Kommentar Draghi im Bundestag

Schlechter Witz mit gelungener Pointe?

Mario Draghi nimmt tatsächlich die Einladung des Bundestages an und wird dem deutschen Parlament Auskunft über die EZB-Geldpolitik geben. Allerdings könnte das Anzetteln dieser Farce Draghis schärfsten Kritikern auf die Füße fallen.

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Auf den ersten Blick liest sich die Nachricht wie ein schlechter Witz: Mario Draghi wird tatsächlich die Einladung des Bundestages annehmen und dem deutschen Parlament zur Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) Rede und Antwort stehen.

Es gibt genug Gründe, diese Entscheidung für falsch zu halten. Die EZB ist eine europäische Institution, die sich nur vor dem Europäischen Parlament verantworten muss – was sie übrigens auch einmal im Quartal tut. Die Einladung des Bundestages ist gleichermaßen ein Affront gegenüber dem EU-Parlament und der Zentralbank, den der EZB-Präsident mit seiner Zusage auch noch legitimiert.

Und was macht Draghi, wenn demnächst das griechische Parlament erfahren möchte, wie das mit den ELA-Krediten im letzten Sommer gelaufen ist? Oder das irische Unterhaus darüber aufgeklärt werden will, warum die EZB unter Draghis Vorgänger Jean-Claude Trichet Irland im Jahr 2010 de facto dazu zwang, sich unter ein Troika-Programm zu begeben? Oder das lettische Parlament einfach mal so mit einem Mann aus der Praxis über die Unterschiede zwischen umfrage- und marktbasierten Inflationserwartungen plaudern will? Diese Anfragen wären genauso (il-)legitim, wie es die des Bundestages ist.

Auch wird sich der Erkenntniswert der Veranstaltung sicher in Grenzen halten. Die Abgeordneten von CDU/CSU sowie die Zaungäste von AfD und FDP werden die Bühne routiniert faktenfrei und wortgewaltig nutzen, um sich gegen die EZB-Politik in Stellung zu bringen. Die Wirtschaftsressorts von FAZ, Welt und Co. werden auch weiterhin vor und nach jeder Zinsentscheidung journalistisch hyperventilieren. Draghi selbst wird genau das sagen, was er immer bei solchen Gelegenheiten sagt und was man nicht auch in seinem jüngsten Interview mit der Bild-Zeitung nachlesen könnte. Das Interview selbst muss übrigens niemand (kostenpflichtig) lesen, der FT-Alphaville-Blog hat den Inhalt schon perfekt zusammengefasst:

Bild: “Something something inflation, something something German savers.” Draghi: “No.

Breite Pro-Draghi-Allianz

Allerdings kann man dieser Farce auch etwas Gutes abgewinnen. In den letzten Wochen hat es auch in der deutschen Medienlandschaft eine Vielzahl von Kommentaren und Analysen gegeben, die sich darum bemühten zu erklären, dass dieser komische Goldman Sachs-vorbelastete Italiener doch vielleicht ein paar mehr (gute) Gründe für seine Politik hat, als nur „uns“ Deutsche zu enteignen. Sogar Jens Weidmann, der Posterboy der deutschen Bewegung zur Rettung der Sparer, hat mehrfach zugunsten von Draghis Politik Stellung bezogen, zuletzt bei einer Rede in München.

Ob es diese breite Pro-Draghi-Allianz auch gegeben hätte, wenn Wolfgang Schäuble und Co. nicht so lautstark gegen die EZB-Politik gewettert hätten? Eher nicht. Und der PR-Auftritt im Bundestag wird das Thema sicherlich erneut in den Fokus der breiteren Öffentlichkeit rücken.

Mein (nicht quantifizierbarer) Eindruck ist, dass die Empörungswelle und die durch sie hervorgerufene Gegenreaktion tatsächlich wie erhofft dazu beigetragen haben, ein besseres Verständnis für geldpolitische Zusammenhänge zu schaffen – nicht zuletzt wurde immer wieder aufgezeigt, dass gerade Wolfgang Schäubles ökonomisch irrationale Besessenheit von der Schwarzen Null einen gewissen Anteil an der chronischen europäischen Wirtschaftsflaute und dem daraus resultierenden Niedrigzinsumfeld hat. Somit könnte das Draghi-Bashing für Schäuble und seine Union letztlich sogar zu einem klassischen Eigentor werden und der eigentlich schlechte Witz doch noch eine gelungene Pointe bekommen.