Die Aktienmärkte schlossen die Woche größtenteils mit leichten Gewinnen ab. Die stärksten Zuwächse verzeichnete erneut der britische FTSE 100-Index.

Veränderungen in %. Quelle: finanzen.net

Die Ölpreise gaben erneut nach und entfernen sich weiter von ihrem Zwischenhoch von Anfang Juli.

Preise in US-Dollar pro Barrel. Quelle: finanzen.net